Am 14. Oktober 1066 besiegte der normannische Herzog Wilhelm den Angelsachsen Harold Godwinson bei Hastings. Im historischen Gedächtnis Englands hinterliess die Schlacht tiefe Spuren.
Die Schlacht von Hastings hat ihren festen Platz auf der Karte der englischen, ja europäischen Erinnerungsorte. Der die Eroberung darstellende Teppich von Bayeux ist heute als der mittelalterliche «Cartoon» schlechthin Teil der Pop-Kultur. Die normannische Eroberung Englands ist ein fester Bestandteil zumindest französischer und englischer Schulcurricula.
Dies zu Recht, denn der Sieg des Herzogs der Normandie, Wilhelm, über den König Englands, Harold, veränderte die politische Tektonik des Nordseeraums und führte zu tiefgreifenden gesellschaftlichen Veränderungen. Hastings war eine der in einer kriegerischen Welt verhältnismässig selten geschlagenen Entscheidungsschlachten. Es ging um alles, um Sieg oder Niederlage, um Leben und Tod. Warum aber?
Als der englische König Eduard der Bekenner am 4. oder 5. Januar 1066 kinderlos starb, war seine Nachfolge nicht eindeutig geregelt. Er selbst hatte zu seinen Lebzeiten mal diesen, mal jenen favorisiert, aber eine verbindliche, von den Mächtigen Englands allseits anerkannte Regelung bestand zum Zeitpunkt seines Todes nicht.
Wer neuer englischer König werden würde, war weniger eine Frage von Verfahren und Recht als eine von Entschlussfreudigkeit und Durchsetzungskraft. In England gab es zwei offensichtliche Anwärter. Eduards Grossneffe Edgar Ætheling, den der König möglicherweise zuletzt als seinen Nachfolger auserkoren hatte, und Eduards Schwager, Harold Godwinson, den mit Abstand mächtigsten Adligen Englands.
Das Reich im Norden
Harold, ein erfahrener Kämpe, liess dem etwa 14-jährigen Edgar keine Chance. Sämtliche innerenglischen Debatten wurden im Keim erstickt, als er sich bereits am 6. Januar in Westminster zum König krönen liess. Doch Eduards Tod weckte Begehrlichkeiten im gesamten Nordseeraum. In der Normandie regte sich Herzog Wilhelm, in Dänemark, wenn auch nur sehr zögerlich, König Sven und in Norwegen König Harald.
Das englische Königtum bot vielerlei Anreize. Da war zunächst einmal die königliche Würde selbst. Der englische König war bei weitem der bedeutendste Herrscher auf den Britischen Inseln. Gerade für den Normannenherzog Wilhelm war der königliche Rang von besonderer Bedeutung. Er würde ihn auf eine Stufe mit den anderen gesalbten Häuptern stellen.
Dies war insbesondere im Verhältnis zum französischen König von Interesse, pflegten die normannischen Herrscher doch das Narrativ, dass sie dem französischen König gegenüber etwa gleichrangig waren. Der englische Königstitel würde diesen Anspruch auch nominell unterstreichen. Aber England bot mehr als eine bedeutende Würde. Das Königreich war für seinen Wohlstand und seine erheblichen Ressourcen bekannt. Und schliesslich war England ein Schlüsselbaustein für ein die Nordsee umspannendes Reich.
Knut der Grosse hatte bis zu seinem Tod 1035 zumindest für fünf Jahre über Dänemark, Norwegen und England geherrscht. Sein Sohn Hardaknut war bis 1042 noch König von England und Dänemark gewesen. Die Erinnerungen daran waren ein Vierteljahrhundert später noch nicht verblasst und dürften für Sven und Harald eine Rolle gespielt haben.
Der grosse Aggressor
Wilhelm, Harald und Sven reagierten unterschiedlich auf Harolds Coup. Während Sven abwartete, stellten Wilhelm und Harald jeweils Armeen für einen Grossangriff zusammen. Für Wilhelm dürften dafür neben der Aussicht auf den königlichen Rang zwei weitere Aspekte ausschlaggebend gewesen sein. Er gehörte zu dem Kreis der Männer, die in der Vergangenheit mit Eduards Nachfolge in Verbindung gebracht worden waren.
Er mag tatsächlich davon überzeugt gewesen sein, legitime Ansprüche auf die Nachfolge besessen zu haben, auf jeden Fall bessere als Harold. Auch der Gedanke, dass ein von Harold geführtes Königreich eine militärische Bedrohung für die Normandie darstellen konnte, mag für Wilhelms Handeln von Bedeutung gewesen sein.
