Bei der Abstimmung über die 13. AHV-Rente wird bei hoher Beteiligung ein knappes Rennen erwartet. Ein Ja wäre historisch. Der Kampf um das Rentenalter hingegen scheint entschieden. Vorerst.
Zuerst waren es 61 Prozent. Dann noch 53. Und heute? Laut den SRG-Umfragen hat die Zustimmung zur Initiative der Gewerkschaften für eine 13. AHV-Monatsrente in den letzten Wochen deutlich nachgelassen. Wie die Abstimmung am Sonntag tatsächlich ausgeht, ist offen. Die Befürworter sind im Vorteil, aber ein knapper Ausgang ist möglich. Das Volksmehr genügt nicht, auch die Mehrheit der Stände muss zustimmen, damit der Ausbau der AHV zustande kommt.
Doch diese Hürde scheint weniger hoch zu sein als bei der Initiative für Konzernverantwortung, die 2020 am Ständemehr gescheitert ist. Im Unterschied zu damals variiert im Fall der AHV-Vorlage das Stimmverhalten zwischen Stadt und Land weniger stark. Dies lässt annehmen, dass die Initianten das Ständemehr auch bei knapper Zustimmung des Volkes erreichen können.
Der deutlich tiefere Graben verläuft bei dieser Abstimmung – getreu der Finanzierungslogik der AHV – zwischen den Generationen: Je älter die Stimmberechtigten, desto eher wollen sie laut den Umfragen zustimmen. Pensionierte würden finanziell unmittelbar profitieren, jüngere Altersgruppen hingegen müssten mit einer Reduktion ihrer Kaufkraft rechnen. Neben der Umverteilung von Jung zu Alt spielt auch jene von Reich zu Arm: Personen mit hohen Einkommen lehnen die Initiative eher ab; wer wenig verdient, stimmt eher zu.
Ein Krimi wie bei den Kampfjets?
Die ersten Resultate werden am Sonntag kurz nach Mittag vorliegen. Wann das definitive Ergebnis feststehen wird, hängt auch davon ab, wie eng das Rennen ausgeht. Bei der Abstimmung über den Kauf der neuen Kampfflugzeuge 2020, die mit 50,1 Prozent Ja-Stimmen sehr knapp ausging, stand das Resultat erst am späten Nachmittag fest.
Ein Ja zum milliardenschweren AHV-Ausbau wäre historisch. Bis anhin gehörte es zu den (vermeintlichen) Gewissheiten der direkten Demokratie in der Schweiz, dass die Linke mit ihren Volksinitiativen für den Ausbau des Sozialstaats keine Mehrheit überzeugen kann. Doch auch für die Altersvorsorge wäre die Einführung der 13. Rente ein einschneidendes Ereignis. Die letzte generelle Erhöhung der AHV datiert von 1979. Damals wurde auch die Regel eingeführt, dass die Renten regelmässig gemäss dem Mittelwert der Lohnentwicklung und der Teuerung erhöht werden (Mischindex). Dies führte dazu, dass sie seither deutlich stärker gestiegen sind als die Inflation.
Die Rentenerhöhung von 1979 war Teil einer umfangreichen Reform (9. AHV-Revision). Heute aber stimmt das Volk über einen einseitigen Leistungsausbau ab. Die Frage der Finanzierung lässt der Initiativtext offen. Darüber müssten Bundesrat und Parlament entscheiden – und am Ende wohl wieder das Volk. Klar ist, dass die AHV höhere Einnahmen benötigen würde, der Bund vermutlich ebenfalls. Der Zeitdruck wäre hoch, weil die 13. Rente zwingend ab 2026 ausbezahlt werden müsste.
Rentenalter bleibt ein Thema
Im Zentrum der Diskussionen stehen drei Optionen: Erhöhung der Mehrwertsteuer, Erhöhung der Lohnbeiträge und Erhöhung des Rentenalters. Egal, welche Variante die Politik wählt: Entweder muss dazu eine obligatorische Volksabstimmung stattfinden, oder aber es ist mit einem Referendum zu rechnen. Der Geldbedarf ist beträchtlich: Die Mehrkosten für die 13. Rente belaufen sich im ersten Jahr auf 4 Milliarden Franken, danach werden sie sukzessive auf 5 Milliarden und mehr steigen.
Die AHV steht auch bei der zweiten nationalen Abstimmung diesen Sonntag im Zentrum: Die Initiative der Jungfreisinnigen verlangt, dass das Rentenalter zuerst von 65 auf 66 Jahre erhöht wird. Danach soll ein rechtlich verbindlicher Automatismus dafür sorgen, dass das Rentenalter in Zukunft sukzessive weiter angehoben wird, solange auch die Lebenserwartung zunimmt. Der Vorschlag hat in den letzten Jahren eine intensive Debatte bewirkt, an der Urne dürfte er jedoch gemäss allen Umfragen deutlich scheitern.
Genf singt, St. Gallen wählt
Neben den zwei nationalen Abstimmungen finden am Sonntag auch kantonale Urnengänge statt. In Zürich entscheidet die Bevölkerung unter anderem über Pistenverlängerungen am Flughafen und die Uferweg-Initiative. In Genf geht es um die Verankerung der inoffiziellen Hymne, die Motorfahrzeugsteuern und anderes mehr. Die Walliser stimmen über eine neue Kantonsverfassung ab. In Solothurn wiederum geht es um eine Obergrenze für das Stellenwachstum der Kantonsverwaltung.
Gewählt wird ebenfalls. In St. Gallen, Schwyz und Uri finden kantonale Gesamterneuerungswahlen für Parlament und Regierung statt. In Basel-Stadt und Glarus muss je ein Sitz in der Regierung neu besetzt werden.
Resultate finden Sie ab Mittag an dieser Stelle.