Florian Bachmeier fotografiert in der Ukraine Menschen die in unmittelbarer Nähe der Front leben und zeigt ihre dramatische Situation.
Die Bilder dieser Serie, von denen eines jetzt den World Press Photo Award erhielt, entstanden im Frühjahr 2024. Sie zeigen das Leben entlang der Frontlinie – in Cherson, in den zurückeroberten Gebieten südlich von Mikolajiw, im Raum Saporischja, im Donbass und im Norden der Oblast Charkiw.
Bachmeier ist dort Menschen begegnet, die unter permanentem Beschuss leben, die geblieben sind, weil sie nicht fliehen können – oder nicht wollen. Er wollte nicht den Krieg zeigen, sondern das, was vom Leben bleibt, wenn der Krieg Alltag geworden ist.
Die 15-jährige Alina lebt mit ihren zwei Geschwistern sowie ihrer Mutter und deren drogensüchtigem Lebensgefährten in einer frontnahen Wohnung. Die Nachbarwohnung wurde an diesem Tag zerstört. (Ukrainsk, 2024)
Verbrannte Landschaft – stumme Zeugen heftiger Gefechte im Jahr 2023. Die Landschaft trägt die Narben des Krieges. (Weliki Burluk, 2024)
Der ukrainische Soldat Stanislaw verabschiedet sich nach einer zweitägigen Erholungspause von seiner Frau Aljona, die für einen Tag aus Dnipro angereist ist, um ihn zu sehen. Es ist ein kurzer gemeinsamer Moment, bevor er an die Front bei Kupjansk zurückkehrt. (Hrosa, 2024)
Plastikblumen auf einer Tapete im Wohnzimmer des Ehepaars Ira und Mischa. In seinem Haus mit vier Zimmern in der Nähe der Front leben jetzt 13 Menschen, seine eigene Familie und Geflüchtete, die das Paar aufgenommen hat. (Woloska Balaklija, 2024)
Dima, Sascha und Nastja leben mit ihren Eltern in einem Dorf, das nach Beginn des Krieges von der russischen Armee besetzt worden war. Fast ein halbes Jahr lang versteckten sie sich gemeinsam mit ihren Eltern und zwei weiteren Geschwistern im Haus. Die Angst ist geblieben. (Borschtschiwka, 2024)
In diesen Bauernhäusern östlich von Charkiw haben während der vorübergehenden Besetzung 2023 Einheiten der russischen Armee ihr Lager aufgeschlagen. (Hontariwka, 2024)
Angelina ist traumatisiert und leidet unter Panikattacken. Mit ihrer Grossmutter Larisa musste sie aus ihrem Heimatdorf bei Kupjansk fliehen. Jetzt leben sie in Borschtschiwka bei Verwandten. Ihre Mutter lebt und arbeitet in Charkiw. (Borschtschiwka, 2024)
Dieses Bild gewann den Preis in der Kategorie Europa und wurde in der Jurybegründung mit einem Bild eines verletzten russischen Soldaten verknüpft. Nach heftiger Kritik strich World Press Photo diese Passage, die NZZ schrieb einen Artikel zu diesem Thema.
Niemand weiss, wo und wie viele Minen die russischen Truppen vor ihrem Rückzug 2023 hinterlassen haben. Minenräumer, oft Freiwillige, markieren die betroffenen Gebiete, solange sie nicht geräumt werden können, mit weissen Plastikbändern. (Bei Weliki Burluk, 2024)
Ein Mann nach einem Bad in einem Tauchbecken an einem öffentlichen Brunnen in Sewerna Saltiwka, einem stark zerstörten Stadtteil im Norden von Charkiw. Die reguläre Wasserversorgung ist seit den Angriffen ausgefallen, für viele Anwohner sind solche Becken und Brunnen zur einzigen Wasserquelle geworden. (Sewerna Saltiwka, 2024)
Zerstörte Kirche in einem Dorf, 3o Kilometer von der russischen Grenze entfernt. Die Gläubigen feiern die heilige Messe seitdem in einem Kellerraum. (Stari Saltiw, 2024)
Die 13-jährige Tatjana und ihre zwei Jahre jüngere Schwester Katerina leben mit ihren anderen sieben Geschwistern in einem Haus, das eine geflohene Verwandte der Familie überlassen hat. Der Vater war Industriearbeiter, ist aber inzwischen arbeitslos. (Spodowiwka, 2024)
Ruinen eines Hauses nach einem Raketeneinschlag am 19. April 2024. Die Familie überlebte mit den Kindern im Keller, eine Nachbarin kam bei dem Angriff ums Leben. (Selidowe, 2024)
Die 27-jährige Sweta möchte mit ihren Kindern wegen der häufigen Einschläge gerne fliehen, aber sie weiss nicht, wohin. Bis jetzt hat sie das Angebot der ukrainischen Armee zur Evakuierung immer abgelehnt, da unklar ist, wohin sie gebracht würden. (Bei Weliki Burluk, 2024)
Eine Familie auf dem Rückweg aus Stari Saltiw nach Wowtschansk, das nahe an der Front liegt und wo zu diesem Zeitpunkt heftige Gefechte toben. Die Familie hat sich mit Vorräten eingedeckt und muss die über dreissig Kilometer zu Fuss zurücklegen, da sie kein Fahrzeug hat und kein Taxi sie bringen will. (Stari Saltiw, 2024)
Die 35-jährige Tanja mit ihrer dreimonatigen Tochter Polja. Tanja ist gehörlos und möchte mit ihren Kindern die frontnahe Region verlassen. Sie würde am liebsten ins Ausland gehen. (Woloska Balaklija, 2024)
Florian Bachmeier ist ein deutscher Dokumentarfotograf, der sich auf Langzeitprojekte in Osteuropa spezialisiert hat. Nach einem Studium der Fotografie und einem anschliessenden Geschichtsstudium arbeitet er seit 2010 als freier Fotograf. Seine Arbeiten wurden in zahlreichen renommierten Medien veröffentlicht, darunter Die Zeit, Der Spiegel, GEO, Mare, FAZ, NZZ und Stern. Seine Fotografien wurden in internationalen Ausstellungen präsentiert und mehrfach ausgezeichnet. 2021 erschien sein Buch «In Limbo. Ukraine 2013–2021».