Der normannische Sieg von 1066 verstellt leicht den Blick darauf, dass Attacken auch in umgekehrter Richtung ablaufen konnten. So hatten zu Beginn des Jahrhunderts Schiffe König Æthelreds das Cotentin angegriffen, die französische Halbinsel im Ärmelkanal. Aber vor allem entsprach der Griff zu den Waffen Wilhelms Art, Probleme zu lösen. So hatte er in den vergangenen Jahrzehnten seine Herrschaft in der Normandie gesichert, so hatte er sie in Nordwestfrankreich erweitert, und so gedachte er nun, sich die englische Krone zu sichern.
Wilhelm war ohne Frage einer der grossen Aggressoren seiner Zeit. Der norwegische König Harald, dessen Beiname Hardrade, der harte Herrscher, Bände spricht, stand ihm allerdings in nichts nach. Der Krieg war von Kindesbeinen an sein Geschäft gewesen. Sein Ruf als erfolgreicher Kriegsherr hatte ihm den Weg zum norwegischen Thron geebnet. Dann allerdings brachten langjährige Auseinandersetzungen mit Dänemark nicht den erhofften Gewinn. Der Tod Eduards bot ihm und seinen Gefolgsleuten eine neue Chance.
Ein Berg mit ausgebleichten Knochen
König Harold sah sich also gleich zwei formidablen, durch ihre Härte berühmt-berüchtigten Gegnern gegenüber. Die Folge waren drei grosse Schlachten innerhalb weniger Wochen im September und Oktober 1066. Die Kampfzone war zunächst die Region um York im Osten Nordmittelenglands. Dort griff Harald an.
York war der Vorort Mittel- und Nordenglands und seit dem 9. Jahrhundert Anlaufstelle für Skandinavier. Die Stadt war Haralds Schlüssel zum englischen Königreich, zumal es denkbar ist, dass er sich mit einer Teilung des Reichs zufriedengegeben hätte – ein Modell, das noch 1035 zum Einsatz gekommen war. Am 20. September schlug Harald bei Fulford Gate ein erstes englisches Aufgebot vernichtend. Darüber unterrichtet, zog Harold sofort gen Norden und überraschte den norwegischen König nur fünf Tage später bei Stamford Bridge.
Harold siegte. König Harald und die meisten seiner Gefolgsleute kamen ums Leben. Noch im frühen 12. Jahrhundert habe, so ein Chronist, ein Berg ausgebleichter Knochen vom Ort und vom Grauen der Schlacht gezeugt. Harold selbst blieb keine Zeit, den Sieg zu besingen, denn schon erreichte ihn die Nachricht von der Ankunft Herzog Wilhelms im Süden seines Königreichs. Trotz den bei Stamford erlittenen Verlusten erachtete es Harold als die beste Strategie, gegen Wilhelm ebenfalls die Entscheidung in der Schlacht zu suchen. Im Süden Englands, in Wessex, lagen Harolds Kernlande.
Er konnte sie Wilhelm nicht kampflos überlassen, wollte er sein junges Königtum nicht selbst infrage stellen. Am 14. Oktober kam es bei Hastings zum Aufeinandertreffen der beiden jeweils mehrere tausend Mann zählenden Armeen. Harold hielt mit seinen weitgehend zu Fuss kämpfenden Truppen eine Anhöhe, während Wilhelm und seine Reiter zu Pferd angriffen.
«Wie ein Baum in Stücke gehackt wird»
Wie schon wenige Tage zuvor bei Stamford Bridge entspann sich ein genauso heftiges wie zähes Ringen. Immer wieder zerschellten die normannischen Angriffswellen am angelsächsischen Schildwall, der, wie es heisst, so dicht stand, dass die Toten nicht umfallen konnten. Wilhelm selbst entkam dem Tod mehrmals nur um Haaresbreite. Einmal verbreitete sich das Gerücht, er sei gefallen, und nur mit grosser Mühe gelang es dem Herzog, seine schon fliehenden Truppen wieder zu ordnen.
