Südkorea ist zentral für die sicherheitspolitische Strategie der USA in Asien. Doch Präsident Yoon steht vor dem Aus. Über die geopolitischen Folgen seines gescheiterten Coups.
Südkoreas Präsident Yoon Suk Yeol hat in seiner kurzen Amtszeit die geopolitische Rolle des Landes in Asien massiv gestärkt. An der Seite der USA und im Schulterschluss mit dem ungeliebten Nachbarn Japan wollte er Nordkorea und China entgegentreten. Doch nachdem er in der Nacht zum Donnerstag das Kriegsrecht erst verhängt und dann wieder aufgehoben hat, sind seine Tage im Amt wohl gezählt.
Damit scheinen auch seine geopolitischen Errungenschaften und damit ein Teil der amerikanischen Sicherheitsstruktur in Asien in Gefahr zu sein. Das zeigt sich in drei Punkten: der Zukunft der Allianz Südkoreas mit den USA, der Annäherung des Landes an Japan und der möglichen Bedrohung durch Nordkorea.
Die Zukunft der Allianz mit den USA ist unsicher
Mason Richey ist Professor für Internationale Politik an der Hankuk-Universität in Seoul. Er sagt: Die Verhängung des Kriegsrechts sei für die USA «ein grosses Problem» gewesen. Yoon habe nicht einmal den Kommandanten der amerikanischen Streitkräfte in Korea, General Paul LaCamera, vor der öffentlichen Bekanntgabe über das Kriegsrechtsdekret informiert. «Aus amerikanischer Sicht ist das völlig inakzeptabel», sagt Richey.
Denn Yoon habe unerwartete Risiken geschaffen, zum Beispiel militärische Aktionen Nordkoreas, die auch die USA betroffen hätten. Die USA haben fast 30 000 Soldaten in Südkorea stationiert und wären als Schutzmacht in einem Konflikt automatisch Kriegspartei.
Yoons Coup-Versuch untergräbt damit das Vertrauen der USA in den Verbündeten. Zudem droht den Amerikanern nun, dass sie einen ihrer stärksten Fürsprecher in Korea zugunsten einer engeren Anbindung Südkoreas an die Grossmacht und zugunsten einer Annäherung an Japan verlieren.
In akuter Gefahr ist einer der wichtigsten aussenpolitischen Erfolge des amerikanischen Präsidenten Joe Biden, von Präsident Yoon und der japanischen Regierung: die trilaterale Sicherheitsallianz.
Offiziell richtet sich das Bündnis gegen die nukleare Bedrohung durch Nordkorea. Faktisch stärkt es vor allem die Macht der Bündnispartner gegenüber China. Denn bisher gab es nur bilaterale Bündnisse zwischen den USA und ihren beiden ostasiatischen Verbündeten.
Die Annäherung an Japan ist in Gefahr
Japan hatte sich daher lange um eine engere sicherheitspolitische Kooperation mit Südkorea bemüht. Doch unter Yoons linksgerichtetem Vorgänger Moon Jae In eskalierte der jahrzehntealte Streit über Japans Eroberungsgeschichte. Die sicherheitspolitische und diplomatische Zusammenarbeit wurde daher weitgehend eingestellt.
Nach seinem Wahlsieg 2022 setzte Yoon dann gegen Widerstände und auf Kosten seiner Popularität eine Annäherung an den Nachbarn durch. Für den Sicherheitsexperten Richey wäre bei einem politischen Ende von Yoon daher auch Japan der grösste Verlierer.
Bisher sei man davon ausgegangen, dass die drei Länder noch bis zum Ende von Yoons Amtszeit 2025 Zeit hätten, die Beziehungen zu institutionalisieren und eine Aufkündigung des Abkommens unter einer neuen Regierung zu erschweren, sagt Richey. Doch die derzeitige Krise verkürze die Frist, die Beziehungen zu stärken.
