Paukenschlag in der Anlagepolitik – zu den Gründen für die Verkäufe macht die SNB keine Angaben.
Die Schweizerische Nationalbank hat alle Aktien des Ölriesen Chevron abgestossen. Der überraschende Rückzug ist den am Montag veröffentlichten Angaben der amerikanischen Börsenaufsicht SEC zu entnehmen. Ihr muss die Schweizerische Nationalbank (SNB) quartalsweise alle Aktienbestände von Firmen melden, die an amerikanischen Börsen gehandelt werden.
Im Fall von Chevron hatte die SNB Ende 2024 Aktien im Wert von 711,9 Millionen Dollar in den Büchern. Damit lag der Ölriese an 27. Stelle der Aktienengagements in den USA. Diese umfassen Anteile an 2440 Firmen im Wert von 150 Milliarden Dollar. Per 31. März figuriert Chevron nicht mehr auf der Liste. Sie umfasst noch Wertpapiere von 2397 Firmen mit einem Wert von 141,6 Milliarden Dollar.
Keine Informationen über einzelne Investments
Zu den Gründen für den Ausschluss von Chevron aus ihrem Portfolio wollte sich die SNB nicht äussern. Eine Sprecherin bat auf Anfrage der NZZ um Verständnis dafür, «dass die SNB grundsätzlich keine Informationen über einzelne Investments veröffentlicht». Die SNB verfolgt laut eigenen Angaben mit ihren Aktienanlagen einen möglichst marktneutralen, passiven Investitionsansatz, indem sie die Märkte in ihrer Gesamtheit abbildet und ihre Anlagen breit diversifiziert. Die SNB nimmt keine Titelselektion vor und verzichtet auch auf eine Über- oder Untergewichtung von Sektoren. Als Konsequenz daraus hält die SNB Aktien aus den verschiedenen Wirtschaftssektoren gemäss deren Börsenkapitalisierung.
Nach Kritik von Umweltverbänden und Nichtregierungsorganisationen weicht die Nationalbank aber in zwei Fällen von ihren Grundsätzen ab. Zum einen verzichtet sie aufgrund ihrer speziellen Rolle als Zentralbank auf Investitionen in Aktien von systemrelevanten Banken weltweit. Zum anderen fühlt sich die Nationalbank verpflichtet, «im Rahmen ihrer Anlagepolitik die grundlegenden Normen und Werte der Schweiz zu berücksichtigen».
Sie investiert somit nicht in Aktien und auch nicht in Anleihen von Firmen, deren Produkte oder Produktionsprozesse in grober Weise gegen gesellschaftlich breit anerkannte Werte verstossen. Das heisse, so die Erläuterungen auf der Website weiter, dass die SNB keine Wertschriften von Unternehmen erwerbe, «die grundlegende Menschenrechte massiv verletzen, systematisch gravierende Umweltschäden verursachen oder in die Produktion international geächteter Waffen involviert sind». Unter dem Kriterium «systematische gravierende Umweltschädigung» werden einzelne Unternehmen ausgeschlossen, die im Rahmen ihrer Produktion beispielsweise Gewässer oder Landschaften systematisch vergiften oder die Biodiversität massiv schädigen.
Kritik von Klimaschützern
Zwar wird die SNB wegen ihrer Beteiligung an Ölgrosskonzernen wie Chevron, Shell oder Exxon Mobil seit langem von Umweltverbänden und Klimaschützern kritisiert. Die SNB hat sich aber unter Hinweis auf ihr gesetzlich verankertes Mandat zur Sicherung der Preisstabilität stets geweigert, klimapolitische Ziele zu verfolgen. So zählt zum Beispiel Exxon Mobil nach wie vor zu den grössten Aktienengagements in den USA. Per Ende März lag das Investment mit einem Wert von 1,474 Milliarden Dollar an 13. Stelle aller Positionen im SNB-Bestand.
Was also könnte die SNB zu dem spektakulären Schritt des Verkaufs aller Chevron-Aktien bewogen haben? Chevron machte jüngst Schlagzeilen im Zusammenhang mit Gerüchten über eine Übernahme des britischen Konkurrenten BP. Im April war der Konzern im amerikanischen Gliedstaat Louisiana zu einer Busse von 744 Millionen Dollar wegen der Zerstörung von Feuchtgebieten verurteilt worden.