Die Strafen des Westens haben Irans Luftfahrt in die Knie gezwungen. Sie verlässt sich auf alte Fluggeräte – hergestellt beim Erzfeind USA.
Der überraschende Tod des iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi wirft eine Reihe von Fragen auf, unter anderem nach der Zuverlässigkeit der Luftwaffe. Raisis Helikopter war in einem Konvoi aus drei Helikoptern auf dem Weg von einem Besuch an der Grenze zu Aserbaidschan zu einer Stadt im Norden Irans, als seine Maschine am Sonntagnachmittag abstürzte. Das Gelände ist bergig und bewaldet; nach offiziellen Angaben herrschte zu jener Zeit dichter Nebel und Regen. Die anderen beiden Helikopter sind sicher gelandet.
Offenbar ist die Unglücksmaschine mit einer Bergflanke in der Nähe der Kleinstadt Dscholfa kollidiert. Es handelte sich laut iranischen Medien um eine Bell 212. Dieser mittelgrosse Mehrzweckhelikopter ist in der zivilen und militärischen Luftfahrt vieler Länder weit verbreitet – aber ziemlich alt: Das amerikanische Unternehmen Bell fertigte ihn von 1968 bis 1998. Zudem hätte das Modell ab dem Jahr 1979 gar nicht mehr an Iran verkauft werden dürfen.
Der abgestürzte Helikopter könnte über 45 Jahre alt sein
Dies aufgrund der westlichen Sanktionen, mit denen das Land nach der islamischen Revolution und der Machtübernahme der Ayatollahs belegt worden ist. Im Bereich der Luftfahrt gelten sie bis heute. Seit mehr als vier Jahrzehnten wird der direkte Kauf neuer Maschinen verhindert und die Wartung alter Maschinen durch das Exportverbot für originale Ersatzteile erschwert. Die Sanktionen haben der Luftfahrt schwer zugesetzt.
Der abgestürzte Helikopter sei noch von der letzten Herrscherdynastie des Schahs beschafft worden, schrieb die «Financial Times». Er wäre damit mindestens 45 Jahre alt gewesen. Der ehemalige Aussenminister Javad Zarif habe deshalb Washington für den Tod von Raisi verantwortlich gemacht, es hiess weiter: Die Ausfuhrverbote für die Luftfahrt seien Teil der Verbrechen der USA gegen das iranische Volk, wird Zarif zitiert.
Zu Zeiten des Schahs, der gute Beziehungen zu Washington pflegte, hatte Iran noch unter anderem mehr als 300 Bell-Helikopter beschafft, wie das Branchenportal Simple Flying schreibt. Jüngere Versuche, im Gegenzug für Zugeständnisse beim Atomprogramm Erleichterungen mit den USA zur Modernisierung der Luftfahrt auszuhandeln, waren in den vergangenen Jahren gescheitert. Nach einem kurzen politischen Tauwetter hatte Präsident Donald Trump die Sanktionen Ende 2018 wieder verschärft.
Iran Air, die nationale Fluggesellschaft, verfüge noch über 19 einsatzbereite Flugzeuge, hiess es Ende April in einem Bericht des Washington Institute for Near East Policy, einer amerikanischen Denkfabrik. Von diesen seien nur fünf in der Lage, internationale Flüge nach Europa durchzuführen. Passagiere nehmen deshalb meistens die Dienste ausländischer Fluggesellschaften wie Turkish Airlines oder Qatar Airways in Anspruch.
Eine Luftwaffe mit Kampfjets des Erzfeindes
Insgesamt hätten seit dem Jahr 1979 zwischen 1800 und 2000 Iraner bei Flugzeugabstürzen ihr Leben verloren, berichtete vor einem Jahr das Gulf International Forum, ebenfalls ein Think-Tank aus den USA. Das durchschnittliche Alter der Flugzeuge liege bei 28 Jahren, was die iranische Flotte zu einer der ältesten und unsichersten der Welt mache. Selbst wenn ein Schmuggel von Ersatzteilen möglich sei, sei die Beschaffung aufgrund des Wertzerfalls des iranischen Rial sehr teuer geworden.
Diese Vorgeschichte ist auch der Grund, warum die iranische Luftwaffe mit zahlreichen Maschinen operiert, die von Produzenten des Erzfeindes USA stammen – nur eben aus einer Zeit, bevor die islamistischen Geistlichen an die Macht kamen. So stehen in iranischen Hangars 63 F-4 des Herstellers McDonnell, wie das Branchenportal Flight Global gezählt hat. Sie machen einen Grossteil der Kampfjet-Flotte aus. Die F-4 wurden 1958 auf den Markt gebracht und werden seit 1981 nicht mehr produziert. Wie viele dieser Maschinen tatsächlich gefechtsfähig sind, ist offen. Iran ist auch das einzige Land, das noch die letztmals 1992 hergestellten F-14-Abfangjäger einsetzt.
Etwas besser dürfte die Lage bei Material sein, das von der Sowjetunion entwickelt und verkauft wurde, etwa MiG-29 und Su-24. Auch davon betreibt Iran einige Maschinen. Doch weil die russische Kriegsmaschinerie inzwischen ihren Eigenbedarf für den Angriff auf die Ukraine decken muss, könnte sich die Versorgung jüngst verschlechtert haben. Grundsätzlich lagen die Prioritäten Teherans ohnehin auf dem Atomprogramm und der Entwicklung von Raketen und Drohnen – aber das sind keine Fluggeräte, mit denen ein Präsident sicher reisen kann.