Als grösste Oppositionsfraktion will die Rechtspartei künftig einen Bundestagsvizepräsidenten und mehrere Ausschussvorsitzende stellen. Daran ist sie bislang jedoch stets gescheitert.
Wenn am Dienstag erstmals der neue Deutsche Bundestag zusammentritt, werden 152 Abgeordnete der AfD auf den blauen Polstersesseln unter der Glaskuppel Platz nehmen – doppelt so viele wie in der vergangenen Legislaturperiode. Die Rechtspartei wird damit die grösste oppositionelle Fraktion stellen. Traditionell kommt ihr damit eine wichtige Kontrollfunktion zu.
Damit sie gegenüber der Regierung gestärkt wird, verfügt die grösste Oppositionsfraktion über einige Privilegien im Parlament. Der AfD steht im neuen Bundestag etwa mehr Redezeit zu. Ihre Abgeordneten dürfen künftig direkt nach den Konservativen von CDU und CSU, der stärksten Fraktion innerhalb der wahrscheinlichen neuen Regierung, ans Rednerpult treten. Ausserdem will die AfD wichtige Posten im Parlament besetzen.
Schon jetzt zeichnet sich jedoch seitens der anderen Parteien Widerstand ab. Das betrifft etwa den Posten des Bundestagsvizepräsidenten. Zu seinen Aufgaben gehört es, die Sitzungen des Bundestags zu leiten. Die Parteien schlagen Kandidaten aus ihren eigenen Reihen vor, die anschliessend vom Parlament gewählt werden müssen.
Merz gegen Bundestagsvizepräsidenten von der AfD
Für die AfD will sich am Dienstag der Abgeordnete Gerold Otten zur Wahl stellen. Er wollte schon in der vergangenen Legislaturperiode Bundestagsvizepräsident werden. Allerdings verfehlte er die dafür nötige Mehrheit stets bei weitem. Auch dieses Mal dürfte es für die AfD schwierig werden, den einflussreichen Posten zu besetzen.
Der wahrscheinliche künftige deutsche Kanzler Friedrich Merz riet seinen Fraktionskollegen bereits im Februar, gegen einen möglichen AfD-Kandidaten zu stimmen. «Dieses Amt ist ein Staatsamt», sagte er der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung». «Und ich werde der Unionsfraktion nicht empfehlen, eine AfD-Abgeordnete oder einen AfD-Abgeordneten in ein Staatsamt zu wählen.»
Auch bei den Grünen stösst ein AfD-Kandidat auf Ablehnung. Die grüne Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt verwies darauf, dass zu den Aufgaben auch der Besuch von Gedenkveranstaltungen zum Nationalsozialismus und Auslandsreisen gehörten. Ein AfD-Politiker würde «dem Ansehen der ganzen Bundesrepublik schaden», sagte sie dem Portal «Table Media».
Die AfD erhebt zudem Anspruch auf einige Vorsitze in den Fachausschüssen. Darin beraten die Abgeordneten über Gesetzesvorhaben. Der Vorsitzende beruft die Sitzungen ein und legt die Tagesordnung fest. Er nimmt eine unparteiische Rolle ein und verhandelt Kompromisse zwischen den Mitgliedern.
AfD will künftig fünf Ausschussvorsitzende stellen
Der stellvertretende Parteichef der AfD, Stephan Brandner, hat bereits klare Vorstellungen, wie viele Posten seiner Partei im neuen Bundestag zustehen: «Rein rechnerisch dürften es fünf von fünfundzwanzig Ausschussvorsitzenden sein, zudem fünf Stellvertreterposten», sagte er der «Süddeutschen Zeitung». Traditionell leitet die grösste Oppositionspartei etwa den wichtigen Haushaltsausschuss.
Doch auch hier dürfte es für die AfD schwierig werden. Die Ausschüsse und ihre Vorsitzenden werden zwar nach den Mehrheitsverhältnissen im Parlament besetzt. Die Parteien einigen sich dafür auf einen Verteilschlüssel. Die Vorsitzenden müssen jedoch noch von den Mitgliedern der Ausschüsse gewählt werden. In der vergangenen Legislaturperiode scheiterten die Kandidaten der AfD allesamt.
Ähnlich erging es der AfD mit dem Parlamentarischen Kontrollgremium, das die deutschen Geheimdienste kontrolliert. Die Mitglieder werden vom Parlament gewählt. Die AfD-Kandidaten verfehlten jedoch auch hier einer nach dem anderen die nötige Mehrheit. In den Reihen der anderen Parteien gibt es Bedenken, die AfD mit der Aufsicht über die Geheimdienste zu betrauen, da sie selbst vom Bundesamt für Verfassungsschutz als sogenannter Verdachtsfall beobachtet wird.
Die Rechtspartei versuchte sich bereits in der vergangenen Legislaturperiode gegen ihren Ausschluss von wichtigen Posten im Parlament zu wehren. Sie reichte etwa Klage beim Bundesverfassungsgericht ein, weil sich die Abgeordneten in ihren Rechten verletzt sahen.
AfD sorgte im Gesundheitsausschuss für Eklat
Das Gericht in Karlsruhe kam jedoch zu dem Urteil: Einen gesetzlichen Anspruch auf einen Ausschussvorsitz gibt es nicht. Die drei betroffenen Ausschüsse wurden schliesslich von den stellvertretenden Vorsitzenden anderer Parteien geführt.
Schon in der vergangenen Legislaturperiode zeigte sich an einem Fall, dass das Thema grosses Konfliktpotenzial birgt. Im März des vergangenen Jahres setzte sich der AfD-Abgeordnete Kay-Uwe Ziegler im Gesundheitsausschuss zu Beginn einer Sitzung auf den Platz der stellvertretenden Vorsitzenden. Vor sich stellte er ein Schild mit der Aufschrift «Ausschussvorsitz», wie mehrere Medien unter Berufung auf Teilnehmer berichten.
Die Abgeordneten der anderen Parteien nahmen erst an der Sitzung teil, nachdem Ziegler den Platz wieder geräumt hatte. Sie sprachen anschliessend von «Selbstermächtigung». Aus Sicht der Ersten Parlamentarischen Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion, Irene Mihalic, zeigte sich in dem Verhalten Zieglers, dass die AfD es «mit ihren umstürzlerischen Plänen ernst meint». Die AfD hingegen beharrte nach dem Vorfall darauf, dass ihre Wähler ein Anrecht auf gleichwertige Repräsentation hätten.
Zumindest auf Ebene der Bundesländer ist die Brandmauer für wichtige Parlamentsposten bereits gefallen. In Sachsen wurde jüngst auch ein AfD-Politiker mit Stimmen von Union und BSW in die Parlamentarische Kontrollkommission des Landesparlaments gewählt. An der Entscheidung in dem ostdeutschen Bundesland gab es deutliche Kritik – auf Bundesebene dürfte sie in einem solchen Fall noch lauter ausfallen.