Im Vorfeld der Wien-Wahl besucht ein FPÖ-Funktionär das Fastenbrechen im Ramadan, und die Rechtspopulisten schalten Inserate auf Türkisch. Gleichzeitig will die Partei den politischen Islam verbieten.
Ein langer, reich gedeckter Tisch, türkische Volksmusik, Frauen mit Kopftüchern – und mittendrin sitzt am Kopf der Tafel ein Politiker der FPÖ. Leo Lugner hat vor zwei Wochen am Fastenbrechen teilgenommen, das der türkische Moscheenverein Atib während des Ramadans veranstaltet. Er posiert dabei lächelnd für zahlreiche Fotos, postet selbst aber keines auf seinen Social-Media-Kanälen, obwohl er seine öffentlichen Auftritte sonst ausführlich dokumentiert.
Den Weg an die Öffentlichkeit fanden die Bilder dennoch, und seither sorgen sie für Debatten im Vorfeld der Wahl in Wien, die Ende April stattfindet. «Daham beim Islam», schreibt etwa das Magazin «Profil» dazu in Anspielung an den wohl berühmtesten Slogan der FPÖ, «Daham statt Islam», den ihr heutiger Parteichef Herbert Kickl vor bald zwanzig Jahren ersonnen hatte. «Wien darf nicht Istanbul» werden, lautete ein anderer.
Die FPÖ will den politischen Islam verbieten
Die Rechtspopulisten positionieren sich seit Jahren dezidiert islamkritisch und beklagen Parallelgesellschaften sowie den zunehmenden Einfluss muslimischer Glaubensregeln etwa an den Schulen. Kickl fordert regelmässig ein Verbotsgesetz gegen den politischen Islam nach Vorbild des österreichischen NS-Verbotsgesetzes von 1947. Ein solches solle auch Vereinigungen wie Atib unterbinden, die «Islamismus propagieren und verbreiten», wie der FPÖ-Chef im letzten Sommer erklärte. Tatsächlich ist der Moscheenverein umstritten, untersteht er doch der türkischen Religionsbehörde Diyanet und gilt er doch als verlängerter Arm des Erdogan-Regimes.
Lugners Teilnahme am Fastenbrechen sorgt denn auch in den eigenen Reihen für Kritik, wie Kommentare in den sozialen Netzwerken zeigen. Der Wiener Spitzenkandidat und Landesparteichef Dominik Nepp sagte diese Woche in einem ORF-Interview, dieser sei als Privatmann von Atib eingeladen worden, nicht als FPÖ-Politiker. Lugner ist der Schwiegersohn des schillernden, über die Landesgrenzen hinaus bekannten Bauunternehmers Richard Lugner, der letztes Jahr verstorben ist. Er habe den Anlass im Namen des familieneigenen Einkaufszentrums Lugner City besucht, das viele migrantische Kunden hat. «Happy Ramadan» hiess es zu Beginn des Fastenmonats auf der Facebook-Seite des Unternehmens.
Allerdings fällt auf, dass nicht nur Lugner sich um die türkischstämmige Community der Hauptstadt bemüht. Mit dem Goldhändler Mehmet Özay setzt die FPÖ Wien erstmals auch einen Kandidaten mit türkischen Wurzeln auf ihre Wahlliste. Zu seiner Vorstellung vergangene Woche wurden nur türkischsprachige Medien zugelassen – das «Profil» und die Tageszeitung «Die Presse» wurden explizit ausgeladen. Auffallend waren auch bezahlte Beiträge auf türkischsprachigen Internetportalen, in denen unter anderem mit Bildern von Nepp und Lugner für die FPÖ geworben wird. Für Wähler mit türkischen Wurzeln gebe es gute Gründe, für die Partei zu stimmen, heisst es da – etwa weil sie sich gegen die «LGBT-Propaganda» an den Schulen stelle.
Über 200 000 Wahlberechtigte in Wien sind ausländischer Herkunft, wobei Serben und Türken die beiden grössten Gruppen ausmachen. Unter dem früheren Parteichef Heinz-Christian Strache hatte die FPÖ jahrelang die Serben intensiv umworben: Strache trug oft ein orthodoxes Gebetsarmband, bezeichnete Kosovo als serbisch und sich selbst als Freund der Serben. Man habe eine gemeinsame Geschichte und Tradition, erklärte Strache – anders als mit den muslimischen Türken, hiess das implizit. Um diese hatten sich primär die Sozialdemokraten bemüht. Laut einer Analyse des Instituts OGM stimmten bei der letzten Wien-Wahl vor fünf Jahren auch 45 Prozent der türkischstämmigen Migranten für die SPÖ und nur 6 Prozent für die FPÖ.
«Verrat an den eigenen Wählern»
Inhaltlich steht das allerdings in einem gewissen Widerspruch zur oft konservativen Einstellung der türkischen Community in Österreich. Der zu Integrationsfragen forschende Soziologe Kenan Güngör sagt gegenüber der «Presse», diese sei zu einem grossen Teil nationalistisch, religiös und habe einen Hang zum Autoritären. Auf der Ebene der Werte teilten Wähler mit türkischen Wurzeln mehr mit der konservativen ÖVP und der FPÖ als mit der SPÖ.
In der Annäherung an die Rechtspopulisten sieht Güngör deshalb eine weltanschauliche Normalisierung – trotz deren Islamfeindlichkeit. Wegen der Zuwanderung in den letzten Jahren aus Syrien und Afghanistan seien die Türken unter den Muslimen in Österreich mittlerweile die «etablierten Aussenseiter», während die «neuen» Ausländer im Fokus der FPÖ-Kritik stünden.
Dennoch ist das Werben um die türkischen Stimmen eine Gratwanderung für die Partei. Es irritiert zum einen die Stammwählerschaft, zum anderen zeigt es Widersprüche auf: Die FPÖ beklagt mangelnde Deutschkenntnisse von Migranten, wirbt aber auf Türkisch, und ein Funktionär besucht den Verein, in dem sie seit Jahren eine Gefahr sieht.
Die Konkurrenz reagiert denn auch mit Häme. Die ÖVP wirft der Partei prinzipienlosen Wählerfang und sogar Verrat der eigenen Basis für «Stimmen des organisierten politischen Islam» vor. Das sei schamlos. Die Konservativen werben selbst ungewohnt aggressiv mit dem Thema Zuwanderung und plakatieren den Slogan «Deutsch ist Pflicht, Habibi». Noch drastischer äusserte sich der frühere FPÖ-Chef Strache, der mit seiner eigenen Kleinstpartei neuerlich den Einzug in den Wiener Gemeinderat versucht. Die Wiener FPÖ biedere sich unter Nepp offen an den radikalen Islam an, schrieb er und belebte seinen alten Slogan wieder: «Daham statt radikaler Islam».