Mexiko ist 2023 zum wichtigsten Handelspartner der USA aufgestiegen. Nun fordert Trump höhere Zölle.
Als Elon Musk im März 2023 den Bau einer Tesla-Gigafabrik in Monterrey ankündigte, wurde dies als Gütesiegel für den Standort Mexiko interpretiert. Dieser profitiert durch seine Nähe zum amerikanischen Markt von den Auswirkungen der globalen Lieferkettenrisiken, die durch die Pandemie, den Krieg in der Ukraine und den Handelsstreit der USA mit China deutlich geworden sind. Doch Musk hat das 5-Milliarden-Dollar-Projekt noch immer nicht begonnen, dafür musste er sich im Juli gegenüber Investoren rechtfertigen.
Es ergebe derzeit keinen Sinn, grosse Summen in Mexiko zu investieren, wenn die dort produzierten Autos mit hohen amerikanischen Importzöllen belegt würden, erklärte Musk. Denn Donald Trump, dessen Wahlkampf der Tesla-Chef mit Millionenbeträgen unterstützt, spricht Drohungen aus gegen den Import von Produkten «made in Mexico», insbesondere von solchen aus Mexikos Schlüsselindustrie, dem Automobilbau. «Ich werde die Zölle auf 200 oder sogar 500 Prozent setzen, das ist mir egal. Ich werde eine Zahl festlegen, zu der sie kein einziges Auto verkaufen können», sagte Trump dem Sender CNN.
Muss sich Mexiko vor einem Wahlsieg des Republikaners fürchten?
Handelsverträge binden die beiden Länder aneinander
«Als Amerikas grösster Handelspartner sollte Mexiko das durchaus», sagt Rachel Ziemba von der Washingtoner Denkfabrik Center for a New American Security im Gespräch. Das stark wachsende amerikanische Handelsbilanzdefizit mit Mexiko, das 2023 bei über 150 Milliarden Dollar lag, könnte für Unruhe sorgen. «Und zwar unabhängig davon, wer ins Weisse Haus einzieht.»
Allerdings seien die Risiken für Mexikos Wirtschaft unter Donald Trump grösser als unter der berechenbaren und kooperativen demokratischen Kandidatin Kamala Harris. Trump werde auf hohe Zölle setzen, auch wenn dies dem Freihandelsabkommen USMCA widerspreche, das er 2019 mit Mexiko und Kanada ausgehandelt hat, sagt Ziemba. Das Nachfolgeabkommen des 1994 gestarteten Nordamerikanischen Freihandelsabkommens Nafta verzahnt die drei Volkswirtschaften immer enger miteinander.
Deutsche Automobilbauer investieren massiv
Auch europäische Unternehmen nutzen den Standort Mexiko als Sprungbrett für den amerikanischen Markt. Trumps Strafzölle würden daher auch sie treffen. Spanien war 2023 nach den USA das Land mit den zweithöchsten Direktinvestitionen in Mexiko, auch Grossbritannien, die Niederlande und Belgien sind unter den Top 10.
Deutschland, 2023 an fünfter Stelle, investiert vor allem in den Automobilsektor. Im Jahr 2023 produzierten deutsche Autobauer mehr als 700 000 Fahrzeuge in Mexiko. Derzeit wird in die E-Mobilität investiert. Audi und BMW stecken zurzeit jeweils eine Milliarde Dollar in die Produktion von Elektroautos, der VW-Konzern einen ähnlichen Betrag in die Nachhaltigkeit seiner Werke.
Zwar sässen die USA gegenüber Mexiko generell am längeren Hebel, aber auch die USA seien auf Mexiko angewiesen, sagt Johannes Hauser, Geschäftsführer der Deutsch-Mexikanischen Auslandshandelskammer (AHK) in Mexiko-Stadt, im Gespräch. «Die USA können Mexiko nicht schaden, ohne sich selbst dabei zu schaden. Schliesslich ist Mexiko der wichtigste Handelspartner der USA, und 15 Prozent der amerikanischen Importe kommen aus Mexiko.»
Panik vor Trump sei nicht angebracht. Dieser sei im Wahlkampfmodus und drohe mit extremen Forderungen, die später wieder zurückgenommen würden, wie bei den USMCA-Verhandlungen 2019. Zudem würde eine Erhöhung der preistreibenden Zölle durch Trump die Inflation in den USA anheizen, sagt Hauser. Eines von Trumps zentralen Wahlkampfversprechen ist jedoch die Senkung der Inflation.
Trumps Forderung, die Automobilindustrie von Mexiko in die USA zu verlagern, ignoriert, dass die meisten Autobauer längst nördlich und südlich des Grenzflusses Rio Grande aufgestellt sind. So produzieren deutsche Autobauer in den USA jährlich rund 900 000 Fahrzeuge – und damit mehr als in Mexiko. Die Lieferketten über die Grenze hinweg sind eng verzahnt. Auch in den USA rolle kein Auto ohne erhebliche mexikanische Zulieferungen vom Band, betont Hauser.
Eine grossangelegte Rückverlagerung der Industrie in die USA, wie sie in Trumps «Make America great again»-Projekt, aber auch in der «Build American, buy American»-Politik der Biden-Harris-Administration zu finden ist, sei ohnehin schwer umzusetzen, sagt der Chef der AHK. «Wir hören immer wieder, dass Personal aus Mexiko in die Niederlassungen in den USA geschickt werde, weil es dort an Fachkräften mangle. Die Mexikaner füllen dort schon jetzt die Lücken.»
