Jetzt regiert die «CVP – Die Mitte» mit absoluter Mehrheit. Über die neue politische Konstellation im Kanton Uri.
Dimitri Moretti war acht Jahre lang Regierungsrat für die SP, die einzige linke Stimme in der Urner Regierung, und er war überzeugt, er würde es bleiben. Die Wiederwahl sei meistens unbestritten, wenn man als Bisheriger nicht einen Bock geschossen habe, sagte er im Februar in der «Urner Zeitung», und er glaube nicht, dass er das habe. Moretti wollte sogar Landammann werden, Regierungspräsident, das «wäre für mich eine Ehre», sagte er. Zum Wahlkampfauftakt kamen Jacqueline Badran aus Zürich und Aline Trede aus Bern ins Kolpinghaus nach Altdorf. Moretti machte Sprüche, er erhielt Geschenke. Auf den Tischen lagen Amaretti, die er mit «Amoretti» hatte anschreiben lassen. «Versüsst dir den Tag», stand darunter.
Als Dimitri Moretti an diesem Sonntag das Telefon abnimmt, muss er erklären, wieso er die Wiederwahl nicht geschafft hat. «Ich glaube nicht, dass es an meiner Arbeit liegt», sagt er – einen grossen Bock wirft ihm niemand vor –, «sondern an der Konstellation.» Die Enttäuschung ist gross, das ist ihm anzuhören. Was soll er auch sagen?
Der letzte Vertreter
Schon im ersten Wahlgang im März hatte Dimitri Moretti das absolute Mehr verpasst, die Stimmen hatten sich damals unter zwölf Kandidatinnen und Kandidaten aufgeteilt, auf vielen vorgedruckten Wahlzetteln hatte sein Name gefehlt. Die Mitte mit Céline Huber, Urban Camenzind und Daniel Furrer, die FDP mit Urs Janett und die SVP mit Christian Arnold demonstrierten die bürgerliche Macht und sicherten sich fünf von sieben Regierungssitzen. Zudem machte der vierte Kandidat der Mitte-Partei so viele Stimmen, dass er die Chance sah, die absolute Mitte-Mehrheit zurückzuerobern – und deshalb beschloss, im zweiten Wahlgang noch einmal anzutreten.
Und so stand Moretti in diesem zweiten Wahlgang zwei bürgerlichen Kandidaten gegenüber, Hermann Epp von der Mitte-Partei und Georg Simmen von der FDP, und er konnte nur noch auf eine Art Konkordanzbedürfnis bei den bürgerlichen Wählerinnen und Wählern hoffen, darauf, dass die Mehrheit der Minderheit einen Regierungssitz freihält.
So war es in Uri jahrzehntelang, seit den Wahlen im Jahr 1968 sass fast ununterbrochen ein Sozialdemokrat in der Regierung. Denn der Kanton hat auch eine gewerkschaftliche Geschichte, vor allem durch die Eisenbahner in Erstfeld. Moretti war der vorerst letzte Vertreter dieser Geschichte in der Regierung, er, der Oberstufenlehrer von Erstfeld, der Sohn einer Schweizerin und eines Italieners. Zeitweise war er der einzige linke Regierungsrat in der Innerschweiz, künftig wird es Ylfete Fanaj (SP, Luzern) sein. «Es war nicht immer einfach», sagt Dimitri Moretti an diesem Sonntag. Bei den Parlamentswahlen im März verkleinerte sich die linke Fraktion im Urner Landrat weiter, sie kommt nur noch auf 7 von 64 Sitzen.
In den vergangenen Wochen betonte Moretti, wie wichtig es sei, dass alle politischen Kräfte in einer Regierung vertreten seien – er hoffte vergebens.
Die neue Konstellation
Auf seine Kosten vervollständigt an diesem Sonntag ein Versicherungsexperte namens Hermann Epp, der frühere Gemeindepräsident von Silenen, die Macht der Mitte-Partei, die in Uri sinnigerweise immer noch «CVP – Die Mitte» heisst. Denn die neue Konstellation erinnert an vergangene Zeiten: Zuletzt hatte die CVP bei den kantonalen Wahlen im Jahr 2000 die absolute Regierungsmacht erreicht.
«Wir hatten das eigentlich nicht angestrebt», sagt Flavio Gisler, der Urner Kantonalpräsident, «aber die Bevölkerung hat es so gewollt.» Seine Partei werde aber nicht durchregieren, sagt Gisler, «unsere vier Regierungsrätinnen und Regierungsräte werden sich in vielen Einzelfragen nicht einig sein». Die absolute Mehrheit ist nicht nur Segen für die Partei, sondern auch Fluch: Sie wird in den nächsten vier Jahren für jede einzelne regierungsrätliche Entscheidung im Kanton verantwortlich sein.
Rechts der Mitte sind die SVP mit einem und die FDP mit zwei Regierungsräten vertreten – der freisinnige Rechtsanwalt Georg Simmen aus Realp erreichte am Sonntag im zweiten Wahlgang das beste Ergebnis. Und links der Mitte ist künftig die Opposition. Ob Dimitri Moretti in dieser neuen Konstellation weiter eine Rolle spielen will, bleibt an diesem Sonntag offen. «Ich hatte keinen Plan B», sagt er. Jetzt muss er sich einen neuen Plan A zurechtlegen.