René Benko hat angeblich heimlich ein Gespräch mit seinem früheren Handelsstrategen aufgenommen. Nun ermitteln die Strafverfolger gegen diesen wegen eines möglichen Darlehens.
Gegenseitiges Misstrauen stand in den letzten Monaten der Immobilien- und Detailhandelsgruppe Signa an der Tagesordnung. Je schlechter es wirtschaftlich um René Benko stand, desto weniger soll er seinen Mitstreitern vertraut haben, berichten ehemalige Mitarbeiter.
So hat er mutmasslich Dieter Berninghaus, seinen in Zürich ansässigen ehemaligen Chefstrategen für das Handelsgeschäft, und dessen Familie über Monate hinweg bespitzeln lassen. Benko selbst sitzt seit Januar 2025 in Untersuchungshaft in Wien.
Ein offenbar heimlich von Benko mitgeschnittenes Gespräch hat nun dazu geführt, dass die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft in Wien gegen Berninghaus ermittelt. Sie wirft ihm Untreue vor. 2022 soll er von der Signa-Holding ein Darlehen von rund 16,9 Millionen Euro erhalten haben, welches wirtschaftlich nicht vertretbar sei. Laut der Staatsanwaltschaft könnte der Kredit dazu verwendet worden sein, ein Privathaus zu kaufen. Das geht aus einem Dokument vor, welches der NZZ vorliegt.
Berninghaus bestreitet alle Vorwürfe. Auf Anfrage der NZZ sagt sein Sprecher: «Wir sind bereits mit den Behörden in Kontakt und überzeugt, dass wir den Sachverhalt rasch aufklären und den Vorwurf vollständig entkräften können. Bei der betroffenen Zahlung handelt es sich nicht um ein Darlehen, sondern um eine vorgezogene Auszahlung aus einer Aktionärsvereinbarung mit der Familie Benko Privatstiftung vom Frühjahr 2022. Der Sachverhalt ist auch bereits Gegenstand eines vor Monaten vonseiten Berninghaus angemeldeten Schadenersatzanspruches im Insolvenzverfahren der Familie Benko Privatstiftung.» Für Berninghaus gilt die Unschuldsvermutung.
Von der Migros zu Benko
Berninghaus gehörte lange zu den engsten Wegbegleitern Benkos. Vor seiner Zeit bei der Immobilien- und Handelsgruppe des österreichischen Pleitiers war der gebürtige Deutsche Handelschef bei der Migros. Nach seinem Weggang aus dem Detailhandelskonzern 2016 übernahm er Beratungsmandate für die Signa.
Für René Benko baute Dieter Berninghaus die Signa-Handelssparte mit auf. Sie hegten hochfliegende Pläne. In der Schweiz übernahmen sie etwa die Globus-Kaufhäuser und zuletzt 2022 Selfridges in Grossbritannien. Eine europäische Gruppe von Luxuskaufhäusern wollten die beiden schaffen mit dem Ziel, diese an die Börse zu bringen.
Seine Beziehung zu dem Immobilienjongleur brachte den Handelsexperten jedoch auch in Schwierigkeiten. Noch während seiner Zeit als Manager beim Genossenschafts-Bund hatte Berninghaus Benko beraten und dafür ein Honorar in Millionenhöhe erhalten. Im vergangenen Jahr liess die Migros deshalb mögliche Interessenkonflikte aus der damaligen Zeit extern untersuchen. Die Abklärungen haben laut dem Detailhandelskonzern kein Fehlverhalten ergeben.
Bis im Mai 2023 gehörte Berninghaus zum engsten Umfeld Benkos, dann nahm er aus gesundheitlichen Gründen eine Auszeit von der Signa. Zu diesem Zeitpunkt befand sich die Holding bereits seit mehreren Monaten in Schieflage: Das Geld in Benkos Reich wurde knapp. Die Staatsanwaltschaft wirft Benko heute vor, dass er bei einer angeblichen Kapitalerhöhung seine Investoren getäuscht und fremdes Kapital als sein eigenes ausgegeben hat.
Wenige Monate später fiel das Kartenhaus in sich zusammen. Die Signa-Holding, die Dachgesellschaft der intransparenten Immobilien- und Handelsgruppe, musste Ende November 2023 Konkurs anmelden. Benko sitzt mittlerweile in Untersuchungshaft. Gegen ihn und mehrere seiner Mitstreiter laufen Ermittlungsverfahren.
Auch Dieter Berninghaus gehörte bis zum Kollaps der Signa-Gruppe zum Kreis der Aktionäre. In dieser Rolle kam es gemäss NZZ-Recherchen im November 2023, kurz vor der Insolvenz der Immobilien- und Handelsgruppe, zu einem Gespräch zwischen ihm und René Benko, das nun Gegenstand der Ermittlungen ist. Zu diesem Zeitpunkt war das Verhältnis zwischen den beiden bereits zerrüttet. Insbesondere weil Benko wenige Monate zuvor den saudischen Staatsfonds PIF als Investor in die Signa geholt hatte, ohne Berninghaus zu informieren.