Seinen Helm zurückschiebend, ritt er durch die sich auflösenden Reihen und spornte sie zu erneutem Kampf an. Im Nachhinein war es wohl dieser Moment, in dem Harold die Schlacht für sich hätte entscheiden können, wenn er den Befehl zu einem umfassenden Angriff gegeben hätte. Stattdessen aber wiesen einzelne aus der englischen Phalanx ausbrechende Krieger den Normannen den Weg, wie sie die Verteidiger schwächen konnten. Wiederholt fingierten sie Rückzüge, um die Männer Harolds aus der Defensive zu locken.
Der entscheidende Durchbruch gelang am Abend aber mit einem anderen taktischen Mittel. Wilhelm liess seine Bogenschützen einen Pfeilhagel auf die Verteidiger herabregnen, um mit nur leichter Verzögerung erneut anzugreifen. Diesmal gelang der Durchbruch. «So wie ein Baum, an den die Axt gelegt wird, in Stücke gehackt wird, so wurde der englische Wald auf ein Nichts reduziert», kommentierte ein Zeitgenosse das Geschehen. Wilhelm hatte gesiegt. Müde und abgekämpft verbrachte er die anschliessende Nacht unter den Toten und Verletzten auf dem Schlachtfeld.
Er wusste, wie eng Sieg und Niederlage beieinandergelegen hatten. Gleichwohl gab es keinen Zweifel über Wilhelm als den Gewinner des Tages. König Harold, seine Brüder Gyrth und Leofwin und zahlreiche andere Mitglieder der englischen Führungsschicht hatten ihr Leben gelassen. Zwar wurde in London Edgar Ætheling, der in Hastings nicht gekämpft hatte, gegen Wilhelm in Stellung gebracht, doch der Eroberer brach diesen Widerstand rasch. An Weihnachten 1066 liess sich Wilhelm in Westminster zum König krönen.
England rückt zum Kontinent
Gekrönt zu werden, war das eine, die Herrschaft über das gesamte Königreich zu erlangen, das andere. Im ersten Jahrzehnt seiner Herrschaft hatte Wilhelm immer wieder mit Aufständen zu tun. Dabei handelte es sich nicht um landesweit koordinierte Aktionen, sondern um regionale Phänomene. Insbesondere im Norden Englands fand Wilhelms Herrschaft wenig Anerkennung. Stattdessen gewann Edgar Ætheling dort an Zulauf. Dazu trat 1069/70 der dänische König Sven auf den Plan, dessen zahlreiche Schiffe Englands Ostküste bedrohten.
Wilhelm reagierte unterschiedlich. Die Widerstände in Northumbrien unterdrückte er mit erbarmungsloser Härte. Wilhelms Vorgehen war so brutal, dass es selbst im entfernten Mainz von einem Chronisten festgehalten wurde. Die dänische Herausforderung löste er hingegen so, wie dies englische Herrscher in früheren Zeiten regelmässig mit skandinavischen Flotten getan hatten: Er bezahlte Sven für seinen Abzug. 1076 schliesslich liess Wilhelm nach der Niederschlagung eines weiteren Aufstandes mit Waltheof den letzten sich noch in Freiheit befindenden angelsächsischen Earl exekutieren.
Die Folgen der Eroberung waren erheblich. Das politische Ordnungsgefüge Nordwesteuropas wurde auf Jahrhunderte hinaus neu konfiguriert. England wurde viel stärker als zuvor mit dem Kontinent verflochten, während sich die traditionell engen skandinavischen Bindungen abschwächten. Die Umwälzungen in England selbst gingen weit über den Abtransport zahlreicher Schätze in die Normandie hinaus. Es kam zu einem de facto vollständigen Elitenaustausch.
Suchte Wilhelm zu Beginn seines Herrschaftsantritts noch die Kooperation mit der alten Führungsschicht, so änderte sich sein Vorgehen als Folge der immer wieder aufflackernden Widerstände, zumal seine vorwiegend normannischen Gefolgsleute für ihren Einsatz reich entlohnt werden wollten. Die neuen englischen Herren kamen vom Kontinent, hauptsächlich aus der Normandie, aber auch aus den benachbarten Regionen wie der Bretagne oder Flandern.
Die Sprache des Hofs
Insgesamt migrierten bis 1086 wohl etwa 10 000 Personen, wobei die Adligen oftmals auf beiden Seiten des Kanals begütert blieben. 1086 verzeichnete das «Domesday Book» nur mehr dreizehn Angelsachsen, die unmittelbar vom König ihr Land erhielten. Der Personalaustausch erstreckte sich auch auf die Kirche, wo Bischöfe und Äbte mit Männern vom Kontinent ersetzt wurden. Das bedeutete nicht, dass es keine Kontinuitäten gegeben hätte. Die Einteilung des Königreichs in Grafschaften als administrative Einheiten königlicher Verwaltung blieb beispielsweise bestehen. Doch gaben nun dort die Normannen den Ton an.
