Der amerikanische Tech-Milliardär hat in einem Text offen für die AfD geworben. Musks Kritiker schäumen vor Wut. Aber ihre Empörung ist heuchlerisch.
Es braucht dieser Tage nicht viel, um deutsche Gemüter in Wallung zu bringen. Mitunter genügt schon ein Gastbeitrag des US-amerikanischen Unternehmers Elon Musk in der «Welt am Sonntag». Hätte Musk ein anderes Thema gewählt, als er es tat, hätte dies womöglich weit weniger Beachtung gefunden. Doch mit seiner Liebeserklärung an die AfD kurz vor der Bundestagswahl sorgte der Trump-Vertraute für nackte Panik bei Politikern, Journalisten und Kulturschaffenden.
Der christlichdemokratische Oppositionsführer Friedrich Merz nannte Musks Kommentar «übergriffig und anmassend». Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil stellte den Amerikaner Musk auf eine Ebene mit dem russischen Despoten Wladimir Putin: «Beide wollen unsere Wahlen beeinflussen und unterstützen gezielt die Demokratiefeinde der AfD. Ihr Ziel ist, Deutschland zu schwächen und ins Chaos zu stürzen», so der Sozialdemokrat.
Ein «Stern»-Journalist nannte den Vorgang eine «Zäsur für die Bundesrepublik». In den Abendnachrichten der «Tagesschau» richtete man sich gleich direkt ans Kanzleramt: Bundeskanzler Scholz habe sich noch nicht geäussert, könnte dies jedoch in seiner bevorstehenden Neujahrsansprache tun, hiess es dort. In den sozialen Netzwerken eskaliert die Debatte naturgegebenermassen vollends: Forderungen nach einem Boykott des Axel-Springer-Verlags oder sogar einer Beobachtung durch den Verfassungsschutz machen dort die Runde.
Ironischerweise sehen die Kritiker des Meinungsbeitrags ausgerechnet die Demokratie in Gefahr – damit liegen sie genau falsch. Natürlich gehören auch unbequeme Meinungen in eine Demokratie.
Meinungsfreiheit nur für die «richtigen» Meinungen?
Würde umgekehrt ein Wahlaufruf für die Grünen durch den amerikanischen Milliardär George Soros ähnliche Reaktionen auslösen? Im Jahr 2019, kurz vor den Europawahlen, als Soros dies tat, war das jedenfalls nicht der Fall. Auch die Meinungsstücke von Wladimir Putin in der «Zeit» im Jahr 2021 und im «Handelsblatt» 2017 lösten kein vergleichbares mediales Erdbeben aus. Zu diesem Zeitpunkt hatte Russland bereits völkerrechtswidrig die Krim überfallen und annektiert.
Die Empörung über Musks Gastbeitrag ist dementsprechend heuchlerisch und verdeutlicht einmal mehr, wie es um die Meinungsfreiheit in Deutschland bestellt ist: Sie ist nur dann akzeptabel, wenn sie mit den Ansichten eines sich progressiv wähnenden Justemilieu übereinstimmt.
Dabei ist Musks Aussage nicht einmal neu, wohl aber erklärungsbedürftig. Auf seiner eigenen Plattform X, vormals Twitter, schrieb er bereits mehrfach: «Only the AfD can save Germany» – zu Deutsch: Nur die AfD kann Deutschland retten. Dass der reichste Mann der Welt sich nun in einem Meinungsbeitrag erklärt, ist aus publizistischer Sicht nichts anderes als ein Achtungsgewinn für eine wichtige Debatte.
Denn ob die Rechtspartei tatsächlich etwas zum Wohl des Landes beizutragen hat, ist bei Zustimmungswerten von um die 20 Prozent auf Bundesebene keine unerhebliche Frage. Musk beantwortet aufgrund der Haltung der AfD zu Wirtschaft, Zuwanderung und Energiepolitik diese Frage mit Ja – direkt neben Musks Kommentar widerspricht Jan Philipp Burgard, der künftige Chefredaktor der «Welt»-Gruppe, vehement.
Es mangelt an Vertrauen in die Leser
An diesem Punkt hätte sich eigentlich jeder Leser eine eigene Meinung bilden können. Der eine oder andere wäre womöglich von der Schlichtheit der muskschen Argumente überrascht gewesen, wieder andere hätten die Bewertung des amerikanischen Unternehmers zustimmend zur Kenntnis genommen.
Doch so viel Eigenständigkeit traut man dem deutschen Publikum offenbar nicht zu. Stattdessen wird das Argument der Wahlwerbung bemüht. Diese hätte in einem freien Medium nie stattfinden dürfen, ruft die Riege der Empörten. Dabei wird geflissentlich ignoriert, dass es in Deutschland üblich ist, dass Politiker und Personen des öffentlichen Lebens Gastbeiträge in Medien veröffentlichen – vor diesem Hintergrund wirkt Musks Einmischung weit weniger skandalös.
Ein weiteres Argument lautet, Musk übe als ausländischer Akteur Einfluss auf die deutschen Wahlen aus. Doch ausgerechnet jene, die diesen Vorwurf erheben, scheinen die zahlreichen Titelgeschichten deutscher Medien vergessen zu haben, die sich offensiv für Kamala Harris, die Präsidentschaftskandidatin der US-Demokraten, aussprachen und sich mit kaum verhohlener Abscheu vom Republikaner Donald Trump distanzierten.
Bleibt die Behauptung, dass mit dem Gastbeitrag in einem deutschen Leitmedium die AfD – und damit der Rechtsextremismus – normalisiert werde. Das Argument überzeugt nicht. Erstens überhöht es die Wirkmacht der etablierten Medien, die ihre Gatekeeper-Funktion in einer fragmentierten Medienlandschaft längst eingebüsst haben. Zweitens profitiert die AfD seit Jahren von der Polarisierung durch genau diesen Anti-AfD-Diskurs. Dieser hat ihr nicht geschadet, sondern, im Gegenteil, er hat ihr genützt. Dadurch konnte sie sich noch glaubwürdiger als Anti-Establishment-Partei präsentieren.
Viel spannender wäre es gewesen, auf Musks Argumentation einzugehen. Weiss der Tesla-Chef etwa nicht, dass die Brandenburger AfD gegen die Erweiterung des Fabrikgeländes gestimmt hat? Das ist alles andere als wirtschaftsliberal. Und kann eine einzige Partei überhaupt die Rettung Deutschlands vollbringen? Das mag für einen überzeugten Trumpisten wie Musk logisch erscheinen, doch für das zersplitterte deutsche Parteiensystem ist das schwer vorstellbar. Aber für eine solche Gegenrede müssten sich zunächst die Gemüter beruhigen.