Amerika sollte in der Arktis mit Grönland kooperieren. Mit dem diplomatischen Zweihänder erreicht Washington aber das Gegenteil. Das nützt Russland und China.
Ein Land sagt unmissverständlich, es wolle keine Spitzendelegation aus Washington empfangen. Doch die hochrangigen Besucher beharren auf ihren Reiseplänen. Sie schicken einen Voraustrupp mit gepanzerten Limousinen und Sicherheitspersonal. Alles nur eine Privatvisite, behaupten sie. Dieses Schauspiel führen die Amerikaner in Grönland auf.
Das Publikum, Grönlands Bevölkerung, kommt sich veräppelt vor, zumal die ungebetenen Gäste mit sonderbaren Gründen Einlass begehren. Die «Second Lady» der USA, Usha Vance, kündigte sich zunächst als Zuschauerin eines Hundeschlittenrennens an. Sie bekundete leidenschaftliches Interesse für die grönländische Kultur. Dann meldete das Weisse Haus, der Vizepräsident sei auch mit von der Partie. Er wolle den ganzen Spass nicht alleine seiner Frau überlassen, scherzte J. D. Vance.
Looking forward to visiting Greenland on Friday!🇺🇸 pic.twitter.com/p3HslD3hhP
— JD Vance (@JDVance) March 25, 2025
Wenn der vermeintliche Beschützer droht
Spass steht für Vance wohl kaum im Vordergrund. Dass sich die Amerikaner für Gebräuche der Inuit begeistern, tönt wie ein Witz. Doch den Grönländern ist das Lachen schon längst vergangen. Donald Trump will die grösste Insel der Welt «bekommen»; sei es über einen Kaufvertrag oder unter Androhung von Gewalt. Trump lässt nicht locker. Das macht die Mission seines Vize deutlich.
Niemand bestreitet, dass die ressourcenreiche Insel – sie gehört zu Dänemark – Amerikas geopolitische Interessen tangiert. Und die Regierung in Washington hat recht, wenn sie Kopenhagen vorwirft, die Verteidigung Grönlands sträflich vernachlässigt zu haben. Die US-Administration betont, Grönland werde von zahlreichen Ländern bedroht. Amerika sei daher als Beschützer gefragt. Tatsächlich nehmen Russland und China in der Arktis verstärkt Einfluss. Wenn sich die Grönländer aber von jemandem direkt bedroht fühlen, dann sind dies primär die USA. Trump dachte sogar laut darüber nach, die Insel militärisch zu erobern.
Fragwürdige Taktik
Die Administration Trump foutiert sich um diplomatische Gepflogenheiten. Das muss nicht nur schlecht sein. Trumps aggressiver Stil brachte die Europäer schliesslich dazu, mehr Verantwortung in der Verteidigungspolitik wahrzunehmen. Er hat auch Dänemark aus dem Schlaf der Sorglosen geweckt.
Was der rabiate Kurs gegenüber Grönland aber bewirken soll, ist schleierhaft. Ein Abkommen räumt den Vereinigten Staaten schon jetzt die Möglichkeit ein, die militärische Präsenz auf Grönland zu erhöhen. Auch zeigte sich die politische Führung in Nuuk bereit, mit der Grossmacht wirtschaftlich enger zu kooperieren.
Mit seiner Machtdemonstration riskiert Amerika, das Verhältnis zum arktischen Nachbarn nachhaltig zu schädigen. Der mutmasslich nächste Regierungschef, Jens-Frederik Nielsen, verurteilte den ungebetenen Besuch als «aggressiven Akt». Grönland steckt mitten in den Koalitionsverhandlungen. Dass die amerikanische Delegation inzwischen ihr Programm anpasste und sich ausschliesslich im amerikanischen Militärstützpunkt Pituffik aufhalten wird, macht den Besuch nicht harmloser.
Die Abneigung der Bevölkerung gegenüber Amerika scheint jene gegenüber Dänemark zu übertreffen. Lange wurden die USA als die bessere Alternative zur verhassten Kolonialmacht gesehen. Doch hat es Trump innerhalb weniger Monate geschafft, diese positive Haltung zunichtezumachen.
Kopenhagen erholt sich nur langsam vom Schock, plötzlich gegen einen der vermeintlich besten Freunde, den Nato-Partner Amerika, ankämpfen zu müssen. Man fühlt sich auch von den europäischen Verbündeten alleingelassen. Nach anfänglicher Empörung über Trumps Grönland-Avancen schweigen die Hauptstädte in der übrigen EU. Dänemark ist auf sich allein gestellt.
Das westliche Lager ist mit sich selber beschäftigt
Das Hauen und Stechen zwischen Washington, Nuuk und Kopenhagen erfreut indes China und Russland. Sie manifestieren ihre Ambitionen in dieser Weltgegend zunehmend selbstbewusst. Russland hat seine militärische Präsenz in der Arktis erheblich ausgebaut. China investiert massiv in Rohstoffförderung und neue Handelsrouten. Den autoritären Grossmächten kommt es gelegen, wenn das westliche Lager über Kreuz liegt.