Miguel Medina / AFP
Bashar und Asma al-Asad beherrschten Syrien 24 Jahre lang und stürzten das Land in den Bürgerkrieg. Wie aus zwei glamourösen Hoffnungsträgern Tyrannen wurden.
Wie der Diktator entkommen ist, weiss niemand. Flugdatenanalysten haben versucht, die Flucht zu rekonstruieren. Vermutlich verläuft sie so: Am vergangenen Sonntag um fünf Uhr morgens setzt sich Bashar al-Asad mit seiner Frau Asma und den drei erwachsenen Kindern Hafez, Zein und Karim in Damaskus in ein russisches Transportflugzeug. In Abu Dhabi steigen sie in einen Privatjet um. Währenddessen kursiert das Gerücht, die Maschine sei abgestürzt, abgeschossen vielleicht sogar, aber das ist wohl ein Ablenkungsmanöver.
Asad landet am Ende jedenfalls in Moskau beim letzten Freund, der ihm geblieben ist: bei Wladimir Putin. Der russische Präsident hat Asad mit militärischer Unterstützung jahrelang an der Macht gehalten. Nun kann er ihm nur noch helfen, indem er ihm und seiner Familie Asyl gewährt – «aus humanitären Gründen».
Die Asads kennen Moskau. Der Familienclan soll in der Stadt in einem Wolkenkratzerkomplex 18 Luxuswohnungen im Wert von über 40 Millionen Dollar besitzen. In diesen Hochhäusern könnte ihr neues Leben beginnen. Jetzt, wo ihr altes vorbei ist.
24 Jahre regierte Asad Syrien so, als sei das Land sein Privatbesitz. Er hat es geplündert und seine Bewohner unterdrückt. Während 13 Jahren herrschte ein Bürgerkrieg, der niemals aufzuhören schien und eine halbe Million Tote forderte. Dann kollabiert das Regime innerhalb weniger Tage.
Schon kurz nach seiner Flucht filmen Fernsehreporter von CNN unter dem Präsidentenpalast in Damaskus Garagen voller Ferraris, Lamborghinis und Oldtimer, die den Asads gehören. Während syrische Rebellen durch seine Palastanlage streifen, sich auf seine Sofas setzen und seine Bilder von den Wänden reissen, sitzt der gestürzte Diktator 2500 Kilometer entfernt im Exil und kann nichts tun. Er kann nur zusehen, wie Milizionäre der Rebellenallianz im Land die Folterkeller öffnen und die Menschen befreien, die er einsperren liess.
Wie konnte das so schnell passieren?
Und: Wie schaffte es Bashar al-Asad, ein Vierteljahrhundert an der Macht zu bleiben? Welche Rolle spielte seine glamouröse Frau Asma dabei? Und wie verwandelten sich die beiden, die modern und fortschrittlich sein wollten, in ein brutales Diktatorenpaar?
Der libanesisch-amerikanische Autor Sam Dagher versuchte einen Teil dieser Fragen in seinem Buch «Assad or We Burn the Country» zu beantworten. Er hat mit Menschen gesprochen, die jahrzehntelang Zugang zu Bashar al-Asad hatten und sich später von ihm abwandten, wie Manaf Tlass, ein General der syrischen Nationalgarde und Kindheitsfreund des Diktators. Dieser Artikel stützt sich auf Daghers Quellen, auf Erinnerungen anderer Zeitzeugen, Biografien, Medienberichte und öffentliche Auftritte des syrischen Herrscherpaars in den letzten Jahrzehnten.
Bashar, nur ein Ersatz für den Bruder
Das Erstaunlichste an Bashar al-Asads Geschichte ist: Der Mann, der sein Land so brutal und machtsüchtig beherrschte, will in seinen frühen Jahren eigentlich gar nicht Politiker werden und schon gar nicht Herrscher Syriens. Für diese Rolle ist ein anderer vorgesehen.
