Nach hundert Tagen im Amt feiert Donald Trump bei der Zuwanderung Erfolge. Jüngst bestätigte die Regierung mit einer Razzia und vielen Verhaftungen ihren harten Kurs. Sinkende Umfragewerte deuten jedoch an: Die Wähler möchten eine geordnete, aber keine grausame Politik.
Am Dienstag sind es genau hundert Tage seit Donald Trumps Amtseinsetzung am 20. Januar. Um seinen grössten Erfolg in den ersten drei Monaten zu feiern, luden die Mediensprecherin des Präsidenten, Karoline Leavitt, und der «Grenz-Zar» Tom Homan am Montag zu einer Pressekonferenz ein. Auf dem Rasen vor dem Weissen Haus stellte die amerikanische Regierung dazu die Poster mit Polizeifotos von hundert papierlosen verhafteten Migranten aus, die schwere Straftaten begangen haben sollen.
«Hört euch nur diese unglaublichen Zahlen an», sagte Leavitt: Im März vor einem Jahr hätten die Behörden an der Südgrenze zu Mexiko insgesamt 140 000 Personen aufgegriffen, die illegal ins Land gekommen seien. In diesem März seien es nur noch 7000 gewesen. «Ein Rückgang von 95 Prozent.»
Nur der Beginn grösserer Pläne
In der Zeit seit der Amtseinsetzung bis zum 1. April hätten die Behörden nur neun Migranten ins Land gelassen, die illegal über die Grenze gelangt seien, betonte der für die Koordination der Migrationspolitik zuständige Homan. Unter der Biden-Regierung seien es im vergangenen Jahr in derselben Zeitspanne 184 000 gewesen. Bei den neun Personen habe es sich um vier Zeugen in einem Strafverfahren, vier medizinische Notfälle sowie um einen Migranten gehandelt, der aus humanitären Gründen vorerst in den USA habe verbleiben dürfe. «Das ist ein präzedenzloser Erfolg», erklärte Homan.
Nach seinem Amtsantritt führte Trump die «Bleibt in Mexiko»-Politik seiner ersten vier Jahre im Weissen Haus wieder ein. Sie zwingt Migranten bestimmter Länder dazu, in Mexiko anstatt in den USA auf ihren Asylentscheid zu warten. Zudem rief Trump einen Notstand aus und erklärte Personen, die illegal über die Südgrenze amerikanischen Boden betreten, zu Teilnehmern einer «Invasion». Damit setzte der Präsident im Prinzip das Recht aus, um Asyl zu bitten.
Leavitt kündigte am Montag an, dass die bisherigen Massnahmen nur ein Teil eines grösseren Plans seien: «Wir befinden uns in der frühen Phase der grössten Ausschaffungskampagne in der amerikanischen Geschichte.» Sie verwies dabei auf zwei kürzliche Operationen. In Florida verhaftete die Einwanderungsbehörde ICE in Zusammenarbeit mit lokalen Sicherheitskräften in den vergangenen Tagen fast 800 papierlose Immigranten. Unter ihnen sollen sich ein in Kolumbien verurteilter Mörder, mutmassliche Gangmitglieder und ein zur internationalen Fahndung ausgeschriebener Russe befinden.
In der Nacht auf Sonntag stürmten 300 Beamte unter der Leitung der Behörde für Drogenbekämpfung einen illegalen Nachtklub in Colorado Springs südlich von Denver. Neben der Beschlagnahmung von Waffen und Drogen verhafteten die Sicherheitskräfte auch 114 papierlose Migranten. Das Lokal sei von Mitgliedern der venezolanischen und salvadorianischen Gangs Tren de Aragua und MS-13 frequentiert worden, erklärte die Justizministerin Pam Bondi. Die Trump-Regierung hat die beiden Organisationen kürzlich auf ihre Terrorliste gesetzt. Im März schaffte sie 261 mutmassliche Gangmitglieder unter einem alten Kriegsrecht ohne ordentliche Gerichtsverfahren in ein Gefängnis nach El Salvador aus.
Gemäss den bekannten Zahlen verhaftet die Trump-Regierung mehr papierlose Migranten als noch unter Biden. Bereits im März überstieg die Zahl der Personen in ICE-Gefängnissen (46 269) die Zahl der zur Verfügung stehenden Betten (41 500). Um das Problem zu lösen, will die Regierung auch militärische Infrastruktur beanspruchen. In «nächster Zukunft» könnte auch der Militärstützpunkt Fort Bliss in El Paso für die Inhaftierung von Migranten genützt werden, erklärte Homan am Montag. Der Stützpunkt werde derzeit dafür hergerichtet.
Grenzschutz ist populär, übereilte Ausschaffungen weniger
Gleichzeitig unterscheidet sich die Zahl der Ausschaffungen aber noch nicht gross von jener des Vorjahres. Wobei sich die unzimperliche Art und Weise einzelner Abschiebungen negativ auf die Umfragewerte der Regierung auszuwirken scheint. Im Vordergrund steht einerseits der Fall des Salvadorianers Kilmar Ábrego García. Auch der Supreme Court bezeichnete seine Ausschaffung in ein Gefängnis in El Salvador als «illegal». Doch die Trump-Regierung weigert sich, den 29-Jährigen zurückzuholen.
Andrerseits schoben die Behörden kürzlich drei papierlose Mütter mit ihren vier Kindern ab. Die in den USA geborenen Kinder waren amerikanische Staatsbürger. Eines von ihnen befand sich in einer Krebstherapie. Eine der Mütter erhielt nach ihrer Verhaftung keinen Zugang mehr zu ihrer Anwältin und wurde innerhalb von 24 Stunden abgeschoben. In einem anderen Fall meinte ein Richter, es bestehe der dringende Verdacht, dass «die Regierung gerade eine amerikanische Bürgerin ohne sinnvolles Verfahren abgeschoben hat».
Die Mütter hätten sich freiwillig dafür entschieden, ihre Kinder mit sich zu nehmen, rechtfertigte Homan am Montag das Vorgehen. «Wer sich dafür entscheidet, ein Kind in den USA zu bekommen, im Wissen, illegal in diesem Land zu sein, hat sich selbst in diese Situation gebracht.» Die Anwältin einer betroffenen Mutter bestreitet jedoch, dass es sich um eine freiwillige Entscheidung gehandelt habe.
Den Amerikanern scheinen solche Schicksale nicht gleichgültig zu sein. Trumps Umfragewerte sinken nun auch beim Thema Migrationspolitik. Drei kürzliche Erhebungen zeigen: Eine knappe Mehrheit der Amerikaner ist mit dem Vorgehen bei der Zuwanderung nicht einverstanden. Eine weitere Umfrage des Trump-nahen Senders Fox News zeigt dabei ein differenziertes Bild: Eine klare Mehrheit von 55 Prozent ist zufrieden mit dem verbesserten Schutz der Südgrenze. Aber wenn es um die Ausschaffung von Migranten geht, sind nur 45 Prozent der Amerikaner mit dem Präsidenten zufrieden, 49 Prozent sind unzufrieden.
Die Umfrage des Fernsehsenders ABC zeigt zudem auch: Eine relative Mehrheit von 42 Prozent der Befragten findet, dass Ábrego García in die USA zurückgeholt werden soll. Nur 26 Prozent unterstützen seinen Verbleib in salvadorianischer Gefangenschaft, während 32 Prozent dazu keine klare Meinung haben. Während sich die Wähler in den USA eine kontrollierte Zuwanderung wünschen, scheinen ihnen auch verfassungsmässige Ausschaffungsverfahren am Herzen zu liegen.