Die neuen Herren brachten ihre Sprachen mit. Das Altenglische hatte bis dahin nicht nur die Umgangs-, sondern auch die Schriftsprache dominiert. Latein war zwar geläufig, doch anders als auf dem Kontinent dominierte Latein die herrschaftlich-administrative Schriftlichkeit nicht. Das änderte sich innerhalb weniger Jahre nach der Eroberung. Im Bereich der Umgangssprache löste das normannische Altfranzösisch das Altenglische als Sprache der Führungsschicht ab und wirkte gerade in den Jahrzehnten nach der Eroberung als soziales Distinktionsmerkmal.
Es blieb in seinen verschiedenen Entwicklungsstufen die Sprache des königlichen Hofs bis ins späte Mittelalter. Aufgrund der fehlenden Masse von Sprechenden konnte das Altfranzösische das Altenglische allerdings nicht verdrängen. Im Gegenteil, das französische Vokabular und Teile der Syntax wurden Teil des Englischen, das sich in seiner mittelenglischen Form spätestens im 12. Jahrhundert als (zweite) Umgangssprache auch innerhalb des normannischen Adels durchsetzte.
Eine andere bis heute die englische Landschaft prägende Folge der Eroberung waren die neuen Burgen und Kirchen, die in grosser Zahl durch die erste Generation der Eroberer gebaut wurden. Der Tower in London oder die Kathedralen von Canterbury und Winchester, etwas später dann von Durham sind bekannte Beispiele.
Gottes Urteilsspruch
Sie schufen sich Platz. In den Städten mussten den Burgen zahlreiche Häuser weichen. Lange gefragt wurde dabei nicht. Angelsächsische Kirchen wurden dem Boden gleichgemacht, und neue, massive, den Himmel geradezu zu berühren scheinende Bauten wurden errichtet. Auch wenn sie gelegentlich angelsächsische Motive aufnahmen, brachten diese Kirchenbauten eine neue Formensprache ins Land – eine Sprache, die mit ihren Bauherren verknüpft war.
Diese Bauten erinnern bis heute an die Eroberung; eine Erinnerung, die in den Schriften von Beginn an durch den normannischen Legitimationsdiskurs geprägt wurde. Wilhelm wollte nicht als Aggressor betrachtet werden. Sein bereits vor dem Kriegszug entwickeltes Kernargument war, dass ihm die Nachfolge Eduards schon zu dessen Lebzeiten versprochen worden war; ein Versprechen, das darüber hinaus von Harold bekräftigt worden war, der ihm selbst eidlich Unterstützung zugesagt hatte.
Wilhelm tat aus seiner Sicht also nichts anderes, als einen Usurpator und Eidbrecher zu beseitigen und die rechtmässige Thronfolge anzutreten. Dazu trat das Argument, dass selbst der Papst den Kriegszug gebilligt und als Zeichen seiner Zustimmung Wilhelm sein Banner übersandt habe. Mit dem Sieg bei Hastings konnte dieses Narrativ schliesslich mit dem Diktum des Gottesurteils gekrönt werden.
Die sehr viel leiseren zeitgenössischen englischen Stimmen hatten dem kaum etwas entgegenzusetzen. Für den Autor der Angelsächsischen Chronik wurde 1066 alles nur schlimmer und schlimmer. Besonders die Gewalt scheint ihm zugesetzt zu haben. Viel Leid hätte man sich ersparen können, wenn die Londoner nach Hastings Wilhelm nicht noch weiter Widerstand geleistet hätten. Letztlich konnte auch er sich die Ereignisse nur durch Gottes Willen erklären. Das sündige Verhalten der Engländer sei durch die Eroberung bestraft wurden.
Ein neuer Heiliger
Als sich im frühen 12. Jahrhundert eine Reihe von Autoren daranmachte, englische Geschichte zu schreiben, war es ihnen wichtig, die Eroberung nicht als Bruch verstanden zu wissen. Sie war Teil der englischen Geschichte und geschah, trotz allen damit verbundenen Unbilden, um – sehr verkürzt ausgedrückt – das englische Volk wieder auf den rechten Weg zu bringen.