Sein drei Jahre älterer Bruder, Basil al-Asad, ist schon als Kind der Liebling seines Vaters Hafez al-Asad, der das Land nach einem Putsch seit 1970 regiert. Hafez erkennt sich in seinem ältesten Sohn wieder. Basil gilt als mutig, springt als Armeeoffizier mit dem Fallschirm aus Flugzeugen. Er ist ein hervorragender Reiter, gutaussehend und charismatisch. Bashar hingegen ist schüchtern und schlaksig. Er lispelt und hat nervöse Ticks. Leute, die die beiden kennenlernen, können sich kaum vorstellen, dass sie Brüder sind. Ausgebildet werden die beiden in französischsprachigen Eliteschulen. Basil ist beliebt, Bashar gilt als Streber. Während andere Kinder aus der Eilte ihre Hausaufgaben von anderen machen lassen, besteht Bashar darauf, sie selber zu erledigen.
Ein Klassenkamerad erinnert sich: «Bashar war launisch und konnte keine engen Freundschaften schliessen. Zu Beginn des Jahres war er dein Freund, und nach den Semesterferien tat er so, als würde er dich nicht kennen. Der einzige Grund, warum wir mit ihm befreundet sein wollten, war, dass er der Sohn des Präsidenten war.»
Hafez ist streng mit seinen Kindern, vor allem mit Bashar. Seinem Biografen erzählt dieser: «Mein Vater war nicht der Typ, der jemals ‹bravo› oder ‹gute Arbeit› sagte. Er sagte mir eher, was ich nicht tun durfte.»
Basil hingegen darf machen, was er will. Als junger Mann lässt er sich seinen eigenen Privatklub bauen, mit einem künstlichen See, einem Spielzimmer mit Billard- und Tischtennisplatten, Schwimmbädern und einem Pub mit Ledersesseln. Wenn sein Bruder Bashar den Klub besucht, sitzt er dort meistens allein herum, man merkt kaum, dass er überhaupt anwesend ist. Einmal spielt er so schlecht Tischtennis, dass sein Bruder zu ihm sagt: «Du bist ein hoffnungsloser Fall. Ich wünschte, du würdest eine Sache in deinem Leben richtig machen.»
1994 kommt Basil bei einem Autounfall ums Leben. Er stirbt, wie er gelebt hat: Auf dem Weg zum Flughafen in Damaskus fährt er im Nebel viel zu schnell, über 160 Kilometer pro Stunde, sein Mercedes 500 E überschlägt sich, Basil ist nicht angegurtet.
Zu dieser Zeit ist Bashar al-Asad 28 und arbeitet am Western Eye Hospital in London als Assistenzarzt in der Augenmedizin. Die Mitarbeiter im Spital mögen ihn, und er mag sie. Er ist fleissig, er kommt oft als Erster und geht als Letzter. Auf die Frage, warum er Augenarzt werden wolle, sagt er: «Weil dieser Beruf sehr viel Präzision erfordert. Und weil wenig Blut fliesst.» In seiner Freizeit trifft sich Bashar kaum mit den anderen Syrern in London, er ist lieber allein oder mit Engländern zusammen. Wenn er doch einmal Landsleuten begegnet, stellt er sich als Doktor Ayham aus Damaskus vor, um nicht erkannt zu werden. Freunden erzählt Bashar, er würde gern für immer in London bleiben. Der Tod seines Bruders ändert alles.
Am Tag nach dem Unfall bringt ein Flugzeug Bashar auf Befehl seines Vaters zurück nach Damaskus und in ein neues Leben.
Statt zum Augenarzt wird Bashar in den nächsten Jahren zum Diktator ausgebildet. Es ist eine Rolle, die er nicht gesucht hat und für die er nicht geeignet scheint. Einer seiner Leibwächter sagt: «Er wird nie wie Basil sein.» In Syrien denken sich alle: Bashar ist kein geborener Führer.
Man muss ihn dazu machen.
Bald erscheinen über Bashar al-Asad schmeichelhafte Artikel mit schönen Fotos in der syrischen Presse. Es ist die erste PR-Aktion, um ihn beim Volk beliebt zu machen.
