In der AHV werden die während der Ehe erzielten Einkommen je hälftig auf die Ehepartner aufgeteilt. Davon profitieren später vor allem Witwen und Geschiedene.
Die Volksinitiative der Mitte-Partei fordert eine Erhöhung der Ehepaar-Renten. Deklarierte Begründung: Die Ehepaare seien in der AHV benachteiligt. Die Maximalrente für Einzelpersonen beträgt heuer 2520 Franken pro Monat. Zwei Rentner im Konkubinat können es damit zusammen auf 5040 Franken bringen. Die Ehepaarrente beträgt dagegen höchstens 150 Prozent der maximalen Einzelrente – im laufenden Jahr somit 3780 Franken. Der Ehenachteil dieses Rentendeckels machte 2023 laut Bundesschätzung 3,3 Milliarden Franken aus.
Die Volksinitiative will aber keine Gleichbehandlung von Ehepaaren und Konkubinatspaaren. Sie fordert die Abschaffung des Ehenachteils, doch die Ehevorteile rührt der Vorstoss nicht an. Der grösste Ehevorteil sind die Witwenrenten (1,9 Milliarden Franken 2023) und der Verwitwetenzuschlag von 20 Prozent auf die Altersrente (1,4 Milliarden Franken). Diese beiden Vorteile machen zusammen zufälligerweise gerade gleich viel aus wie der Ehenachteil durch den Rentendeckel. Hinzu kommt noch ein Ehevorteil von rund 200 Millionen Franken in Form einer AHV-Beitragsbefreiung für gewisse nichterwerbstätige Ehepartner.
Einkommensteilung seit 1997
Erst seit kurzem liegt überdies eine Bundesschätzung zu einem weiteren Ehevorteil in der AHV vor: zur Einkommensteilung (Splitting). Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) schätzte diesen Vorteil unerwartet hoch ein – auf rund 1 Milliarde Franken pro Jahr. Das Total der geschätzten Ehevorteile von 4,5 Milliarden Franken liegt somit mehr als eine Milliarde über den Ehenachteilen. Mit der Publikation des entsprechenden Berichts des BSV durch die Sozialkommission des Nationalrats liegt nun auch eine öffentliche Rechnung dazu vor.
Die Einkommensteilung in der AHV ist seit 1997 in Kraft. Mit jener Gesetzesrevision entstand auch der Anspruch beider Ehepartner auf eine eigene Rente. Das während der gemeinsamen Ehe erzielte Einkommen beider Partner wird zusammengezählt und später für die Berechnung der Rente je hälftig auf die Partner aufgeteilt. Das Gleiche gilt auch für Gutschriften für die Kindererziehung und für die Betreuung von pflegebedürftigen Verwandten. Die Einkommen werden gesplittet, sobald beide Ehepartner oder der überlebende Partner einen Rentenanspruch hat. Zudem kommt das Splitting auch bei Scheidungen zum Zug.
Tendenz: Von der je hälftigen Zuteilung der anrechenbaren Einkommen profitiert der Partner mit dem tieferen Einkommen; oft sind das nach wie vor die Frauen. Spiegelbildlich gibt der Partner mit dem höheren Einkommen in manchen Fällen einen Teil seines Rentenanspruchs ab.
Degressive Rentenformel
Doch weshalb ist bei Ehepaaren die spätere Rentensumme tendenziell höher als bei Konkubinatspaaren in sonst vergleichbaren Umständen? Der Kern der Erklärung liegt in der degressiven Rentenformel der AHV: Je höher das anrechenbare Einkommen liegt, desto tiefer ist der Rentenanspruch in Prozent des Einkommens.
Zwei Faktoren bestimmen die Rentenhöhe: die Beitragsdauer sowie das durchschnittliche Jahreseinkommen während dieser Dauer. Gemäss der für 2025 gültigen Rententabelle für die volle Beitragszeit von 44 Jahren beträgt die Monatsrente bei einem massgebenden Durchschnittseinkommen von o bis 15 120 Franken genau 1260 Franken (minimale Vollrente). Pro Jahr ergibt dies eine Altersrente von 15 120 Franken – noch ohne 13. Monatsrente. Mit zunehmendem Einkommen steigt der Rentenanspruch zunächst relativ deutlich. Ab einem Einkommen von etwas über 45 000 Franken wird der Anstieg flacher, und ab einem massgebenden Einkommen von 90 720 Franken steigt der Rentenanspruch gar nicht mehr. Bei einer typischen Lohnkarriere mag ein massgebendes Einkommen von 90 720 Franken (im Durchschnitt der Erwerbsdauer) einem letzten Einkommen vor der Pensionierung von etwa 110 000 Franken entsprechen.
Die Degression der AHV-Rentenformel bewirkt eine versteckte Umverteilung von oben nach unten. Ein massgebendes Einkommen von zum Beispiel rund 15 000 Franken bringt eine Jahresrente von etwa 100 Prozent des Einkommens. Bei 90 000 Franken Einkommen gibt es noch eine Rente von 33 Prozent. Darüber hinaus sinkt der Rentenanspruch bis auf unter 10 Prozent bei etwas über 300 000 Franken Einkommen.
Für Witwen und Geschiedene
Diese Degression bedeutet im Prinzip: Bei je hälftiger Aufteilung der Einkommen auf die beiden Partner erhalten die Partner in der Summe tendenziell eine höhere Rente als bei ungleicher Verteilung der Einkommen. Einen spiegelbildlichen Effekt sieht man bei der progressiven Einkommenssteuer: Eine Individualbesteuerung würde bei je hälftiger Aufteilung der Einkommen auf die beiden Ehepartner wegen der Steuerprogression zu insgesamt tieferer Belastung führen als bei stark ungleicher Einkommensaufteilung.
In der AHV kann der Effekt des Einkommens-Splittings je nach Konstellation des Einzelfalls unterschiedlich sein. Wegen des Zusammenspiels zwischen Minimalrente, Maximalrente und Ehepaar-Rentendeckel fällt das Einkommens-Splitting wenig ins Gewicht, solange beide Ehegatten noch zusammen sind; in diesen Fällen gibt es grossenteils nur eine Umverteilung zwischen den Ehepartnern. Die Ehevorteile dieses Konstrukts greifen laut dem BSV vor allem nach dem Tod eines Ehegatten und nach Scheidungen.
Einzelrente statt Witwenrente
Meistens stirbt der Ehemann vor seiner Frau. Dann erhält die Witwe oft eine höhere Rente, als sie ohne das Splitting erhalten würde. Dabei geht es nicht um die Witwenrente, die in den eingangs genannten Ehevorteilen schon separat eingerechnet ist. Stattdessen geht es hier um die individuelle Altersrente der überlebenden Gattin. Hat sie gleichzeitig Anspruch auf eine individuelle Altersrente und eine Witwenrente, wird ihr der höhere dieser beiden Ansprüche ausbezahlt. Zur individuellen Altersrente kommt noch der Verwitwetenzuschlag hinzu, doch dieser Zuschlag ist in der erwähnten Bundesrechnung über die Summe der AHV-Ehevorteile bereits berücksichtigt.
Auch bei Scheidungen kann das Splitting in gewissen Konstellationen die Rentensumme der Betroffenen im Vergleich zu ehemaligen Konkubinatspartnern erhöhen.
Die Analyse zum Effekt der Einkommensteilung basiert laut BSV auf Daten von 1,2 Millionen Rentenbezügern. Nicht fehlen darf die Gesundheitswarnung: Das Resultat beruhe auf einer Hochrechnung geschätzter Daten und sei «mit Unsicherheit behaftet».