Im vierten WM-Gruppenspiel kommt es am Donnerstag zum Duell gegen den grossen Nachbarn – die beiden Länder verbindet seit je eine innige Rivalität. 2024 rettete der WM-Viertelfinalsieg der Schweizer dem Nationaltrainer Patrick Fischer den Job.
Deutschland – Schweiz ist nicht nur im Fussball ein Klassiker. Der Vergleich mit dem grossen Nachbarn weckt auch im Eishockey besondere Emotionen. Nachhaltig in Erinnerung geblieben ist die Viertelfinalpartie an der Weltmeisterschaft 2010 in Mannheim. Die Schweizer verloren 0:1, danach entlud sich der Frust in einer wüsten Massenkeilerei, in der sich der Verteidiger Timo Helbling unter anderem den deutschen Assistenztrainer Ernst Höfner vorknöpfte. Der beinharte Verteidiger erinnerte sich später: «Es war eine riesige Enttäuschung, wir waren so nahe an einem Exploit. Zum Schluss wurde es emotional, und es ging drunter und drüber.»
An der Bande der Schweizer stand damals Sean Simpson, der Coach der Deutschen war die NHL-Legende Uwe Krupp, der sich in der vergangenen Saison als glückloser Nothelfer im HC Lugano versuchte. Bei den Schweizern ist aus dem damaligen Team mittlerweile nur noch Andres Ambühl dabei.
Duelle wie jene Begegnung in Mannheim haben die innige Rivalität zwischen den deutschen und den Schweizer Eishockeyspielern stark geprägt. Lange fühlte man sich in der Schweiz den Deutschen leicht überlegen; doch die Resultate auf Klubebene in der Champions Hockey League belegten das Gegenteil. Meist taten sich die Schweizer Vereine schwer mit dem hohen Rhythmus, den die deutschen Teams anzugehen pflegten.
Je fünf NHL-Spieler
Heute spielen die beiden Nationalteams mehr oder weniger auf Augenhöhe. Die Schweiz gewann dreimal WM-Silber (2013, 2018, 2024), Deutschland dafür beinahe Olympiagold (2018), im Final von Pyeongchang fehlten nur Sekunden zur Sensation. Momentan haben beide Nationalteams ähnlich viele NHL-Spieler – die Schweiz 11, Deutschland 7. Je fünf von ihnen sind an der WM in Herning dabei.
Vor der Direktbegegnung am Donnerstag (ab 16 Uhr 20) führen die Deutschen die Gruppe B mit neun Punkten aus drei Partien an. Sie hatten zu Beginn des Turniers allerdings die einfacheren Gegner als die Schweizer. Zuletzt bezwangen sie die Norweger in einer gehässigen Partie 5:2. Harold Kreis, der Nationalcoach der Deutschen mit meisterlicher Vergangenheit mit dem HC Lugano (2006) und den ZSC Lions (2008) in der Schweiz, sagte im deutschen Fernsehen: «Wenn wir die Scheibe laufenlassen, dann sind wir auch schnell. Falls wir das tun, wird es ein sehr gutes Spiel gegen die Schweiz geben.»
Schweiz gegen Deutschland – das sind Partien, die an den grossen Turnieren in der Vergangenheit oft über Erfolg oder Nichterfolg der Nationen entschieden. Seit jenem legendären Spiel 2010 in Mannheim trafen die Schweizer an Weltmeisterschaften oder Olympischen Spielen noch siebenmal auf die Deutschen – viermal gewannen die Schweizer, dreimal der grosse Nachbar.
In bester Erinnerung ist etwa das 3:1 der Schweizer vor einem Jahr im WM-Viertelfinal in Ostrava. Der Sieg hatte Patrick Fischer den Job als Nationalcoach gerettet. In der Dokumentation «Road to the Silver Medal» sagt der Zuger, nach diesem Match sei er in sein Hotelzimmer gegangen und habe vor Erleichterung hemmungslos geweint. Der Übergangspräsident Stefan Schärer war fest entschlossen gewesen, Fischer im Falle einer Niederlage zu entlassen.
Diesmal geht es zwar um keinen Job. Aber erneut um viel Prestige. Nach dem 6:1-Sieg gegen Ungarn und einem 4:1-Erfolg gegen Kasachstan verliessen die Deutschen beim 5:2 gegen Norwegen das Eis zum dritten Mal nacheinander als Sieger. Im Match gegen Norwegen steuerte der Lausanner Dominik Kahun zwei Assists bei. Überragend war aber auch Marc Michaelis, der in der National League bereits für den EV Zug und die SCL Tigers gespielt hat.
Deutschland bangt um Lukas Reichel
Doch die Deutschen bangen vor dem Match gegen die Schweiz um einen ihrer NHL-Spieler: Lukas Reichel schied gegen Norwegen nach einem heftigen Check von Martin Rönnild verletzt aus. Der Stürmer der Chicago Blackhawks musste mit einer Verletzung an der Schulter vorzeitig in die Kabine, nach dem Match wurde er für weitere Abklärungen ins Spital gebracht. Der deutsche Sportdirektor Christian Künast sagte dem ZDF: «Es sieht schlecht aus. Wir müssen davon ausgehen, dass er die nächsten Spiele nicht spielen wird.»
Der Ausfall ist für die Deutschen deshalb verkraftbar, weil es für sie im Spiel gegen die Schweiz für einmal nicht ums sportliche Bestehen oder Scheitern geht. Und doch ist Reichels Ausfall ein herber Dämpfer. Mit einem Tor und drei Vorlagen gehörte er bisher zu den besten Skorern im deutschen Team.
Auf Schweizer Seite fehlte beim 3:0 gegen die USA mit dem ZSC-Spieler Christian Marti ebenfalls ein Schlüsselspieler. Der kräftige Verteidiger hatte im Startspiel gegen den Weltmeister aus Tschechien das sehenswerte Goal zum 1:0 geschossen und zählte auch sonst zu den auffälligsten Spielern in Fischers Auswahl. Marti trainierte am Mittwoch allerdings wieder mit dem Team.
Seit der Ankunft von Kevin Fiala am Montag mangelt es Fischer nicht an offensiv starken Spielern. In der Partie zwischen Deutschland und der Schweiz geht es primär um eine möglichst gute Ausgangslage im Hinblick auf die Viertelfinals vom nächsten Donnerstag.
Weil der WM-Co-Gastgeber Dänemark im Falle einer Viertelfinalqualifikation sicher in Herning bleiben wird, ist jedoch noch schwer zu sagen, wer das Turnier in Dänemark fortsetzt und wer an den Hauptspielort nach Stockholm umziehen muss.