Rechenzentren werden effizienter, das Geschäft boomt. Doch viele Daten werden doppelt und dreifach gespeichert. Das hat gute Gründe – aber nicht immer.
Hausgemachte Bagels mit veganem Karottenlachs sind ein Beitrag zur Klimakatastrophe. Wenn man davon Fotos auf Instagram postet. So wie es Food-Influencer tun – oder wir alle, wenn wir unsere Mahlzeiten in den sozialen Netzwerken verewigen. Mehr Daten brauchen mehr Speicherplatz, und mehr Speicherplatz braucht mehr Strom. Das kann zu absurden Entwicklungen führen: In Irland werden Datenzentren in zwei Jahren voraussichtlich einen Drittel der erzeugten Elektrizität fressen.
Die Physik setzt dem Internet Grenzen
Das Energieproblem multipliziert sich. Ein bei Instagram hochgeladenes Bagel-Foto oder ein Katzen-Video auf Tiktok werden nicht bloss einmal abgespeichert, sondern mehrmals mit Kopien auf Servern rund um den Erdball. So geschieht es mit fast allen Daten, bei denen ein Anbieter erreichen will, dass sie weltweit ohne Verzögerung abgerufen werden können. «Das ist reine Physik», sagt René Bersier, Hardware- und Infrastrukturspezialist bei IBM Schweiz.
Was Bersier meint: Durch Glasfaserleitungen können Daten theoretisch mit rund 200 000 Kilometern pro Sekunde flitzen. Doch wenn viele Abfragen hintereinander stattfinden, reduziert sich die Geschwindigkeit enorm – so weit, bis es ein Nutzer spürt. «Wenn Sie in Amerika in den Ferien sind und auf Daten zugreifen möchten, die nur in Europa gespeichert sind, wäre dieser Service sehr träge und langsam», erläutert Bersier. Also werden überall Kopien angelegt.
Jedes Megabyte zählt: Der weltweite Stromverbrauch von Datenzentren wird von 2022 bis 2026 um rund 80 Prozent zunehmen, schätzt die Internationale Energieagentur (IEA) – ein Anstieg von 350 auf 640 Terawattstunden. Nicht nur fallen in der digitalisierten Gesellschaft grundsätzlich immer mehr Daten an, diese Daten werden auch immer öfter kopiert.
Das Netz muss schnell reagieren – auch für Spielereien
«Es gibt sehr viele Kopien von Daten. Aber das hat immer einen geschäftlichen Grund», sagt Bersier. Ein Grund ist die Reduktion der Zugriffszeit – wobei sich diskutieren liesse, wie gesamtwirtschaftlich notwendig der schnelle Zugriff auf Lunch-Posts oder Katzen-Videos bei Social-Media-Plattformen ist. Was aber klar ist: Wären diese Zugriffe bei einem sozialen Netzwerk deutlich langsamer als bei einem anderen, würden die Nutzer wohl wechseln.
Aber es gibt auch gute Gründe für diese sogenannte Redundanz von Daten – und sie werden wichtiger. Manche Geschäftsanwendungen brauchen kurze Zugriffszeiten, vom Börsenhandel bis zur unternehmensinternen Logistik. Hier geht es manchmal um Millisekunden. Auch wird Cybersicherheit immer bedeutender. Verstreute Kopien schützen vor dem Verlust von Daten durch Hackerangriffe.
In den vergangenen sieben Jahren hat sich der Internetverkehr laut der IEA etwa versechsfacht und die Datenmenge, die in grossen Rechenzentren verarbeitet wird, mehr als verdreifacht. Für die Betreiber der Zentren sind das gute Nachrichten: «Es herrscht Aufbruchstimmung», sagt Yves Zischek, Geschäftsführer von Digital Realty Schweiz.
Digital Realty ist der weltgrösste Co-Location-Betreiber. Das sind Immobilienentwickler, die spezielle Gebäudeinfrastruktur für Datenzentren anbieten: gut gesichert, mit garantierter Kühlung und Stromversorgung. Die Unternehmenskunden stellen dort ihre eigenen Server auf.
Nur fünf Minuten Ausfall pro Jahr
Co-Location-Anbieter sind die dritte Art von Datenzentrumsbetreibern. Daneben gibt es Firmen mit eigenen Rechenzentren (zum Beispiel Banken mit den Servern im Keller). Und es gibt die grossen sogenannten Hyperscaler wie Amazon und Microsoft, die eigene Datenzentrumsimmobilien samt Servern betreiben und Speicherplatz an ihre Cloud-Kunden vermieten.
In der Schweiz sind die Hyperscaler erst selten mit eigenen Immobilien präsent – und mieten sich stattdessen bei Co-Location-Anbietern wie Digital Realty ein.
Der Konzern aus den USA unterhält drei Rechenzentren in der Schweiz, allesamt in Zürich Opfikon. Eines davon ist das grösste des Landes; ein viertes ist geplant. Die Schweiz sei der drittgrösste Platz für den Austausch von Finanz- und Versicherungsdaten und der achtgrösste für medizinische und biomedizinische Daten, erläutert Zischek. Die Anbieter profitieren davon, dass immer mehr Firmen ihre Datenzentren aus den eigenen Kellern in die externe Betreuung auslagern.
