Emmanuel Macron wollte die Wiedereröffnung von Notre-Dame zu einem globalen diplomatischen Ereignis machen. In Anwesenheit von Donald Trump, Wolodimir Selenski und Elon Musk präsentierte er der Welt französische Grösse. Sein eigenes Land dankt es ihm nicht.
Am 7. Dezember meinte es der Herrgott gut mit Emmanuel Macron, denn er liess es regnen und stürmen über Paris. Der französische Präsident musste seine Rede zur feierlichen Wiedereröffnung der Notre-Dame nicht auf dem Vorplatz halten. Er durfte im strahlend schönen Inneren der Kathedrale sprechen. So, wie er es immer wollte.
Wegen der strikten Trennung von Staat und Kirche in Frankreich hatten das viele für keine gute Idee gehalten. Aber wollte man es den vielen gekrönten Häuptern und Prominenten, die Macron zu diesem Anlass nach Paris eingeladen hatte, wirklich zumuten, bei Regenschauern und Windböen bis zu 80 Kilometer pro Stunde unter einem Zeltdach zu sitzen? Am Ende musste sich der Erzbischof Laurent Ulrich geschlagen geben.
Symbol für Frankreichs Einheit
«Heute Abend läuten die Glocken von Notre-Dame von Neuem», sagte der Präsident der Republik sichtlich ergriffen, als er ans Rednerpult trat. «Und die Orgel wird im nächsten Moment erwachen. Musik der Hoffnung, die den Parisern, Frankreich und der Welt vertraut ist.»
Rund 40 Staats- und Regierungschefs hatten Macron und seine Frau Brigitte am frühen Abend empfangen, unter ihnen der künftige amerikanische Präsident Donald Trump, der ukrainische Staatschef Wolodimir Selenski, der Tech-Milliardär Elon Musk und der britische Thronfolger Prinz William. Aus Italien waren Präsident Sergio Mattarella und Regierungschefin Giorgia Meloni angereist, aus Deutschland Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz hielt es nicht für nötig zu kommen.
Sie alle nahmen Platz, noch bevor der Erzbischof Laurent Ulrich das Zeremoniell der Einweihung begann: Dreimal schlug der Geistliche mit seinem Hirtenstab an das Haupttor der Kathedrale, woraufhin ihm jedes Mal ein Chor mit einem Psalmengesang antwortete und erst nach dem dritten Schlag sich die schweren Türen öffneten. Fast fünf Jahre und acht Monate nach dem verheerenden Grossbrand am 15. April 2019 hatte Ulrich die Notre-Dame damit offiziell den Gläubigen übergeben. Nach dem ersten Gottesdienst am Sonntag soll sie ab Montag auch der Öffentlichkeit wieder zugänglich sein.
Der französische Präsident erinnerte an die bangen Stunden, als die Kathedrale in Flammen stand und die Sorge bestand, dass das Gotteshaus komplett abbrennen könnte. Zum Glück sei es gelungen, den Brand zu löschen. «Wir beschlossen, Notre-Dame de Paris wieder aufzubauen, noch schöner, innerhalb von fünf Jahren», sagte Macron. Möglich gemacht habe dies ein grosser Schulterschluss. «Eine Bruderschaft derer, die auf allen Kontinenten gespendet haben, aller Religionen, aller Vermögen, die durch die Hoffnung vereint und in ihren Mauern versammelt sind.»
Macron hält sich selbst zugute, dass der Wiederaufbau so schnell über die Bühne gegangen ist. Den engen Zeitplan hatte er vorgegeben. Doch die Dankbarkeit im Land hält sich in Grenzen. Der französische Präsident ist in diesen Tagen so unbeliebt wie nie. Laut einer aktuellen Umfrage wollen 64 Prozent der Franzosen seinen Rücktritt.
In einer Fernsehansprache am Donnerstag schloss Macron das für sich aus. Und er ärgerte sich über den Sturz der Regierung, der durch einen vereinten Misstrauensantrag der linken und rechten Opposition zustande kam. Dass die politische Krise eine direkte Folge seiner fatalen Entscheidung vom Juni ist, das Parlament aufzulösen, ist, stritt er ab. Statt dessen appellierte Macron im Fernsehen an die Einheit des Landes. Dafür, meinte er, sei die restaurierte Notre-Dame doch ein starkes Symbol. Gemeinsam sei man als Nation in der Lage, «grosse Dinge zu machen, Unmögliches zu vollbringen».
Am Samstag wirkte der französische Präsident geradezu erleichtert, als er den Niederungen der Innenpolitik für einige Stunden entkommen konnte und seine Gäste auf der Seine-Insel empfing. Die feierlichen Bilder aus der Kathedrale kann er gut gebrauchen. Als diplomatischen Coup durfte er ausserdem feiern, Trump und Selenski gemeinsam nach Paris geholt zu haben.
Für Trump war es die erste Auslandsreise seit seinem Wahlsieg im November. Der Notre-Dame-Liebhaber ist vielen Franzosen nicht unbedingt in bester Erinnerung: In der Brandnacht hatte er Frankreich den Ratschlag erteilt, Löschflugzeuge einzusetzen – was nach Einschätzung des Zivilschutzes den Einsturz des gesamten Gebäudes zur Folge gehabt hätte.
Diplomatischer Coup
Der ehemalige französische Botschafter in Washington Gérard Araud hält die Einladung an Trump für einen «grossartigen Schachzug», der an die enge Beziehung zwischen den beiden Männern sein während Trumps erster Amtszeit anknüpfen könnte. Die war zwar voller Höhen und Tiefen, Macron konnte Trump zum Beispiel kaum davon abhalten, das Pariser Klimaabkommen zu verlassen oder einen Handelsstreit mit der EU zu beginnen. Trotzdem könnte sich Macron mit der Geste eine gute Ausgangsposition für zukünftige Verhandlungen sichern.
Trump und Selenski trafen sich in Paris zum ersten Mal seit den amerikanischen Wahlen. Als Selenski die Notre-Dame betrat, brandete Applaus in der Kathedrale auf. Eine knappe Stunde hatte er zuvor mit Trump und Macron im Élysée-Palast über den Krieg in der Ukraine gesprochen. Das Zusammenkommen sei gut und produktiv gewesen. «Präsident Trump ist, wie immer, resolut. Ich danke ihm dafür», schrieb Selenski auf X. «Wir alle wollen, dass dieser Krieg so schnell wie möglich und auf gerechte Weise beendet wird.»








