Das Komitee will die Initiative nicht einfach aufgeben und prüft rechtliche Schritte.
In der Debatte um mehr Wohnraum in der Stadt Zürich waren die Rollen bis anhin klar verteilt: Die Linken bewirtschaften das Thema, die Bürgerlichen kritisierten die Pläne aus der rot-grünen Küche.
Umso überraschender kam die Aufstockungs-Initiative von FDP, GLP, SVP und Mitte, die im Juli eingereicht wurde: Diese fordert, dass bestehende Liegenschaften in der Stadt Zürich flächendeckend um ein zusätzliches Stockwerk erhöht werden dürfen. Dazu sollen die Bauvorschriften angepasst werden.
Das Komitee verspricht sich viel von seinem Vorschlag. Würden von den heute 50 000 Wohnhäusern in der Stadt bis zu 20 Prozent aufgestockt, ergäbe dies im besten Fall 10 000 zusätzliche Wohnungen, so die Rechnung.
Die Initiative ist mit 3106 gültigen Unterschriften zustande gekommen. Nun allerdings hat das Vorhaben einen empfindlichen Dämpfer erlitten: Der Stadtrat hat die Initiative für ungültig erklärt. Diese spreche zwar wichtige Themen an, teilt der Stadtrat am Mittwoch mit. Doch sie sei in mehrfacher Hinsicht nicht mit übergeordnetem Recht auf Ebene Bund, Kanton sowie der Stadt Zürich vereinbar.
Stadtrat: Widerspruch zu regionalem Richtplan
Die Initiative verlangt eine Anpassung der Bau- und Zonenordnung, um in allen Wohnzonen in der Regelbauweise die maximal zulässige Gebäudehöhe auf bestehenden Gebäuden um drei Meter zu erhöhen.
Dieses Anliegen ist laut Stadtrat nur schon deshalb nicht umsetzbar, weil die pauschale Ermöglichung eines zusätzlichen Geschosses den Vorgaben des regionalen wie auch des kommunalen Richtplans widerspricht. Eine solche Abweichung würde dem kantonalen Planungs- und Baugesetz widersprechen.
Weiter forderten die Initianten, dass man nur auf bestehenden Gebäuden eine Aufstockung vornehmen kann. Aber eine solche Unterscheidung zwischen bestehenden und neuen Gebäuden sei gemäss kantonalem Gesetz rechtlich ebenfalls unzulässig, schreibt der Stadtrat.
Der Stadtrat unterstütze das Ziel der Initiative, mehr Wohnraum zu schaffen. Die aktuelle Bau- und Zonenordnung biete aber noch erhebliche Reserven und Aufstockungsmöglichkeiten.
Die Stadt verfolge die Forderungen der Initiative bereits und habe einen kommunalen Richtplan, der Wachstum festlege. Die derzeit erarbeitete Revision der Bau- und Zonenordnung setze diese Vorgaben um und fokussiere auf bauliche Verdichtung, den Umgang mit dem Bestand und mehr preisgünstigen Wohnraum.
«Wohlwollend» gegenüber Anliegen aus dem linken Lager
Das Komitee reagiert scharf auf die Stellungnahme des Stadtrats. Dessen Argumente seien «nicht nachvollziehbar».
Die Initiative ziele darauf ab, bestehendes Potenzial besser zu nutzen, und sieht auch keine pauschale Missachtung der Richtpläne vor. Vielmehr ergänze die Idee der Initiative die Ziele der Verdichtung, damit mehr Wohnraum geschaffen werden könne. «Es wurde explizit darauf verwiesen, dass der Stadtrat Ausnahmen erlassen kann.»
Das Komitee verweist darauf, dass der Initiative eine Motion aus dem Jahr 2022 zugrunde liege. Zu dieser habe der Stadtrat damals in seiner Antwort keine rechtlichen Bedenken geäussert. «Der Stadtrat hätte im Rahmen der allgemeinen Anregung jedoch die Möglichkeit gehabt, kreative und angepasste Lösungsvorschläge zu machen.»
Der FDP-Gemeinderat Dellenbach ist Mitglied des Initiativkomitees. Er glaubt: «Diese Ungültigkeitserklärung hat eine politische Komponente.» Denn in der Vergangenheit sei der Stadtrat Forderungen von linker Seite für städtischen Wohnraum stets wohlwollend begegnet, obwohl diese teilweise rechtlich fragwürdig gewesen seien.
Dellenbach verweist auf die Neugasse-Initiative, bei der die Stadt den SBB Land abkaufen und darauf gemeinnützige Wohnungen bauen sollte – obwohl die SBB den Boden gar nicht verkaufen wollten. Das Stimmvolk nahm die Initiative im September 2022 an der Urne an, doch die SBB blieben bei ihrem Nein. Wohnungen wird es dort keine geben.
Als weiteres Beispiel nennt Dellenbach die SP-Initiative für bezahlbare Wohnungen. «Hier hielt der Stadtrat fest, dass sie gegen übergeordnetes Recht verstösst, und hat dann sehr grosszügig einen Gegenvorschlag ausgearbeitet.» Sowohl der direkte als auch der indirekte Gegenvorschlag wurden am letzten Sonntag an der Urne klar angenommen.
Vor diesem Hintergrund, findet Dellenbach, könnte der Stadtrat die Initiative «im Zweifel für die Volksrechte» gelten lassen. Er vermutet, dass der Stadtrat mit der Ungültigkeitserklärung einer Debatte aus dem Weg gehen wolle.
Der Mediensprecher des zuständigen Amts für Städtebau, Anatole Fleck, weist die Vorwürfe zurück. Der Entscheid des Stadtrats sei nicht politisch motiviert. «Der Stadtrat hat die Initiative sehr eingehend geprüft und auch ein externes Gutachten in Auftrag gegeben, um die Rechtslage vertieft zu klären.»
Für das Initiativkomitee ist klar: Es will die Antwort des Stadtrats nicht einfach akzeptieren. Man habe durchaus abgeklärt, ob die Aufstockungs-Initiative etwa mit übergeordnetem Recht vereinbar sei, sagt Dellenbach. «Wir sind zum Schluss gekommen, dass dem so ist.» Nun werde man den Entscheid des Stadtrats genau prüfen und über einen allfälligen Weiterzug beraten.