Digital Realty garantiert den Kunden, dass die Infrastruktur einen Betrieb der Server nahezu ohne Unterbruch ermöglicht – mit maximal fünf Minuten Ausfallzeit pro Jahr. «Es ist ein grosses Geschäftsmodell. Dahinter verbirgt sich ein Sicherheitsbedürfnis», sagt Zischek.
Professionelle Investoren springen auf
Für das Jahr 2023 erwartet Digital Realty einen Umsatz von rund 5,5 Milliarden Dollar und einen bereinigten Betriebsgewinn von 2,7 Milliarden Dollar. Diese Rentabilität strahlt aus: «Der Markt ist hochinteressant und zieht Finanzinvestoren an», sagt Zischek. Private-Equity-Gesellschaften hätten zwischen 2021 und 2023 rund 43 Milliarden Dollar in Rechenzentren in den USA investiert, berichtet Bloomberg.
In den USA steht rund ein Drittel der weltweiten Datenzentren. Ihr Anteil an der nationalen Stromnachfrage dürfte auf knapp 6 Prozent im Jahr 2026 klettern, schätzt die IEA. Global benötigen Rechenzentren derzeit rund 2 Prozent des Stroms – mit grossen Variationen: In Irland ziehen die niedrigen Unternehmenssteuern die Betreiber an, um dort einen Hub für EU-Kunden zu errichten. Auf der Insel könnte ihr Anteil am Strombedarf in zwei Jahren auf 32 Prozent steigen. 82 Datenzentren stehen bereits. 14 sind im Bau und 40 zusätzliche laut der IEA bereits bewilligt.
Damit wird die Energieeffizienz der Zentren immer wichtiger. Das Positive: Es gab in den vergangenen Jahren eine bemerkenswerte Entkoppelung zwischen der Zunahme der Datenmenge und des Internetverkehrs einerseits und dem Elektrizitätsverbrauch der Datenzentren andererseits, wie die IEA konstatiert. Das liegt unter anderem am technischen Fortschritt bei Chips und Servern sowie an der Verlagerung der Server aus den Firmenräumen in die Hände spezialisierter Anbieter. Bei ihnen ist die Energieintensität pro Recheneinheit niedriger.
Die Energieeffizienz ist gut, aber nicht gut genug
Doch es sei eine noch höhere Effizienz nötig, um die Stromnachfrage zu begrenzen, so die Experten der IEA. Ein wichtiger Stromfresser ist die Kühlung der Server. Reduziert werden könnte der Bedarf durch mehr Wasserkühlung oder durch eine höhere Betriebstemperatur. Auch lässt sich durch die richtige IT-Architektur viel Strom sparen – wenige grosse Server sind effizienter als viele kleine. Das sei vielen Kunden aber nicht bewusst, so Bersier.
Die Abwärme lässt sich zum Heizen nutzen – entweder für Gebäude in direkter Nähe des Rechenzentrums oder durch den Anschluss an ein Fernwärmenetz. «Wir können als Gesellschaft nicht so weitermachen wie in der Vergangenheit», räumt Zischek ein. Wichtig sei die ganzheitliche Planung neuer Rechenzentren. Drei der vier Zentren in Opfikon sollen an die Fernwärme gekoppelt werden, zudem wird der gesamte Strombedarf aus Wasserkraft gedeckt.
Ein Treiber des Strombedarfs ist der zunehmende Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI). Eine Abfrage beim Chatbot Chat-GPT verschlingt laut der IEA etwa zehn Mal mehr Strom als eine Google-Suche, weil die erforderliche Rechenleistung viel höher ist. Rechnet man den Strom für das Erzeugen von Bitcoins und Kryptowährungen zum Bedarf der Rechenzentren hinzu, klettert er noch stärker und könnte 2026 im Extremfall mehr als 1000 Terawattstunden erreichen. Das wäre so, als würde ein zusätzlicher Stromverbraucher von der Grösse Deutschlands auf der Weltkarte erscheinen.
Der Preis ist kein Faktor bei Speicherplatz
Es ist nicht zu erwarten, dass der Preis für Speicherplatz die Nachfrage regulieren wird. «Die ganze Industrie arbeitet darauf hin, dass man immer mehr Daten noch kostengünstiger speichern kann», sagt der IBM-Experte René Bersier. Yves Zischek von Digital Realty bestätigt: «Selbst wenn Speicherplatz teurer wird, rechnet sich für Unternehmen ein Umzug in die Cloud. Man erhält damit Möglichkeiten, die man mit selbst verwalteter IT nicht bekommt.»
Das setzt manchmal falsche Anreize: Laut Bersier rechnet es sich für Firmen oft nicht, ihre alten Datenbestände manuell nach überflüssigen Doppelungen zu durchforsten, die sich im Laufe der Jahre angehäuft haben. Die Daten liegen zu lassen, ist billiger, als sie zu suchen.
Am meisten Energie spart jener Datenspeicher, der gar nicht am Stromnetz hängt: das gute alte Bandlaufwerk. Für langfristige Sicherheitskopien erlebt es ein Revival – auch wegen des garantierten Schutzes vor Cyberattacken (es sei denn, der Hacker ist ein echter Einbrecher und stiehlt den Schrank mit den Bändern). «Wir haben noch nie so viele Bandlaufwerke installiert wie in den letzten Jahren», berichtet Bersier. Doch Bandlaufwerke eignen sich nicht, wenn Daten innerhalb von Sekundenbruchteilen abgerufen werden müssen. Leider sind sie nichts für Katzen-Videos und Bagel-Bilder.