Der Musiker Dominik Wlazny überraschte bei der Bundespräsidentenwahl 2022 mit dem dritten Platz. Nun will er mit der Bierpartei in den Nationalrat. Wegen der Unzufriedenheit mit der gegenwärtigen Politik könnte das gelingen.
Die Bierpartei erfährt in Österreich «massiven Zuspruch». Das zumindest erklärte am Dienstag ihr Gründer und Chef, Dominik Wlazny. Deshalb werde man bei der im Herbst stattfindenden Nationalratswahl auch definitiv antreten. Diese Absicht hatte Wlazny bereits im Januar kundgetan, als Voraussetzung dafür aber das Erreichen von 20 000 Mitgliedern oder entsprechende Mittel von gut einer Million Euro bis Ende April genannt. Dieses Ziel wurde offenbar deutlich verfehlt. Der Parteichef machte am Dienstag keine konkreten Angaben, erklärte aber, es sei mehr als zur Hälfte erreicht. Das Glas sei also «mehr als halb voll».
Zudem habe man in den vergangenen Monaten eine Reformbewegung aus dem Boden gestampft, an Veranstaltungen in allen Bundesländern seien Ideen entwickelt worden. Diese will die Bierpartei nun zu einem konkreten Programm ausarbeiten und Kandidaten präsentieren. Bisher ist einzig Wlazny ein bekannter Name in Österreich, und die Inhalte der Partei sind mehr als vage.
Vor allem bei Jungen ist Wlazny populär
Als er für die Gemeinderatswahl in Wien 2020 auf die politische Bühne trat, war ein Bierbrunnen sein bekanntestes Wahlversprechen. Prompt holte die Bierpartei fast ein Dutzend Mandate in Bezirksvertretungen. Im Sommer 2022 realisierte die Partei das Projekt mitten im Wiener Stadtzentrum tatsächlich – allerdings nur temporär. Es war Teil der Kampagne, die Wlazny aus der Wiener Stadtpolitik auf die nationale Bühne katapultierte: Der heute 37-Jährige forderte den Amtsinhaber Alexander Van der Bellen bei der Wahl zum Bundespräsidenten heraus und erreichte mit 8,3 Prozent Stimmenanteil überraschend den dritten Platz.
Ein Bierbrunnen für Wien. 🍺⛲
Das ist mein Wahlversprechen. 👍🏻#WienWahl2020 #wien #wienwahl pic.twitter.com/fCUXBRxQdQ— Marco Pogo (@marcopogo666) September 12, 2020
Bemerkenswert war dies nicht nur, weil Wlazny dieses Resultat ohne politische Erfahrung und parteiliche oder finanzielle Unterstützung erzielte. In einem Kandidatenfeld von Wirrköpfen, dem Wut-Blogger und Esoteriker angehörten, war Wlazny noch einer der seriöseren Kandidaten. Denn Slogans wie «Make Wien dicht again», «Montag? Nein, danke» oder «Yes we can’t» täuschen darüber hinweg, dass die Bierpartei nicht mehr das Satireprojekt ist, als das sie einst begonnen hatte.
Wlazny nennt jeweils fehlende Chancengleichheit, Kinderarmut und die Zustände im Bildungs- wie Gesundheitswesen als zentrale Probleme des Landes, auf die er den Fokus legen wolle. Sein Anliegen sei, Menschen, die sich frustriert von der Politik abgewandt haben, «zurück ins Boot zu holen».
Von diesen gibt es viele in Österreich – Wlaznys Erfolg ist deshalb vor allem ein Zeichen für die Unzufriedenheit mit der gegenwärtigen Politik mit ihren Skandalen und Korruptionsaffären. Im Schnitt der nationalen Umfragen kommt die Bierpartei derzeit auf fast sechs Prozent der Stimmen, was reichen würde für den Einzug ins Parlament. Populär ist sie vor allem bei Jungen. Bei der Bundespräsidentenwahl 2022 erreichte Wlazny in der Altersgruppe unter 30 einen Stimmenanteil von 20 Prozent.
Das mag auch damit zu tun haben, dass Wlazny schon vor dem Einstieg in die Politik bekannt war. Nach dem Medizinstudium und der Arbeit als Arzt setzte er ganz auf die Musik, unter dem Künstlernamen Marco Pogo tourt er mit seiner Punkrock-Band Turbobier durchs Land. Zwei Mal gewann er einen Amadeus, den wichtigsten österreichischen Musikpreis.
Die Bierpartei könnte die Regierungsbildung erschweren
«Unglaubliches Potenzial» attestierte der Meinungsforscher Peter Hajek Wlazny auch bei der Parlamentswahl, wie er dem ORF erklärte. Tatsächlich sind in Österreich immer wieder unerfahrene Quereinsteiger zumindest kurzfristig erstaunlich erfolgreich, zuletzt etwa der Unternehmer Frank Stronach.
Mit ihren Positionen könnte die Bierpartei zu einer Zersplitterung im linken Lager beitragen. Bei der Präsidentschaftswahl gaben vor allem Wähler der Grünen Wlazny ihre Stimme. Aber auch die Sozialdemokraten tun sich seit Jahren schwer, junge Menschen anzusprechen. Zudem sind die Kommunisten derzeit so populär wie seit Jahrzehnten nicht mehr, sie liegen bei rund vier Prozent in den Umfragen. Als Protestpartei für junge Wähler ist die Bierpartei aber auch eine Konkurrentin für die FPÖ, die seit bald anderthalb Jahren in allen Umfragen führt.
Ein Wahlsieg der Freiheitlichen würde die Regierungsbildung kompliziert machen, weil derzeit alle anderen Parteien ein Bündnis mit deren Chef Herbert Kickl ausschliessen. Überwinden auch die Bierpartei und sogar die KPÖ die Hürde von vier Prozent, drohten eine Koalition mit drei oder sogar vier Parteien und damit Verhältnisse wie in Israel oder Italien, meinte der Meinungsforscher Hajek im März.