Zudem können die deutschen Autobauer auf die Lobbyarbeit ihrer amerikanischen Kollegen in Washington setzen. Denn Ford, Chrysler und General Motors, die in Mexiko produzieren, würden sich gegen unrealistische Forderungen gegenüber der mexikanischen Autoindustrie wehren. Die Autobauer in den USA seien auf den freien Grenzverkehr angewiesen.
China ist der eigentliche Gegner
Wenn sich Trump und Harris aber in einem einig sind, dann beim Thema China. «Trump hat den Handelskrieg gegen China begonnen, die Regierung Biden – Harris führt ihn fort», sagt Hauser. Das trifft Mexiko, denn seit der Pandemie siedeln sich dort immer mehr chinesische Unternehmen an – was beide Kandidaten stört. Denn in Mexiko geniessen die chinesischen Unternehmen dann die USMCA-Privilegien zum Handel mit den USA. Zudem laufen immer mehr chinesische Exporte via Mexiko in die USA.
Washington werde alles tun, um den Einfluss Chinas einzudämmen, sagt Enrique Covarrubias, Chefökonom des Vermögensverwalters Actinver in Mexiko-Stadt. «Mit dem USMCA sollte ein nordamerikanischer Block als Gegengewicht zu China geschaffen werden. Aber das funktioniert nicht, weil China einen Weg gefunden hat, über Exporte nach Mexiko weiter in die USA zu liefern», sagt er im Gespräch.
Das USMCA wird 2026 überprüft
So werden die USA spätestens bei den USMCA-Nachverhandlungen Mitte 2026 reagieren. Mexiko werde mitziehen müssen. Johannes Hauser sagt: «Mexiko kann es sich nicht leisten, sich auf die Seite Chinas und damit gegen die USA zu stellen. Zumal die Vorteile des bilateralen Handels mit den USA alles andere überwiegen.»
So hat Mexikos neue Präsidentin Claudia Sheinbaum China als Risikofaktor für die Zukunft des USMCA auf dem Radar. Sorgen bereitet ihr zudem Mexikos wachsendes Handelsbilanzdefizit mit China. So importiert Mexiko zehnmal so viel, wie es nach China exportiert. Die Mexikaner würden sich daher über amerikanische Zölle auf chinesische Waren freuen, sagt Rachel Ziemba von der Washingtoner Denkfabrik. Im Juli hat Mexiko gemeinsam mit den USA bereits Zölle auf Stahl und Aluminium unter anderem aus China verhängt.
Mexikos neuer Wirtschaftsminister Marcelo Ebrard hat bereits eine Initiative gestartet, um Importe aus China zu ersetzen – und kommt damit künftigen amerikanischen Forderungen zuvor. «Mexiko will den Zugang zum US-Markt nicht aufs Spiel setzen», sagt Ziemba.
Falls Harris gewinnt, hat sie eine grüne Agenda
Bei einem Wahlsieg von Kamala Harris dürften Themen wie erneuerbare Energien, Umweltschutz und Arbeitnehmerrechte in die USMCA-Verhandlungen einfliessen, was Mexiko kurzfristig vor massive Probleme stellen würde, sagt der Analyst Enrique Covarrubias. Denn Sheinbaums Vorgänger Andrés Manuel López Obrador habe auf fossile Energien gesetzt und die chronischen Probleme Mexikos ignoriert: Wasser- und Energiemangel.
Die auf den Klimawandel spezialisierte Physikerin Sheinbaum versprach bereits massive Investitionen in erneuerbare Energien. Wenn die USA Mexiko hier zusätzlich unter Druck setzten, sei das durchaus positiv, sagt Covarrubias. Harris würde die Inflation Reduction Act (IRA) von Joe Biden fortführen, die erneuerbare Energien und E-Mobilität in den USA mit Milliardenbeträgen fördert – und damit auch in Mexiko Impulse in diesem Bereich setzt.
Für Trump hingegen, der sich für fossile Energieträger einsetzt, ist die IRA nichts anderes als ein «grüner Betrug». Ganz stoppen könne er das Gesetz aber nicht, sagt Rachel Ziemba. Denn einige von Trumps Republikanern regierte Gliedstaaten profitierten massiv von der Initiative. Doch es sei zu erwarten, dass Trump zumindest die Kaufanreize für Elektroautos reduzieren werde.
Mexiko kann viel gewinnen
Der Analyst Enrique Covarrubias ist insgesamt optimistisch. Wenn die USA im Rahmen der 2026 anstehenden USMCA-Verhandlungen Mexiko dazu zwingen, chinesische Importe durch mexikanische Produkte zu ersetzen, sei das eine Gelegenheit, die grosse Investitionen nach Mexiko bringe. «Das könnte die Grundlage für Jahrzehnte gesunden Wachstums sein.» Mit dem Nafta-Abkommen habe Mexiko 1994 alles auf eine Karte gesetzt: gemeinsam mit den USA zu produzieren. «Das hat in den vergangenen dreissig Jahren gut funktioniert. Deshalb wollen wir so weitermachen.»