Der auserwählte Nachfolger von Hafez al-Asad besucht eine Militärakademie und wird in einer Schnellbleiche Panzerkommandant. Seine Berater bringen ihm bei, wie man Reden hält und wie er seine nervösen Ticks kontrollieren kann: alles, um irgendwann der mächtigste Mann im Land zu werden, Präsident, Parteiführer, Oberbefehlshaber der Armee.
Nur etwas fehlt ihm noch: die richtige Frau.
Asma, die schöne Maske des Regimes
Die Frau, die einmal die richtige sein wird, heisst Asma, hört aber lieber auf den Namen Emma und wohnt in den 1990er Jahren in Acton, einem Mittelklassequartier in London. Arabisch spricht Asma al-Akhras kaum. Ihr Vater, ein syrischer Kardiologe, und ihre Mutter, eine Diplomatin, schicken die Tochter ans Queen’s College. In der Mädchenschule ist sie Klassenbeste. Später studiert sie Informatik am King’s College und arbeitet danach als Investmentbankerin bei der Deutschen Bank und JP Morgan. Alles deutet auf eine erfolgreiche Karriere und ein gutes Leben im Westen hin.
Aber in einem Palastzimmer in Damaskus hat jemand andere Pläne. Ein Mentor Bashars schlägt Asma als Partnerin vor. Eine moderne junge Frau könnte zum Image passen, das sich Bashar als Herrscher geben will. Sie ist Sunnitin, er gehört zur Minderheit der Alawiten, einer schiitischen Sekte. Eine Beziehung zwischen den beiden wäre auch ein Zeichen religiöser Toleranz.
Wie gut sich Asma und Bashar damals schon kennen, darüber gibt es verschiedene Versionen. In späteren Interviews erzählt Asma, sie habe Bashar schon früh in ihrem Leben getroffen und sei seit ihrer Geburt jedes Jahr nach Syrien gereist. Es klingt, als seien die beiden seit ewig füreinander bestimmt gewesen. Vermutlich begegnen sie sich aber erst Anfang der 1990er Jahre an einer Party in London. Asma wird später sagen, es sei Liebe auf den ersten Blick gewesen. Tatsächlich treffen sich die beiden aber erst Jahre später wieder. Und da muss es schnell gehen.
Im Juni 2000 stirbt der Diktator Hafez al-Asad kurz vor seinem 70. Geburtstag. Der Nachrichtensprecher im syrischen Fernsehen sagt: «Der Planet, der den Himmel Syriens und der Araber erleuchtete, ist ausgelöscht.» Seit sechs Jahren ist Bashar al-Asad auf diesen Tag vorbereitet worden. Und doch müssen seine Berater innerhalb von wenigen Wochen noch einiges regeln, die Verfassung ändern zum Beispiel: Das Mindestalter für den Präsidenten muss von 40 auf 34 Jahre gesenkt werden, so alt ist Bashar damals. Dann erhält er den höchsten Rang in der Armee, wird zum Parteiführer bestimmt und in einem Scheinreferendum mit 97,29 Prozent Stimmen zum Präsidenten des Landes ernannt.
Mindestens so wichtig aber ist: Asma muss her und an seine Seite. Wenige Monate nach dem Tod von Hafez al-Asad gibt sie ihren Job bei der Bank auf und verlässt London für immer.
Ende Dezember heiraten Asma und Bashar. Sie ist 25, er 35. Es ist eine ungewöhnliche Hochzeit, diskret und schlicht, Asma trägt ein weisses Kleid und wenig Make-up, Bashar einen dunklen Anzug. Schon die ersten offiziellen Fotos des Paares sollen zeigen: Wir sind anders.