Richey rechnet damit, dass eine neue linke Regierung den Pakt wieder aufkündigen könnte. Er sagt: «Während einige Progressive in der Demokratischen Partei die Bedeutung der Partnerschaft mit Japan verstehen, bleibt die Führung, insbesondere der Parteichef Lee Jae Myung, Japan gegenüber zutiefst skeptisch.»
Die Begründungen, die die Progressiven für die Amtsenthebung eingereicht haben, sind laut Richey «ein klares Zeichen» für diese Haltung. Sie erwähnen nicht nur die illegale Ausrufung des Kriegsrechts, sondern kritisieren vor allem Yoons Japan-Politik. Für Richey deutet dies darauf hin, «dass die Demokraten versuchen werden, die trilateralen Beziehungen zu untergraben, wenn sie an die Macht kommen».
Das Risiko nordkoreanischer Provokationen steigt
Kurzfristig ist die grösste Sorge jedoch, dass Nordkorea das Chaos im Süden militärisch ausnutzen könnte. Doch bis anhin ist nichts passiert. «Im Moment ist Nordkorea vorsichtig», sagt der Experte Richey. Die Führung stehe zwar im Ruf, risikofreudig zu sein. Doch momentan warte sie wohl ab, wie sich die politische Lage entwickle.
Kim räumte ein, dass die USA und Südkorea weiterhin so gut aufgestellt seien, dass sie auf ernsthafte Provokationen reagieren könnten. «Am wichtigsten ist jedoch, dass Nordkorea derzeit ein vorteilhaftes Abkommen mit Russland hat», sagt Richey. Nordkorea unterstützt Russlands Krieg gegen die Ukraine mit Waffen und Soldaten und erhält im Gegenzug Wirtschaftshilfe und zumindest technologisches Know-how für die eigene Rüstung.
Nordkorea könnte den Amtsantritt Donald Trumps als amerikanischer Präsident abwarten und auf eine neue linke Regierung in Südkorea hoffen. In seiner ersten Amtszeit hat Trump nach einem Jahr der Eskalation historische Gipfeltreffen mit Kim abgehalten, unterstützt von einer linken Regierung in Seoul, die traditionell den Dialog mit Nordkorea sucht.
Eine Neuauflage der Machtkonstellation würde die Dynamik sicherlich verändern, sagt Richey. Unklar ist, in welche Richtung. Denn die Situation ist grundlegend anders als 2018.
So hat Nordkorea den Süden öffentlich zum Feindstaat erklärt und sich von dem Ziel der Wiedervereinigung verabschiedet. Russische Hilfe stützt das Land. Gleichzeitig hat sich der Grossmachtkonflikt zwischen den USA und China weiter verschärft. Und dann ist da noch das Scheitern des dritten Gipfeltreffens zwischen Kim und Trump in Vietnam 2019. «Trump ist zwar an einem weiteren Treffen mit Kim Jong Un interessiert», sagt Richey. «Aber es ist unklar, ob Kim angesichts seiner Enttäuschung über den Gipfel in Hanoi dafür empfänglich wäre.»
Die politische Lage in Asien wird instabiler
Mit der Rückkehr von Donald Trump ins Amt des amerikanischen Präsidenten ist die Unsicherheit weltweit gestiegen, auch in Asien. Niemand weiss genau, welche Allianzen Trump beibehalten, welche er stärken und welche er schwächen wird und wie er gegenüber China, Nordkorea und Russland vorgehen wird.
In dieser Lage ist es für Südkorea selbst von Nachteil, mit einem Führungsvakuum in die neue Ära Trump zu starten. Doch das Ende eines wichtigen Fürsprechers der Annäherung zwischen Südkorea und Japan dürfte gerade in China, Nordkorea und Russland die Hoffnung schüren, dass ein wichtiger Pfeiler der amerikanischen Allianzen in Asien geschwächt wird. Das macht die politische Lage in der Region vorerst noch instabiler, als sie ohnehin schon ist.







