Nach neun Monaten ziehen sich die Verteidiger aus Krinki zurück. Die Hoffnungen, die mit der Landung verbunden waren, erfüllten sich nie. Nun streiten die Ukrainer über die Sinnhaftigkeit der erbrachten Opfer.
Als ukrainische Marineinfanteristen im Oktober 2023 den Fluss Dnipro überquerten und sich am linken Ufer eingruben, hofften manche auf die Eröffnung einer neuen Front. Die grossangelegte Gegenoffensive weiter östlich war zu diesem Zeitpunkt bereits gescheitert. Doch ganz im Süden entstand beim Dorf Krinki ein Brückenkopf, der laut Optimisten eine weitere Vorstoss-Achse in Richtung Krim eröffnen sollte.
Den ukrainischen Truppen gelang es allerdings nie, solide Positionen zu erstellen. Auch Meldungen über die Verlegung von Panzern und anderem schwerem Gerät bestätigten sich nicht. Doch politisch wie psychologisch war es wichtig, in einer schwierigen Kriegsphase wenigstens an einer Stelle die Initiative zu ergreifen. Am Dienstag gaben anonyme Militärquellen gegenüber ukrainischen Medien die Räumung des Brückenkopfs zu. Sie sei vor mindestens einer Woche erfolgt.
Versorgung der Marineinfanterie unter russischen Bomben
Damit endet offenbar eine Operation, die in vielerlei Hinsicht eine verlustreiche und wohl primär politisch motivierte Fehlkalkulation war. Laut jüngst publizierten Berichten war sie auch schlecht geplant. So sicherte die Militärführung nie genügend Nachschub für die Truppen am russisch kontrollierten Dnipro-Ufer. Soldaten klagten von Beginn an, sie seien weitgehend auf sich selbst gestellt und müssten das, was sie brauchen, auf kleinen Booten unter feindlichem Feuer heranschaffen.
Krinki bot kein einfaches Gelände für den Kampf. Das Gebiet ist sumpfig, das Fischerdorf selbst bestand vor seiner totalen Zerstörung durch die Truppen Moskaus aus Holzhäusern. Die russische Luftwaffe konnte die Stellungen der 36. ukrainischen Marinebrigade zudem nahezu ungehindert mit Gleitbomben beschiessen, die Flugabwehr ist bei Cherson schwach. Dies trieb die Verluste in die Höhe.
Dennoch hatte die Landung auch eine militärische Logik. Das linke Dnipro-Ufer liegt deutlich tiefer als das rechte, was es der ukrainischen Artillerie und Drohnenpiloten erlaubte, den Gegner über den Fluss hinweg zu beschiessen. Die bei Krinki aktive russische 810. Marineinfanterie-Brigade verlor bei ihren Sturmangriffen deutlich mehr Männer und Material als die Ukrainer. Unter den Gefallenen befand sich mindestens ein General.
In einem breiteren Kontext diente der Brückenkopf bei Krinki den Ukrainern deshalb auch dazu, den Feind zu zwingen, Ressourcen von anderen Frontabschnitten abzuziehen und diese so zu schwächen.
Auch ein Fleischwolf für die Ukrainer?
Dieser Strategie entsprechend hatte Kiew zuvor auch kaum mehr haltbare Positionen in Bachmut oder Awdijiwka bis zum letzten Moment verteidigt. Doch solche verlustreichen Operationen waren stets umstritten. In Krinki stellte sich die Frage ihrer Sinnhaftigkeit in besonders akuter Weise, da das Dorf durch mehr als drei Kilometer Fluss und Sumpf von der ukrainischen Seite getrennt ist. Für einen grösseren Vorstoss über den Dnipro müssten die Ukrainer Kräfte in ganz anderer Grössenordnung sammeln.
Aktivisten und Militärangehörige beschuldigten deshalb wiederholt den zuständigen Kommandanten, Generalleutnant Juri Sodol, er verheize in Krinki die eigenen Soldaten. Dass Präsident Selenski den Militärführer am 24. Juni von einem der höchsten Kommandoposten in der Armee entfernte, bringen Experten deshalb nicht nur mit Rückschlägen im Donbass, sondern auch mit Krinki in Verbindung.
Unklar bleibt derweil, ob die Ukrainer sich vom gesamten linken Ufer zurückgezogen oder möglicherweise einen Teil ihrer Kräfte flussabwärts verlegt haben. Die Analytiker der Deep State Map haben den Uferstreifen in den letzten neun Monaten stets als graue, umkämpfte Zone markiert. Meldungen über Kämpfe gab es in den letzten Tagen jedenfalls weiterhin. Allerdings heisst es von russischer Seite, die ukrainischen Angriffe erfolgten nun von kleineren Spezialeinheiten, die punktuell über den Dnipro vorstiessen.