Bashar, der Hoffnungsträger
Nach der Hochzeit reist Asma durch Syrien, «um sich über die Probleme und Hoffnungen der Menschen zu informieren». Bashar bricht mit dem Personenkult des Vaters, er gibt den bescheidenen Herrscher. In seiner Antrittsrede vor dem Parlament kündigt er überraschende Reformen an: Hunderte von politischen Gefangenen werden freigelassen, die Syrer können künftig über Politik reden, und die erste unabhängige Zeitung bekommt eine Lizenz. Westliche Diplomaten und Politiker sind begeistert, die Syrer setzen grosse Hoffnungen in den versprochenen politischen Neuanfang.
Ihr junger Präsident scheint es ernst zu meinen. Vielleicht ist er wirklich jemand wie der sowjetische Reformer Gorbatschow, mutmasst man in Syrien.
Die einzige Sorge ist, dass es Bashar al-Asad an Erfahrung fehlen könnte. Wird sich der schüchterne Augenarzt an der Spitze eines ethnisch und religiös heterogenen Landes durchsetzen können? Oder wird die alte politische Garde des Vaters hinter den Kulissen regieren und die Reformbemühungen hintertreiben?
Die Leute wissen noch nicht, wie Bashar privat über sie spricht. An einem Nachtessen nach der Machtübernahme soll er gesagt haben: «Es gibt keine andere Möglichkeit, unsere Gesellschaft zu regieren, als den Menschen mit dem Schuh auf den Kopf zu schlagen.»
Nach aussen gibt Bashar al-Asad den bescheidenen Herrscher. Er trägt Jeans, fährt seinen Audi A6 selber und lebt mit der Familie in einer Wohnung in einem beliebten Damaszener Viertel. Die Asads besuchen die angesagten Restaurants der Stadt und schauen zu Hause mit Freunden westliche Filme. Ihre Bekannten beschreiben den Präsidenten als grosszügigen und zugänglichen Mann.
Auch auf internationaler Bühne wird er als angenehmer Gesprächspartner wahrgenommen. Er macht kein grimmiges Gesicht wie sein Vater, sondern lächelt, hört zu und macht Zugeständnisse. Westliche Gesprächspartner bezeichnen ihn als sympathisch und etwas naiv. Bei seinen Auftritten wirkt er unbeholfen, es fehlt ihm an Charisma. Deshalb wird er von vielen unterschätzt. Er wird schnell lernen, dies auszunutzen.
Seine Methode ist das Doppelspiel: Er gibt Versprechen ab, löst sie aber kaum je ein und findet immer eine höfliche Ausrede. Wenn nötig, lügt er ungeniert. Wie man das macht, weiss er, seit er ein Jugendlicher ist.
Es ist das Jahr 1982, Bashar ist 16 Jahre alt und bekommt einen Jetski. Er sitzt mit einem Freund zu Hause, da rufen ein paar Jungen aus der Schule an. Sie fahren ans Mittelmeer und wollen Bashars Jetski ausleihen. Ja, klar!, sagt dieser. Kaum hat er aufgehängt, bestellt er den Sicherheitschef des Präsidentenpalastes zu sich und sagt: «Freunde von mir werden kommen, um den Jetski abzuholen. Sag ihnen, er sei kaputt.»
Während seiner Herrschaft wird Bashar diesen Trick immer wieder anwenden. Er sagt, was sein Gegenüber hören will, und tut danach, was er will. Gegenüber seinen Landsleuten, gegenüber ausländischen Staatschefs, gegenüber Repräsentanten der Vereinten Nationen. Die meisten fallen auf ihn herein. Die amerikanische Aussenministerin Madeleine Albright sagt bei ihrem Antrittsbesuch, sie habe Asad aufgefordert, Syrien zu öffnen – «und er hat es versprochen».
Wer Bashars Politik verstehen will, muss seine grösste Schwäche kennen: Er will geliebt werden. Anders als sein Vater, der Diktator Hafez, der nur gefürchtet wird, verspricht er seinen Landsleuten Reformen. Die Syrer nehmen ihn beim Wort, sie gründen nicht nur Debattierklubs, sondern auch neue Parteien. Eine Gruppe von Intellektuellen und Unternehmern verabschiedet Anfang 2001 gar eine Deklaration, in der sie das Ende des seit Jahrzehnten andauernden Ausnahmezustands und freie demokratische Wahlen fordern.
