Brasiliens früherem Präsidenten Jair Bolsonaro soll der Prozess gemacht werden wegen des Versuchs, sich trotz Wahlniederlage an der Macht zu halten. Die Justiz zeigt sich dabei effizient.
Der brasilianische Generalstaatsanwalt beschuldigt in einer 272 Seiten langen Anklageschrift den früheren Präsidenten Jair Bolsonaro, 2022 ein umfangreiches Komplott angeführt zu haben. Dieses habe dem Ziel gedient, sich trotz seiner Wahlniederlage an der Macht zu halten. Neben Bolsonaro sind weitere 33 Personen aus seinem damaligen Führungszirkel und der Armeespitze angeklagt.
Unter anderem soll laut der Anklageschrift geplant gewesen sein, den Wahlsieger Lula da Silva und dessen Vizepräsidenten Geraldo Alckmin vor deren Amtsantritt zu ermorden. Der Plan sei schliesslich nicht ausgeführt worden, weil er von einer Mehrheit in der Armeespitze nicht unterstützt worden sei. Der frühere Präsident Bolsonaro bestreitet alle Vorwürfe und stellt sich als Opfer politischer Verfolgung dar. Explizit vergleicht er die strafrechtliche Untersuchung mit den juristischen Verfahren gegen den amerikanischen Präsidenten Donald Trump nach dessen Abwahl 2020.
Politische Motive?
Im brasilianischen Kontext kommt dabei natürlich sofort die Frage auf, ob es sich nicht um eine politische Anklage handle. Ein entsprechender Vorwurf stützt sich auf die Tatsache, dass derzeit unter Lula da Silva eine linke Regierung im Amt ist, die überdies wenig populär ist, und so gegen ihre rechten Kritiker vorgehen könnte. Aber das greift zu kurz. Bolsonaro ist ohnehin bis 2030 aufgrund eines Entscheids des Obersten Gerichts für politische Ämter gesperrt.
Die Anklageschrift wurde nicht einfach von dem von Lula da Silva ernannten Generalstaatsanwalt aus dem Sack gezogen. Vielmehr sind insgesamt drei Instanzen an dem Entscheid beteiligt, ob es gegen Bolsonaro zum Prozess kommen wird.
Die erste war die brasilianische Bundespolizei. Die Entscheidung des Generalstaatsanwaltes basiert auf einer zweijährigen Untersuchung durch die Polizeibehörde, welche ähnlich wie das amerikanische FBI einen zumindest semiautonomen Status geniesst. Deren Spitzen wurden zwar von Lula besetzt, doch ihr Mitarbeiterstab ist eine professionelle kriminalistische Untersuchungsbehörde. Im vergangenen November hat sie ihren 700-seitigen Bericht zur Untersuchung gegen Lula veröffentlicht. Sie kam zu dem Schluss, dass genügend belastendes Material gegen Bolsonaro vorliegt, um einen Prozess zu rechtfertigen. Bereits damals gingen Beobachter davon aus, dass es dieses Jahr zum Prozess kommen werde.
Nach dem Studium der polizeilichen Untersuchung ist auch der Generalstaatsanwalt zu dieser Ansicht gelangt. In dritter Instanz muss nun das Oberste Gericht definitiv entscheiden, ob es einen Prozess gegen Bolsonaro einleiten will. Nur eine Minderheit der obersten Richter gilt als Lula nahestehend. Der Vorsitz über diesen Fall liegt bei Alexandre de Moraes, der aus der Mitte-rechts-Partei PSDB stammt. Er gehört also nicht zum Dunstkreis um Lula da Silva. Im Gegenteil, er wurde vom früheren Präsidenten Michel Temer ernannt. Dieser ist bei Lulas Arbeiterpartei geradezu verhasst, weil er Lulas «Ziehtochter» Dilma Rousseff durch ein Impeachment aus dem Präsidentenamt gedrängt hatte.
Die Beurteilung des Falles liegt nun bei den Richtern
Es wäre somit voreilig, wenn man Brasilien in dieser Frage eine politisch korrumpierte Justiz vorwerfen würde. Im Gegenteil, bei der Verfolgung des Versuchs, ein demokratisches Wahlresultat umzustossen, ist die Justiz in Brasilien bisher sehr effizient vorgegangen.
Man kann durchaus einen fairen Prozess für Bolsonaro erwarten, wenn es tatsächlich dazu kommt. Ob die von der Untersuchung zutage geförderten Indizien tatsächlich für eine Verurteilung von Bolsonaro genügen, liegt dann im Ermessen der obersten Richter.