Asma Mohammed soll nicht nur den sogenannten Islamischen Staat unterstützt, sondern auch jesidische Sklavinnen gehalten haben. Der Fall wirft ein Schlaglicht auf das Schicksal der religiösen Minderheit.
Zehn Jahre ist es her, dass die Kämpfer des selbsternannten Islamischen Staates mehr als einen Drittel des Iraks überrannten. Doch noch immer beschäftigen sich die irakischen Gerichte mit den Greueltaten der islamistischen Extremisten. Kürzlich hat ein Strafgericht in der Hauptstadt Bagdad einen besonders prominenten Fall behandelt: Im Prozess, der hinter geschlossenen Türen stattfand, wurde die Witwe des früheren IS-Anführers Abu Bakr al-Baghdadi zum Tod verurteilt. Dieser hatte der Welt sein Gesicht gezeigt, als er sich im Juli 2014 in einer Moschee in Mosul zum Kalifen ausgerufen hatte.
Das Gericht sprach Baghdadis Witwe vergangenen Mittwoch schuldig, mit dem IS zusammengearbeitet und Jesidinnen in ihrem Haus festgehalten zu haben. Die Richter stützen sich bei ihrem Urteil unter anderem auf das irakische Anti-Terror-Gesetz, das die damalige Besatzungsmacht USA 2005 verabschiedet hatte. Bestätigt das Berufungsgericht das Urteil, soll die Frau erhängt werden.
Laut der «New York Times» handelt es sich um Asma Mohammed, die erste von vermutlich vier Ehefrauen des IS-Chefs Baghdadi. Im Sommer 2018 war sie im Süden der Türkei verhaftet worden, später wurde sie nach Bagdad überstellt. Ihr Ehemann Baghdadi tötete sich selbst mit einem Sprengstoffgürtel, als er im Herbst 2019 in einer Militäroperation in Syrien von amerikanischen Spezialeinheiten in die Enge getrieben wurde.
Ein Stück Gerechtigkeit für die Jesidinnen
Für Gerichte stellt es immer wieder eine Herausforderung dar, Frauen zur Rechenschaft zu ziehen, die beim IS mitgewirkt hatten. Dass Asma Mohammed nun unter anderem als Mittäterin bei Verbrechen gegen die Jesidinnen verurteilt wurde, dürfte für die religiöse Minderheit eine Genugtuung sein. Ihre Angehörigen kämpfen seit Jahren für Gerechtigkeit.
Am 3. August 2014 war der IS nach Sinjar vorgerückt, einem trockenen Gebiet mit vielen Dörfern nahe der irakisch-syrischen Grenze. Mehrere zehntausend Jesiden flüchteten daraufhin auf einen Berg, der sich in der Mitte der Region erhebt. Mütter umklammerten Kleinkinder, Männer schleppten alte Menschen auf ihren Rücken. Die Bilder der Jesiden, die tagelang bei Temperaturen bis zu 40 Grad auf dem belagerten Berg ausharrten, gingen um die Welt.
Den Menschen auf dem Berg kamen schliesslich die kurdisch-syrische Miliz YPG und Kämpfer der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) zu Hilfe. Sie kämpften von Syrien aus einen Korridor bis Sinjar frei, über den die Vertriebenen zurück in den Nordirak fliehen konnten.
Verkauft und vergewaltigt
Doch viele andere hatten die Flucht bis auf den Berg nicht geschafft. Die jesidischen Männer, die in den Dörfern zurückblieben, erschoss der IS. Bis heute gibt es in der Region nicht geöffnete Massengräber. Die Buben nahmen die Extremisten mit und setzten sie teilweise als Kindersoldaten ein. Am meisten Aufmerksamkeit erregten jedoch die Schicksale der Frauen: Der IS verschleppte die Jesidinnen und verkaufte sie auf Märkten als Sklavinnen.
Die Geschichten, die Überlebende erzählen, sind grausam: Ihre Besitzer misshandelten und vergewaltigten sie. Oft wurden sie mehrere Male weiterverkauft. Gemäss seiner fundamentalistischen Interpretation des islamischen Rechts hielt der IS dies für rechtmässig, da er die Jesidinnen als Ungläubige einstuft.
Die Witwe des IS-Chefs sagte vor einem Monat gegenüber der BBC, sie schäme sich und bedaure sehr, was den jesidischen Frauen angetan worden sei. Im Interview stellte sie sich – wie viele IS-Witwen – als Opfer ihres Ehemanns dar und bestreitet, an den Greueltaten beteiligt gewesen zu sein. Von Jesidinnen wird Asma Mohammed hingegen beschuldigt, in dem System der Versklavung eine wichtige Rolle gespielt zu haben.
Insgesamt hatten die IS-Terroristen etwa 10 000 Angehörige der religiösen Minderheit verschleppt und getötet. Die Uno und auch Deutschland stufen die Massaker an den Jesiden als Genozid ein. Noch immer gelten 2700 Jesidinnen als vermisst; 200 000 leben in Camps für Vertriebene im Nordirak. Ihre Heimat Sinjar, die im Krieg gegen den IS in Schutt gelegt wurde, ist bis heute kein sicheres Zuhause.
Die Infrastruktur ist vielerorts katastrophal. Obwohl mittlerweile etwa 130 000 Menschen nach Sinjar zurückgekehrt sind, fehlen Jobs und gute Schulen für die Kinder. Es gibt regelmässig türkische Raketenangriffe auf Stellungen der PKK, die in diversen Ländern als Terrororganisation gilt. Zudem bleiben Teile der Region vermint mit Blindgängern des Kriegs und Minen, die der IS gelegt hatte.
Kleine IS-Zellen existieren weiter
Obwohl die Terrororganisation im Irak Ende 2017 weitgehend zerschlagen wurde, ist sie bis heute noch in kleinen Zellen im Land aktiv. Im Mai wurden bei einem mutmasslichen IS-Angriff im Osten des Iraks mehrere Soldaten getötet, unter ihnen ein hochrangiger Offizier. In den vergangenen Jahren haben irakische Gerichte viele IS-Kämpfer zum Tod verurteilt. Menschenrechtsorganisationen kritisieren die Verfahren. Die Gerichte würden Geständnisse erzwingen, und die Prozesse erfolgten im Schnelldurchlauf ohne faire Verteidigung.
Wie genau das Verfahren gegen die Witwe des IS-Chefs abgelaufen ist, bleibt indessen unklar. Das irakische Strafgericht machte keine weiteren Details publik. Dies kritisierte Natia Navrouzov, die Geschäftsführerin von Yazda, einer Organisation, die sich für Überlebende des Genozids einsetzt. Die Witwe von Baghdadi sei eine der ranghöchsten Frauen des Islamischen Staates gewesen, sagte Navrouzov der «New York Times». Um Extremismus und künftigem Völkermord entgegenzuwirken, müssten die Informationen aus dem Prozess öffentlich gemacht werden.