Doch der junge Präsident hat nicht die Absicht, seine Macht abzugeben. Demokratie sei ein westliches Konzept und nichts für sein Land, ist er überzeugt. Er will zwar als moderner Herrscher wahrgenommen werden, aber eben doch als Herrscher. Nicht das syrische Regime soll sich ändern, sondern das syrische Volk.
Bashar krebst zurück. Der sogenannte Damaszener Frühling endet nach wenigen Monaten. Die für die Deklaration Verantwortlichen werden verhaftet, die unabhängige Zeitung verschwindet. Es beginnt, was die Syrer von seinem Vater her kennen, eine Phase der Einschüchterung und der Repression.
Noch immer funktioniert seine alte Jetski-Taktik von früher: immer den Schein wahren, nie nachgeben, notfalls lügen. Vor wichtigen Verhandlungen rät Asad seinen Mitarbeitern, die andere Seite im Glauben zu lassen, dass sie gewonnen habe: «Seid immer nett, dann sind sie glücklich und werden nette Dinge über uns sagen, die sie später nicht mehr zurückziehen können», sagt er.
So zeigt sich der syrische Präsident nach der amerikanischen Invasion im Irak 2003 der Bush-Administration gegenüber kooperativ. Hinter den Kulissen unterstützt er jedoch den sunnitischen Aufstand gegen die USA im Nachbarland.
Täuschen und Verschleiern: So agiert Bashar auf der Weltbühne, und so agiert er auch im eigenen Land.
Der Sohn, der so anders sein wollte, imitiert von Anfang an den Vater, ja er perfektioniert dessen Herrschaftssystem der Korruption und des Klientelismus sogar noch. Er löst sich zwar vom sozialistischen Nationalismus des Vaters und privatisiert staatliche Industriebetriebe. Er schafft aber keinen marktwirtschaftlichen Wettbewerb, sondern Monopole für Verwandte und verbündete Clans.
An den Schalthebeln in Politik, Armee, Geheimdiensten und Wirtschaft bleiben jene Familien, die schon unter seinem Vater den Staat kontrollierten. Die Söhne der Freunde seines Vaters werden seine Freunde. Sie haben im Ausland studiert und treten modern auf wie Bashar, aber sie sind genauso macht- und geldgierig wie einst ihre Väter.
Der engste Machtzirkel ist die Familie. Bashars Frau Asma spielt vorerst nur eine untergeordnete Rolle. Die Präsidentengattin ist die Maske des Regimes, die starke Frau jedoch ist Bashars Mutter, Anisa Makhluf. Als traditionelle arabische Frau hält sie sich im Hintergrund und tritt kaum in der Öffentlichkeit auf. Doch sie spricht täglich mit ihrem Sohn und soll laut geflohenen Regimevertretern bei allen wichtigen Entscheidungen das letzte Wort haben. In Krisensituationen trifft sich die Familie bei ihr im Wohnzimmer.
Anisa Makhluf behält nach dem Tod ihres Mannes auch den Titel «First Lady». Sie will sich von der jungen Schwiegertochter nicht aus dem Zentrum der Macht verdrängen lassen. Bashars Mutter und seine Schwester Bushra hätten auf die im Westen aufgewachsene Asma herabgeschaut, erzählen Insider. Bushra, das älteste der Geschwister, kennt sich aus in Machtspielen. Sie agiert im Team mit der Mutter oder über ihren Mann Asef Shawkat, einen Offizier, der zum Chef des Militärgeheimdienstes aufsteigt.
Bashars jüngerer Bruder Maher gilt als zweitstärkster Mann Syriens. Er ist Chef der Republikanischen Garde, einer Elitetruppe, die für die Sicherheit des Regimes sorgt. Gleichzeitig befehligt er eine berüchtigte Panzerbrigade, die bei Protesten zum Einsatz kommt und Maher den Übernamen «der Schlächter» einbringen wird. Biografen beschreiben ihn als launisch und grausam.