Der verhinderte Ausstieg aus der Signa
In Benkos Luxus-Feriendomizil «Chalet N», hoch über Lech am Arlberg gelegen, sprachen die beiden über die Modalitäten der bisher erfolgten Auszahlungen an Berninghaus. Gemäss dem offenbar heimlich gemachten Mitschnitt brachte der Immobilienjongleur das Gespräch immer wieder auf das Darlehen, weswegen die Strafverfolger nun ermitteln. Berninghaus beharrte dagegen darauf, dass es sich um eine Rückzahlung von Aktienanteilen handle.
Bei den Ermittlungen dürfte ein Dokument aus einem Insolvenzverfahren aus dem Umkreis von Benko eine wichtige Rolle spielen: Es handelt sich um eine Forderungsanmeldung von Dieter Berninghaus gegenüber der Familie Benko Privatstiftung. Dieses Dokument liegt der NZZ vor. Über diese Stiftung lief die Beteiligung des früheren Migros-Managers an der Signa.
Die Struktur ist verschlungen: Berninghaus war seit 2017 an der Signa Holding beteiligt. Die Aktienanteile hielt er allerdings nicht direkt, sondern es bestand zwischen einer Firma seiner Frau und der Familie Benko Privatstiftung eine Vereinbarung. Als die Signa kollabierte, meldete diese Stiftung im März 2024 ebenfalls Insolvenz an.
Wie aus der Forderungsanmeldung hervorgeht, wollte der ehemalige Migros-Manager bereits 2021 seinen Anteil an der Signa verkaufen. Offenbar war ihm bereits damals klar, dass Benkos Reich in wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckte. «Es war vielmehr bereits im Jahr 2021 absehbar, dass ein Fortbestand der Signa-Holding in der von René Benko dargestellten Form nur dann gesichert werden kann, wenn es ihm gelungen wäre, stetig weiteres ‹frisches› Investorengeld für die Signa-Gruppe aufzustellen», heisst es in dem Dokument. Dazu wollte er die ihm vertraglich zugesicherte Verkaufsoption ausüben. Aus dem Schriftstück geht jedoch auch hervor, dass Dieter Berninghaus viel Geld mit dem Zusammenbruch der Signa verloren hat. Seine Beteiligung hatte damals einen Wert von rund 180 Millionen Euro.
Benko wollte allerdings vermeiden, dass sein Handelsstratege bei der Signa aussteigt. Unterlegt mit «weitschweifigen Begründungen» und «wider besseres Wissen» habe dieser die exzellente Bonität sowie die soliden Zukunftsaussichten der Signa hervorgehoben. Bereits im Januar 2021 sei für Benko klar gewesen, dass die von ihnen dargestellten Wachstumsoptionen der Signa nicht realistisch gewesen seien, heisst es in dem Schriftstück weiter.
Berninghaus liess sich gemäss der Forderungsanmeldung überreden, auf die Ausübung seiner Verkaufsoption zu verzichten, und stimmte stattdessen einer Teilzahlung in der Höhe von 31,25 Millionen Euro zu. Dass diese schliesslich in Form eines Darlehens und nicht als Rückzahlung aus der Aktionärsvereinbarung ausbezahlt worden sei, habe Benko entschieden.
«Kurzfristiger Liquiditätsengpass» bei der Stiftung
Die Wiener Ermittler fokussieren auf die zweite Teilzahlung an Dieter Berninghaus, die ein Jahr später, im Mai 2022, erfolgte. Die Signa hatte damals die Selfridges-Kaufhäuser in Grossbritannien gekauft, und René Benko wollte seinen Handelsstrategen noch länger an sich binden. In diesem Zusammenhang wurde eine zweite Teilzahlung an Berninghaus im Umfang von 16,7 Millionen Euro vereinbart. Diese wurde wiederum in Form eines Darlehens strukturiert.
Überraschenderweise übernahm diesmal jedoch nicht die Stiftung, sondern die Signa-Holding die Überweisung des Geldes. Der Immobilienjongleur argumentierte, dass wegen einer angeblichen Steuernachzahlung bei der Stiftung ein kurzfristiger Liquiditätsengpass entstanden sei. «Er nominierte einseitig plötzlich die Signa-Holding», heisst es in der Forderungsanmeldung. Doch Benko setzte sich durch, und die Holding nahm die Auszahlung des Geldes vor. Das zeigt, dass ohne sein Wort in der Signa gar nichts ging. Auch wenn er offiziell kein Amt innerhalb der Immobilien- und Handelsgruppe bekleidete.
Damit rückt auch die Frage ins Zentrum, wann die Signa tatsächlich zusammengebrochen ist und wer wann darüber Bescheid wusste. Wie das Hin und Her um die Auszahlungen zeigt, steckte die Gruppe spätestens seit Mitte 2022 in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Das macht auch ein neues Gutachten von Deloitte klar. Es geht davon aus, dass die Signa-Holding spätestens seit dem 30. November 2022 zahlungsunfähig war – ein ganzes Jahr vor dem eigentlichen Kollaps.