Die Ukraine und die USA einigen sich auf einen Waffenstillstand. Das setzt Moskau unter Druck. Doch auf dem Weg zu einem stabilen Frieden wartet eine Reihe fast unlösbarer Probleme.
Donald Trump hat stets klargemacht, dass er ein schnelles Ende des Krieges in der Ukraine will. Am Dienstag ging es dann plötzlich sehr schnell: Nach Gesprächen in Saudiarabien einigten sich die Delegationen der USA und der Ukraine auf einen dreissigtägigen Waffenstillstand, der verlängert werden kann. Sofern Russland zustimmt, tritt dieser sofort in Kraft. Ausserdem beenden die Amerikaner den Unterbruch ihrer Waffenlieferungen an Kiew und nehmen die geheimdienstliche Zusammenarbeit wieder auf. Das stärkt die Position der Verteidiger bei möglichen Verhandlungen.
Dass bereits die erste Runde der bilateralen Verhandlungen einen solchen Durchbruch bringt, ist eine Überraschung. Zwar hatte Trump in seinem üblichen Überschwang bereits am Montag angekündigt, diese Woche werde sich «Grosses» ereignen. Nach dem Eklat zwischen ihm und dem ukrainischen Präsidenten im Weissen Haus Ende Februar hatten aber beide Seiten bescheidene Ziele umrissen. Doch es war Wolodimir Selenski, der über seinen Schatten sprang und neue Dynamik in den Verhandlungsprozess brachte.
Ausweitung des Waffenstillstands
Der ukrainische Präsident schlug dabei kürzlich einen teilweisen Waffenstillstand vor. Dieser hatte sich zunächst auf eine Einstellung der Angriffe in der Luft und zu Wasser beschränkt. Daran, so die Überlegung, hätte auch Russland ein Interesse, darüber hatte es bereits 2024 Verhandlungen gegeben. Die Raketen- und Drohnenattacken weit im Hinterland waren für Moskau wie Kiew kostspielig. Um Druck aufzusetzen, schickten die Ukrainer am Dienstagmorgen eine Rekordzahl von 337 unbemannten Flugobjekten gegen Russland los und unterbrachen unter anderem eine wichtige Ölpipeline nach Europa.
Was als vertrauensbildende Massnahme gedacht war und auch die Unterstützung der Franzosen genoss, wurde dann während der Verhandlungen mit den Amerikanern am Dienstag auf den Kampf am Boden ausgeweitet. Zudem sollen laut der gemeinsamen Erklärung Kriegsgefangene ausgetauscht und von Russland verschleppte ukrainische Kinder in ihre Heimat zurückgeführt werden. Dass dieser Aspekt den Weg ins Papier fand, war für Kiew fast ebenso wichtig wie die Wiederaufnahme der Militärhilfe.
Geschickt gelang es den Ukrainern so, sich von Trumps Vorwurf zu befreien, sie seien das Haupthindernis für ein Ende des Kriegs. Das ist ein grosser Erfolg, denn nun steht plötzlich Putin unter Druck. Er muss zeigen, dass seine Friedensbereitschaft mehr ist als Propaganda. Davon hängt ab, ob die Erklärung von Jidda wirklich den ersten Schritt in Richtung Frieden darstellt oder die Fronten zwischen Ost und West weiter verhärtet. Am Abend reagierte Moskau mit neuen Drohnen- und Raketenangriffen auf ukrainische Städte.
Die Haltung Russlands ist jedoch bei weitem nicht die einzige Unsicherheit. Im besten Fall beginnt ein Prozess, der zahllose offene Fragen klären muss. Sie betreffen nicht nur die Überwachung eines Waffenstillstands, sondern auch territoriale Zugeständnisse und die zukünftige Sicherheitsarchitektur für die Ukraine und ganz Europa.
Entscheidende amerikanische Rolle
Entscheidend bleibt, wie die Amerikaner ihre Rolle definieren. So fehlt im ukrainisch-amerikanischen Papier zwar ein Hinweis auf Sicherheitsgarantien; die geplante Unterzeichnung eines Rohstoff-Abkommens ist dafür kein wirklicher Ersatz. Aber immerhin bekennen sich beide Seiten zu einer Friedenslösung, die der Ukraine langfristige Sicherheit bietet. Auch bleibt unklar, wer einen möglichen Waffenstillstand kontrollieren würde. Der europäische Vorschlag, eine «Friedenstruppe» zu entsenden, wirkt jedenfalls noch vage. Zudem lehnt ihn Moskau ab.
Zudem müssten sich alle Seiten darüber im Klaren sein, dass ein reines Einfrieren des Krieges an der gegenwärtigen Front keinen Frieden garantiert. Denn selbst wenn Kiew gewisse Gebietsverluste akzeptierte, gehen Moskaus unlängst bekräftigte Maximalforderungen deutlich über die oft zitierten «Realitäten auf dem Schlachtfeld» hinaus: Russland kontrolliert nämlich lediglich einen Teil der beanspruchten Regionen Luhansk, Donezk, Saporischja und Cherson.
Putin geht es ohnehin um mehr: Er fordert offensiv die Rückabwicklung der gesamten Nato-Osterweiterung seit dem Ende des Kalten Krieges. Das bedeutet, dass sich die Regierung in Washington eher früher als später die Frage stellen muss, mit welchen Mitteln sie bereit ist, den Ambitionen des Kremls entgegenzutreten.
Diese ist gerade in Trumps Umfeld umstritten, wo sich Russland-Kritiker und Putin-Versteher einen Machtkampf liefern. Dass das Kräftemessen alles andere als entschieden ist, zeigt die Tatsache, dass Washington bisher keine Anstalten macht, die fast ausgeschöpften Militärhilfen an Kiew durch neue zu ergänzen. Dabei bleibt die Ukraine das wichtigste Bollwerk gegen Russlands imperiale Ambitionen. Ohne resolute Unterstützung und Sicherheitsgarantien bleibt sie potenziell auf Jahrzehnte hinaus ein gefährlicher Unruheherd.