Maher ist das grimmige Gesicht des Regimes, Bashar das lächelnde.
Eine wichtige Rolle spielen die Onkel und Cousins mütterlicherseits. Die alte Frist Lady Anisa Makhluf stammt aus einer einflussreichen Alawiten-Familie und sorgt dafür, dass ihr Clan an der Macht beteiligt wird. Ihr Bruder ist der engste Geschäftspartner ihres Mannes, dessen Sohn Rami Makhluf übernimmt später unter ihrem Sohn dieselbe Rolle. Er steigt zum reichsten Mann Syriens auf. Sein Vermögen wird 2012 auf zwei Milliarden Dollar geschätzt. Rami Makhluf macht sich nach der «Privatisierung» in allen Wirtschaftssektoren breit – Telekommunikation, Banken, Energie oder Detailhandel – und finanziert im Gegenzug das Regime.
So funktioniert das System: mit Korruption und Vetternwirtschaft.
Wer sich dagegen wehrt, wird verhaftet, gefoltert oder verschwindet. Schon in den ersten Jahren unter dem neuen Präsidenten werden Tausende von Männern, Frauen und Kindern ermordet. Die Realität in Syrien hat nichts mit dem zu tun, was der junge Asad bei seinem Amtsantritt versprochen hat. Syrien ist weder freier noch gerechter geworden.
Das Erscheinungsbild und das höfliche Auftreten von Bashar al-Asad verschleiern, was im Land geschieht. Der Charme seiner Frau Asma trägt dazu bei. Die beiden sind ein schönes Paar, so sehen Diktatoren nicht aus, glaubt man im Westen. Im Präsidentenpalast soll ein Mitarbeiter gesagt haben: «Asma ist unsere Atombombe.» Die beste Propagandawaffe des Regimes. Auch dank ihr sind die Asads überall willkommen: bei Königin Elizabeth und dem britischen Premierminister Tony Blair, bei den Hollywoodstars Angelina Jolie und Brad Pitt oder am Begräbnis von Papst Johannes Paul II.
Die PR-Maschine des Regimes funktioniert. Der Höhepunkt ist ein im März 2011 veröffentlichtes Porträt von Asma al-Asad im Modemagazin «Vogue» unter dem Titel «Eine Rose in der Wüste». Sie wird darin als die «frischeste und magnetischste» First Lady bezeichnet. Die Autorin lobt den geschmackvollen, schlichten Stil von Asma, der so gar nicht dem üblichen orientalischen Kitsch entspreche.
Der Artikel wird im Westen bald für einen Skandal sorgen, die «Vogue» wird ihn später von ihrer Webseite löschen und sich für das geschmacklose Timing entschuldigen. Denn der Arabische Frühling hat begonnen. Er verändert alles. Auch in Syrien.
Vogue Magazine on Assad’s wife, 2011: pic.twitter.com/BgdK00zqlw
— Alec MacGillis (@AlecMacGillis) December 8, 2024
Bashar wird noch grausamer als sein Vater
Während Volksaufstände in Nordafrika und im Nahen Osten mehrere autokratische Regime wegfegen, wächst auch in Syrien der Unmut über die Korruption und die Repression.
Asad spielt weiter sein Lieblingsspiel, er redet schön. In einem Interview im Januar 2011 sagt er, sein Land sei stabil, die Syrer wollten keine Revolution. Er begründet es damit, dass er dem Volk nahe sei.
Im Februar 2011 sprayen fünfzehn Jugendliche in der Stadt Daraa Graffiti auf eine Wand: «Nieder mit dem Präsidenten». Wenige Tage später verhaftet und foltert die Geheimpolizei die Teenager. Erst gehen ihre Verwandten auf die Strasse, bald protestieren Bürger überall im Land.
