Der Titelhalter Kansas City wird im Super Bowl mit 22:40 gedemütigt. Beim Champion Philadelphia stechen mit dem General Manager Howie Roseman und dem Quarterback Jalen Hurts zwei Männer aus einem überragenden Kollektiv heraus.
Es ist lange her, seit der auf Parität getrimmte nordamerikanische Sport in den vier grossen Profiligen einen «Three-peat» erlebt hat, drei Titel in Serie. Die Basketballer der Los Angeles Lakers schafften das zwischen 2000 und 2002 mit den Lichtgestalten Kobe Bryant und Shaquille O’Neal.
Den Kansas City Chiefs bot sich in der Nacht auf Montag die Gelegenheit, sich als erstes Team in der Historie der National Football League (NFL) mit diesem Meritum zu verewigen. Doch das Team um den Quarterback Patrick Mahomes scheiterte in einem der einseitigsten Super Bowls des 21. Jahrhunderts kläglich. Nach einem unwürdigen Beginn lagen die Chiefs schon zur Halbzeit mit 0:24 zurück.
Sie mussten sich den Philadelphia Eagles geschlagen geben, jenem Widersacher, den sie vor zwei Jahren in einer spektakulären Partie noch niedergerungen hatten. In New Orleans aber hatten sie dem Aussenseiter nichts entgegen zu setzen – die Chiefs wurden in ihre Einzelteile zerlegt.
Philadelphias brillanter Manager wurde einst von allen 32 NFL-Teams abgewiesen und hat eine Tellerwäscherkarriere hinter sich
Der Triumph der Eagles ist nicht zuletzt das Machwerk von Howie Roseman. Roseman, 49, ist der General Manager Philadelphias – und hat eine Tellerwäscherkarriere hinter sich, wie Amerika sie liebt. Roseman setzte sich als Heranwachsender in den Kopf, irgendwann eine leitende Position bei einem NFL-Team zu bekleiden. An der Highschool schrieb er mehr als 1000 Briefe an die 32 Teams mit der Bitte, ihm doch bitte eine Chance zu geben, immer wieder, mehrmals pro Jahr. «Die Absagen stapelten sich bis zur Decke meiner Wohnung», sagte Roseman später einmal. Im Sommer 2000 begann er in Philadelphia als unbezahlter Praktikant. Zehn Jahre später wurde er zum jüngsten General Manager der Liga.
Nach einem verlorenen Machtkampf musste er im Winter 2014 ins zweite Glied zurückweichen und nutzte diese Zeit, um sich weiterzubilden. Die notorisch angriffslustige Sportpresse Philadelphias verabschiedete gab ihm zum Abschied eine Breitseite mit: «Howie Rosemans Vermächtnis: Ein Manager ohne Vision», lautete eine Schlagzeile.
Roseman reiste nach Europa und hospitierte unter anderem bei Fussballteams. «Rückblickend war es das beste, was mir passieren konnte. Ich hätte nicht gedacht, dass ich in Philadelphia noch einmal eine wichtige Position besetze. Aber ich wollte alles dafür unternehmen, um parat zu sein, sollte die Chance doch kommen», sagte er vor einigen Jahren.
Und tatsächlich standen die Chancen schlecht – schliesslich hat schon F. Scott Fitzgerald, der Autor des Grossen Gatsby, einmal geschrieben, es gebe in einem amerikanischen Leben keinen zweiten Akt.
Bei Roseman gab es diesen sehr wohl: 2016 wurde er aus der Besenkammer zurück in die Verantwortung geholt. Seither haben die Eagles in acht Jahren sieben Mal die Play-offs geschafft. Sie standen drei Mal im Super Bowl. Und gewannen ihn zwei Mal. Es ist die mit Abstand erfolgreichste Ära in der Geschichte dieser Organisation.
