Im neuen Fall mit Johanna Wokalek wird Verständigungsarbeit geleistet. Vertragt euch, ist die Botschaft.
Das fängt ja gut an. Kaum ist eine Viertelstunde vergangen, sind schon ein paar deutsche Debattenthemen durch. Migrantische Clan-Kriminalität, Gentrifizierung, Transgender.
Ein afghanischer Ladenbesitzer sagt: «Deutschland ist eine Einladung an alle Verrückten der Welt. Hier kannst du kriminell sein, und als Dankeschön kriegste Bürgergeld.» Kommissar Eden hat auf die Frage, ob Dragqueens Männer oder Frauen sind, eine klare Antwort: «Männer. Hier geht Wahrheit vor woke.»
Der «Polizeiruf 110» aus München mit dem Titel «Ein feiner Tag für den Bananenfisch» ist so etwas wie ein trojanisches Pferd. Ideologisch gesehen. Nach dem grossen Wumms vom Anfang wird hier Verständigungsarbeit geleistet. Nachschulung in Sachen Menschlichkeit. Um den eigentlichen Fall, einen Mord, geht es kaum noch.
War’s der albanische Clan?
Es ist Nacht im Bahnhofsviertel von München. Die drei Dragqueens Menora, Peecabou und Tulip stöckeln aus ihrem Klub namens «Rainbow». Dabei werden sie Zeugen eines Mordes an einem einheimischen Immobilienbesitzer. Mutmasslich albanische Clanmitglieder erschiessen ihn kaltblütig und drapieren ein Fischernetz um den Toten. So markiert die südländische Mafia ihre Ansprüche auf dem umkämpften Münchner Markt.
Jetzt hätte man das Ermittlungsduo Cris Blohm (Johanna Wokalek) und Dennis Eden (Stephan Zinner) in ein finsteres, dicht verwobenes Netzwerk des organisierten Verbrechens schicken können. Aber das will dieser «Polizeiruf» nicht. Er hat eine Botschaft, und die lautet: Vertragt euch!
Als hätte man die Kamera um 180 Grad gedreht, geht es weniger um mögliche Täter als um die Zeugen. Blohm und Eden wollen die von Božidar Kocevski, Meik van Severen und Patrice Griessmeier gespielten Dragqueens zu einer Aussage vor der Polizei bewegen. Das wird vom illustren Trio mit kokettem Augenaufschlag verweigert: «Wem sollen wir helfen? Einer Gesellschaft, die uns mobbt und auslacht?»
Statt um Krimi geht es dann eine Stunde lang um eine Art Teambuilding. Die Täter könnten den Zeugen gefährlich werden, also fahren die beiden Kommissare mit ihnen zu einem längst sich selbst überlassenen bayrischen Landgasthof.
In der guten Stube liegt schichtweise Staub, und der passt zu den angestaubten Klischees, die hier über Dragqueens erzählt werden. Sie haben Probleme mit ihren Müttern, tanzen gerne zum Song «Y.M.C.A.» und kennen Schminktipps ohne Ende. Kriminalhauptkommissarin Blohm gibt die Verständnisvolle, ihr Kollege Eden das homophobe Raubein.
So zart wie eine Feinstrumpfhose
Dann aber lässt er sich von Tulip zeigen, wie man die Rumba tanzt, und führt tiefe Gespräche, bis seine Seele so zart wird wie eine Feinstrumpfhose. Wir sind doch alle nur Menschen! Dem Katholiken Eden fällt sogar ein, dass es unter den Heiligen auch eine heilige Dragqueen gegeben hat: Wilgefortis. Auf Bildern ist sie mit langem Kleid und mit Conchita-Wurst-Bart dargestellt.
Fast als müssten sie diesen immer tiefer im Menschlichen versinkenden «Polizeiruf» daran erinnern, dass er ein Krimi ist, stehen plötzlich die albanischen Clanmitglieder vor der Tür des Landgasthofs. Es wird dramatisch. Schüsse fallen. Die Täter flüchten. Man schnappt sie am Bahnhof von Wolfratshausen. Sie werden ihre Strafe bekommen. So wie ungerechterweise auch die Dragqueen Menora.
Ihre leibhaftige iranische Mutter steht erstmals seit fünf Jahren wieder vor ihr und will sie auf den rechten Weg und in den Schoss der strenggläubigen muslimischen Familie zurückholen. Für den Lebensentwurf des Sohnes hat sie naturgemäss wenig Verständnis und beschimpft ihn: «Ihr seid die Assis der Gesellschaft.» An dieser Stelle könnte das Erziehungsmärchen namens «Polizeiruf» direkt wieder von vorne beginnen.
«Polizeiruf 110», «Ein feiner Tag für den Bananenfisch», am Sonntag, 18. Mai, ARD um 20.15 Uhr.