Bashar wird immer mehr wie sein Vater. Hafez al-Asad hatte 1982 einen Aufstand der Muslimbrüder mit brutaler Gewalt unterdrückt und das Land für Jahrzehnte traumatisiert. Nun tut es ihm Bashar gleich. Seine Soldaten hungern Städte aus, zerstören sie, ermorden nicht nur bewaffnete Kämpfer, sondern auch Alte, Frauen, Kinder. Asads Schergen sprayen ebenfalls Graffiti an die Wände: «Asad und niemand sonst. Asad, oder wir brennen das Land nieder.»
In Gefängnissen werden in den folgenden Jahren Zehntausende Regimegegner zu Tode gefoltert oder hingerichtet. Bashars Herrschaft wird noch blutiger als jene seines Vaters Hafez.
In seinen Reden spricht der Präsident von einer «Verschwörung ausländischer Mächte». Die Demonstranten seien Terroristen, die Syrien zerstören wollten. Alle Versuche auf internationaler Ebene, ihn zum Rücktritt oder zu Zugeständnissen zu bewegen, schmettert er ab. Asad spielt weiter sein Spiel: «Ich liebe mein Volk», sagt er in Interviews. «Wieso sollte ich mein Volk umbringen? Nur ein Verrückter würde so etwas tun!»
Asma hilft ihrem Ehemann, seine «Wahrheit» im Staatsfernsehen und in den sozialen Netzwerken zu verbreiten. Sie tröstet Kriegswitwen und liest verwundeten Kindern vor. Einem PR-Berater sagt sie, ihr Mann könne nicht mit Menschen umgehen, deshalb übernehme sie «die weiche Seite der Macht».
International sind die Asads nun zunehmend isoliert, auch in Syrien wenden sich ehemalige Verbündete von ihnen ab. Einige Regimevertreter fliehen ins Ausland, andere arbeiten heimlich gar auf einen Machtwechsel hin. Einer von ihnen ist sein Schwager Asef Shawkat, er versucht sich als moderate Alternative zu Bashar al-Asad zu präsentieren. 2012 kommt er bei einem Attentat ums Leben, das Bashar und Maher al-Asad geplant haben sollen. Ihre Schwester Bushra, nun Witwe, zieht zusammen mit der Mutter nach Dubai.
Um Bashar al-Asad wird es immer einsamer. Er und seine Frau leben schon lange nicht mehr in ihrem früheren Wohnviertel in Damaskus, sondern isoliert im streng bewachten Präsidentenpalast. Daten und Mails aus den sogenannten Syrien-Dokumenten des Wikileaks-Skandals von 2012 zeigen, wie gross die Realitätsverleugnung der Asads damals ist. Während ihre Soldaten und Milizionäre Städte verwüsten und die Syrer nicht mehr wissen, wie sie ihre Familien ernähren sollen, vergnügt sich Asma mit Online-Shopping. Sie bestellt Möbel im Wert von 350 000 Dollar und Stilettos für 7000 Dollar. Die Ware wird über Dubai geliefert, um die internationalen Sanktionen zu umgehen.
Bashar flirtet währenddessen mit weiblichen Angestellten im Palast, schreibt ihnen Nachrichten und lädt Musik auf iTunes herunter. Sein Soundtrack zum Bürgerkrieg: das Lied «Sexy and I Know It» des amerikanischen Hip-Hop-Duos LMFAO oder der Pop-Song «Don’t Talk, Just Kiss» der britischen Band Right Said Fred. Eine ungeeignetere Begleitmusik für das, was in den nächsten Jahren in Syrien geschieht, kann man sich kaum vorstellen.
Das Ende seiner Herrschaft scheint nahe. Doch Bashar beherrscht das Spiel der Täuschung inzwischen perfekt. Er ist ein eiskalter Stratege geworden, durchschaut seine ausländischen Gesprächspartner und nutzt ihre Schwächen.
Ab 2013 setzt er wiederholt chemische Waffen gegen sein Volk ein – ahnend, dass die Warnungen des amerikanischen Präsidenten Obama nur leere Worte sind und der Westen nicht eingreifen wird. Offiziell streitet er alles ab und verspricht, mit der Uno zu kooperieren.
