In Australien herrscht helle Aufregung. Was hat der eingebürgerte Autor Yang Hengjun in den Augen von Chinas Herrschern getan, um die Kapitalstrafe zu verdienen?
Nach fünf Jahren in Isolation in Untersuchungshaft ist der australische Autor Yang Hengjun in China zum Tode verurteilt worden. Die Strafe wird in «lebenslänglich» umgewandelt, wenn sich Yang zwei weitere Jahre nichts zuschulden kommen lässt. Da sich Yangs Gesundheitszustand in der Haft laut australischen Angaben in letzter Zeit massiv verschlechtert hat, wird er wohl im Gefängnis sterben.
Die chinesische Justiz hat nie im Detail bekanntgegeben, was sie Yang zur Last legt, noch hat sie irgendwelche Belege dafür vorgelegt. Am Montag sagte ein Sprecher des chinesischen Aussenministeriums in Peking laut der Nachrichtenagentur Reuters, dass Yang wegen Spionage verurteilt worden sei. Alle nötigen Prozeduren seien eingehalten worden, und «die australische Seite» habe der Verurteilung beigewohnt. Was das genau heisst, bleibt unklar – australische Diplomaten haben sich immer wieder beklagt, dass sie kaum Zugang zu Yang hätten.
Vom chinesischen Funktionär zum Demokratie-Blogger
Yang emigrierte 1999 nach Australien. Zuvor hatte er für das chinesische Aussenministerium und die Staatssicherheit gearbeitet. Er studierte in Sydney, schrieb eine Doktorarbeit über den Einfluss von Bloggern auf eine mögliche Demokratisierung Chinas und betätigte sich selber als Blogger. «Yang gab seine Karriere als kommunistisches Kadermitglied auf, um sich für Freiheit und Demokratie einzusetzen», zitierte die australische Zeitung «Sydney Morning Herald» Feng Chongyi, Yangs Doktorvater. 2002 erlangte Yang die australische Staatsbürgerschaft.
2019 wurde Yang am Flughafen von Guangzhou festgenommen, als er gemeinsam mit seiner Frau aus den USA einreiste. Zu dem Zeitpunkt hatte er gleichzeitig eine akademische Position an der Columbia University inne und war im Import-Export-Geschäft zwischen China und den USA tätig.
In Gefangenschaft soll Yang wiederholt gefoltert und in Isolationshaft gehalten worden sein. 2021 wurde ihm hinter verschlossenen Türen der Prozess gemacht.
In Australien herrscht nach dem harschen Urteil für Yang helle Aufregung. Die Aussenministerin Penny Wong schrieb, ihre Regierung sei entrüstet. Alle Australier wollten, dass Yang mit seiner Familie wiedervereint werde. Man werde sich weiter entschieden für ihn einsetzen. Dass sie allerdings wenig Spielraum hat, dürfte Wong bewusst sein.
Das Urteil kommt zu einem heiklen Zeitpunkt in den australisch-chinesischen Beziehungen. Diese begannen sich in den letzten Monaten erst langsam zu entspannen, nachdem zuvor jahrelange Eiszeit geherrscht hatte. Die engen Handelspartner befanden sich in einer schweren diplomatischen Krise. Australien warf China vor, sich in die australische Politik einzumischen und sie zu beeinflussen. Während der Corona-Pandemie forderte Australien dann eine Untersuchung zur Ursache des Ausbruchs, was Chinas Herrscher so sehr verärgerte, dass sie mehrere Strafmassnahmen gegen australische Produkte verhängten.
Das kommunistische Regime bestraft «Verrat» scharf
Im November besuchte Anthony Albanese dann als erster Premierminister Australiens in sieben Jahren Peking. Kurz davor liess die chinesische Regierung die australische Journalistin Cheng Lei frei. Wie Yang war sie als Chinesin geboren und erlangte später die australische Staatsbürgerschaft. Cheng war für den chinesischen Staatssender CGTN tätig und wurde verhaftet, angeblich, weil sie sich über eine Sperrfrist hinweggesetzt hatte. Dafür wurde sie mehr als zwei Jahre festgehalten, allerdings nie verurteilt.
Die damaligen Hoffnungen, dass auch Yang bald freigelassen werde, realisierten sich nicht. Im Gegenteil: Das bedingte Todesurteil übertraf die Befürchtungen der meisten seiner Unterstützer. Das wahre «Verbrechen» des 57-Jährigen dürfte gewesen sein, dass er sich als ehemaliges Mitglied des Parteikaders von China und der Kommunistischen Partei abgewandt hatte. Das ist in den Augen der Machthaber Verrat, der hart bestraft gehört.
In Australien wird Yangs harte Bestrafung denn auch in einem politischen Licht gesehen. Der Direktor der Denkfabrik Australien Strategic Policy Institute, Justin Bassi, bezeichnete das Urteil gegenüber dem «Sydney Morning Herald» als Geiseldiplomatie. Der aussenpolitische Sprecher der Opposition, Simon Birmingham, sagte dem öffentlichrechtlichen Sender ABC, dass das Todesurteil eine Warnung dafür sei,wie stark sich die Rechtssysteme Australiens und Chinas unterschieden und welche Risiken bei Geschäften und Kontakten mit China bestünden.