Am in der Nacht auf Montag in New Orleans errungenen Titel hat Roseman enormen Anteil. Er investierte massiv in die Offensive und Defensive Line, in jene Positionen, die für die Protektion beziehungsweise das Jagen der Quarterbacks zuständig sind. Mahomes stand permanent unter Druck, vor allem deshalb dominierten die Eagles nach Belieben.
Und Roseman war es auch, der dem Rivalen New York Giants den Running Back Saquon Barkley ausspannte. Es ist eine Position, die in der NFL in den letzten Jahren drastisch an Wert verloren hatte. Die Teams investierten kaum noch in Akteure für das Laufspiel, weder im Draft, noch mit Dollars. Running Backs sind austauschbar und müssen günstig sein, das war die vorherrschende Meinung in der Liga. Die Eagles aber setzten einen Gegentrend und gaben Barkley einen mit 37,75 Millionen Dollar dotierten Dreijahresvertrag. Barkley bedankte sich, indem er die produktivste Saison der NFL-Geschichte spielte. Neben dem Quarterback Jalen Hurts war er der wichtigste Individualist bei den Eagles.
Die Entourage des MVP Jalen Hurts besteht ausschliesslich aus Frauen
Hurts, 26, wurde als Super Bowl-MVP ausgezeichnet, als wertvollster Spieler. Die Eagles drafteten ihn 2020 in der zweiten Runde. Ein ESPN-Kommentator sagte sichtlich irritiert: «Selbst auf seinem allerbesten Level ist Hurts nicht einmal annähernd gleich gut wie Carson Wentz.» Wentz, 32, war damals der Nummer-1-Quarterback der Eagles. Inzwischen ist er ein nie berücksichtigter Reservist bei den Chiefs; Hurts löste ihn und sein verblüffend fragiles Ego innert kürzester Zeit ab.
Mit seiner überragenden Darbietung gegen die Chiefs hat Hurts seine noch vor kurzem zahlreichen Kritiker mundtot gemacht. Womöglich wurde ihm in der Machowelt NFL auch deshalb mit so viel Skepsis begegnet, weil er eine Anomalie darstellt: Sein persönliches Team besteht exklusiv aus Frauen, er vertraut unter anderem der Agentin Nicole Lynn. Kurz nachdem er sich für sie entschied, sagte ihm ein anderer Berater: «Hey, wenn es mit dem Baby Girl nicht klappt, ruf uns an. Sie ist süss . . . Aber du weisst schon.»
Nun, Hurts musste die Konkurrenz nicht anrufen. Lynn handelte für ihn einen mit 255 Millionen Dollar dotierten Vertrag aus. Und nun hat er den Football-Olymp erklommen. Die Bemerkung, sagt Hurts, habe ihn damals sehr geärgert: «Frauen haben oft mehr Schritte als Männer zu gehen und sind daher auch entschlossener. Ich beobachte das immer wieder: Dass Frauen mindestens das Gleiche leisten wie Männer und dafür aber weniger Beachtung kriegen. Wenn es hilft, dass ich das Thema anspreche, dann tue ich das gerne.»
Vielleicht nützt es sogar bei Personen wie Harrison Butker etwas, dem Kicker der unterlegenen Chiefs, wer weiss. Butker hatte 2024 sinngemäss gesagt, Frauen seien am Herd besser aufgehoben. Es muss ihn geschmerzt haben, dass Hurts und seine Entourage ihn auf der grösstmöglichen Bühne im gleissenden Scheinwerferlicht der Weltmedien so eindrücklich widerlegten.
Auf Philadelphia wartet eine lange Partynacht. Die Bürgermeisterin Cherelle Parker hatte sich am Freitag mit flehenden Worten an die Bevölkerung gewandt: Man möge bitte auf keine Strassenlaternen klettern, egal was geschehe. Angesichts der habituell rabiaten und schwer zu zügelnden Anhängerschaft in der Stadt dürfte das ein frommer Wunsch sein – in Philadelphia ist das bei ausgelassenen Siegesfeiern zu einer eigenartigen Tradition geworden.