Er schaut tatenlos zu, wie die Terroristen des Islamischen Staats ab 2014 in Syrien erstarken. Heimlich unterstützt er sie sogar, weil er weiss: Je grausamer die Gegner scheinen, desto besser stehen seine Chancen, als Partner im Kampf gegen den Terrorismus im Westen wieder salonfähig zu werden.
Als die versteckte Unterstützung von Russland, Iran und dem Hizbullah nicht mehr reicht, bittet er Putin 2015, offiziell in den Krieg einzutreten. Er weiss, dass Putin der Welt seine Macht demonstrieren will und alles daransetzen wird, Asad an der Macht zu halten. Putin ist allerdings viel mehr als ein Partner in der Not. Er ist sein Idol, er verkörpert, was Asad sein will: ein kompromissloser Führer, der keine Schwäche zeigt. Einer, der kein Mittel scheut, um seine Gegner auszutricksen.
Das Spiel geht auf. Mit Russlands militärischer Hilfe erobert Asad weite Teile des Landes und drängt die Islamisten zurück.
Zu Beginn des Bürgerkriegs haben westliche Medien spekuliert, Asma könnte sich von ihrem Mann lossagen, doch die Präsidentengattin nutzt die Krise dazu, ihre Hausmacht auszubauen. Auch Asma al-Asad hat das Spiel der Macht gelernt und macht einen Deal: Sie bleibt treu an der Seite ihres Mannes, dafür bekommt ihr Clan mehr Einfluss. Ihre mächtigsten Gegenspielerinnen, Bashars Mutter und seine Schwester, sind weit weg in Dubai. Asma wird endlich die einflussreiche First Lady und propagiert nun ihr neues Image als Mutter der Nation.
Asma al-Asad tritt fast täglich im Fernsehen auf. Sie kontrolliert ein Netz von Organisationen und Komitees. Diese entscheiden zum Beispiel, wer im Land Zugang zum Internet bekommt und wer Sozialleistungen beziehen darf. Ihr Clan, die Akhras, gewinnen an Einfluss. Das Business-Imperium der Makhlufs, der Familie ihrer Schwiegermutter, wird zu ihren Gunsten geschwächt.
Bashar und Asma al-Asad spielen weiter das Spiel der Macht. Für sie könnte es ewig so weitergehen. Sie halten sich für unangreifbar – und verkalkulieren sich, isoliert und abgeschottet von der Realität, völlig.
Aber nach 13 Jahren Bürgerkrieg ist das Land verwüstet, verarmt und abhängig von fremden Mächten, von Iran und Russland. Es ist diese Abhängigkeit, die Asad zum Verhängnis wird. Als die Verbündeten in Moskau und Teheran mit wichtigeren Kriegen in der Ukraine und im Nahen Osten beschäftigt sind, bricht das Herrschaftssystem der Bashars zusammen. In wenigen Tagen nehmen Rebellen Syrien ein, das trickreiche Spiel des Überlebenskünstlers Asad ist zu Ende.
Bashar, der Letzte
Über sechs Millionen Menschen sind während des Bürgerkriegs aus Syrien vertrieben worden. Viele von ihnen wollen jetzt in die Heimat zurück. Nur der gestürzte Präsident und seine Familie werden so bald nicht zurückkehren können. Sie sind in Moskau unter der Obhut von Putin zwar sicher und werden weiterhin im Luxus leben können. Das amerikanische Aussenministerium schätzt das Vermögen der Familie Asad auf zwei Milliarden Dollar. Aber Freiheit und Macht kann man sich nicht erkaufen.
Die Asads sind in ihrer Isoliertheit gefangen. Der Plan war ein anderer. Ihr ältester Sohn Hafez, der in Moskau Physik und Mathematik studiert, hätte zum nächsten Herrscher Syriens ausgebildet werden sollen. Doch nach über 50 Jahren Despotie folgt kein Asad mehr.
Bashar war der letzte.