In gewisser Weise wurde damit Wilhelms Narrativ der Kontinuität akzeptiert. Dazu passte dann auch die ungefähr gleichzeitig stattfindende Wiederentdeckung von Rechtssammlungen, die in England vor 1066 entstanden waren. Diese ambivalente Bedeutung der Eroberung als kathartische Verknüpfung des Alten mit dem Neuen sollte auch ihre zukünftige Wahrnehmung prägen.
Im 13. Jahrhundert wurde Eduard der Bekenner der Hausheilige der englischen Monarchie schlechthin, doch der Sohn und Nachfolger König Heinrichs III. war nicht Eduard III., sondern Eduard I. nach der Eroberung. Vor Gericht schwächte sich zwar die Bedeutung der Eroberung als Referenzpunkt für Besitzverhältnisse ab, doch ganz bedeutungslos wurde sie nicht.
Anfang des 14. Jahrhunderts brachte der unbekannte Autor des «Modus Tenendi Parliamentum» die Situation auf den Punkt, als er erklärte, dass das Parlament zu Zeiten Eduards abgehalten worden sei und Wilhelm, der selbst befohlen habe, ihm darüber Auskunft zu geben, diese Praxis für gut befunden und befolgt habe: Wilhelm als Garant dafür, die gute, durch Eduard etablierte Praxis fortzuführen.
Geteiltes Erbe
In den folgenden Jahrhunderten verlief das Interesse an der normannischen Eroberung wellenförmig. Während die Loslösung von Rom unter Heinrich VIII. im 16. Jahrhundert die historische Aufmerksamkeit der Gelehrten eher auf die Frage der päpstlichen Intervention in englischen Angelegenheiten und damit weg von 1066 richtete, sorgte zunächst die erste Drucklegung der Autoren des frühen 12. Jahrhunderts gegen Ende 16. Jahrhunderts wieder für ein zunehmendes Interesse an den Ereignissen von 1066.
Mit der Nachfolge des schottischen Königs Jakob I. auf den englischen Thron 1603 verstärkte sich dies, rückte doch angesichts der von Jakob angestrebten Reformen die Frage nach den englischen Rechtstraditionen in den Fokus. 1066 wurde so erneut zum Spielball im Kräftemessen der zeitgenössischen politischen Auseinandersetzung.
Eine weitere Volte erlebte die Deutung von 1066 im 19. Jahrhundert, als die mittelalterliche Lesart von 1066 als verbindendes Element der Zeit vor und nach Hastings im Zuge des Nationalismus heftig attackiert wurde. Für ein Geschichtsbild, das im angelsächsischen Königreich den mittelalterlichen Identitätskern der englischen Nation sah, konnte die Eroberung durch einen Auswärtigen nichts Gutes verheissen. Diese Sichtweise setzte sich aber weder im wissenschaftlichen noch im populären Diskurs durch.
Heute diskutiert die Wissenschaft differenziert die Frage von Kontinuität und Wandel, während eine bemerkenswerte Präsenz in den Medien und Lehrplänen das öffentliche Bild der damaligen Ereignisse prägt. Eine wissenschaftliche Studie kam 2013 zum Ergebnis, dass das Datum 1066 in England überwiegend nicht als ein Feindbilder evozierendes Ereignis, sondern als Teil der englischen Geschichte, als Teil des englischen kulturellen Erbes wahrgenommen wird. Als solch geteiltes Erbe, so die Autorin der Studie, Siobhan Brownlie, besitze es heute einheitsstiftenden Charakter. Die Autoren des frühen 12. Jahrhunderts wären wohl sehr einverstanden mit dieser Entwicklung.
Jörg Peltzer ist Professor für vergleichende Landesgeschichte in europäischer Perspektive mit dem Schwerpunkt Spätmittelalter an der Universität Heidelberg und British Academy Global Professor an der University of East Anglia, Norwich.
Die grössten Schlachten der Geschichte
rib. In der Geschichte Europas wurden unzählige Schlachten geschlagen. Sie forderten Millionen von Toten und brachten unermessliches Leid über die Menschen. In den kommenden Wochen publizieren wir an dieser Stelle Essays, die sich mit grossen Schlachten befassen und fragen, wie diese die Geschichte bestimmten. In der NZZ-Ausgabe vom 26. April schreibt der Schweizer Historiker und Publizist Markus Somm über die Schlacht bei Marignano.