Der amerikanische Präsidentschaftskandidat zieht die Bitcoin-Fans erfolgreich auf seine Seite. Die Demokraten werden mit Trumps traumhaften Versprechen für die Branche nicht mithalten können.
Für die Krypto-Branche könnte es ein historisches Ereignis gewesen sein – sofern Donald Trump im Herbst wieder in das Weisse Haus einzieht. An der jährlichen Bitcoin Conference, die dieses Jahr in Nashville, Tennessee, stattfand, hielt Trump vergangenes Wochenende seine bisher ausführlichste Rede zum Thema Kryptowährungen. Dabei positionierte sich der Republikaner als überzeugter Unterstützer der Branche.
Er werde für Innovation einstehen und ein «Pro-Bitcoin-Präsident» werden, verkündete er vor Tausenden begeisterten Krypto-Fans. Dass Trumps Haltung gegenüber Krypto grundsätzlich wohlwollend ist, war bekannt. Seit Mai akzeptiert sein Wahlkampfteam Spenden in digitalen Währungen – 25 Millionen Dollar sollen nach Trumps Angaben bisher zusammengekommen sein.
Auch sein designierter Vizepräsident J. D. Vance ist als Anhänger und Besitzer von Bitcoin bekannt. Trump muss derzeit um jede Stimme kämpfen, insbesondere seit seine voraussichtliche Konkurrentin im Rennen um die Präsidentschaft, Kamala Harris, im Aufwind ist. Dennoch überraschte der amerikanische Ex-Präsident mit der Deutlichkeit seiner Unterstützung und den Massnahmen, die er der Krypto-Branche in Aussicht gestellt hat.
Insbesondere der Aufbau einer strategischen Währungsreserve in Bitcoin, aber auch die Einsetzung eines Beratergremiums für den Präsidenten, das «transparente regulatorische Leitlinien» erarbeiten soll, zeigt, dass es mehr sein könnte als nur Wahlkampfrhetorik. Trump trug einen konkreten Plan vor, um «sicherzustellen, dass die USA zur Krypto-Hauptstadt und zur Bitcoin-Supermacht der Welt» werden.
Glaubwürdiges Krypto-Bekenntnis
Das passt wiederum in seinen «America First»-Anspruch, die dominante finanzielle Stellung der USA auch im Krypto-Bereich zu zementieren: «Wenn wir es nicht tun, dann tut es China», sagte er. Denn wenn Kryptowährungen die Zukunft seien, dann müssen sie gemäss Trump in den USA «geprägt und hergestellt» werden – wobei diese Aussage offenbart, dass der Republikaner die dezentrale Natur des Bitcoin-Schürfens nicht wirklich verstanden hat.
Doch für seine Zwecke war das unwesentlich. Trump verstand es mustergültig, sich die Glaubenssätze und Parolen der Krypto-Jünger anzueignen: «Bitcoin steht für Freiheit, Souveränität und Unabhängigkeit von staatlichem Zwang und Kontrolle.» Sollte Bitcoin bis zum Mond fliegen, dann solle Amerika die Nation sein, die den Weg weise. Die Kapitalisierung von Bitcoin sei schon heute grösser als jene von Silber, eines Tages könnte Bitcoin Gold überholen, sagte Trump.
Obschon in der Krypto-Szene viele mit einer positiven Stellungnahme gerechnet hatten, übertraf Trump die Erwartungen. Er war überraschend gut vorbereitet, machte konkrete Vorschläge und nutzte das Vokabular der Community. «Das machte ihn glaubwürdig», sagt Luzius Meisser. Er ist Krypto-Experte und Verwaltungsrat beim digitalen Vermögensverwalter Bitcoin Suisse.
Trump sei für die Rede gut beraten gewesen und habe auch Verbindungen zur Energiepolitik hergestellt. Schliesslich beansprucht das Schürfen (Mining) von Bitcoin grosse Mengen an Strom. Trump will mit der Förderung fossiler Brennstoffe die Energiekosten senken und die USA zu einem «Powerhouse» auch für das Bitcoin-Mining machen.
Wenig Spielraum für die Demokraten
Solche Versprechen kommen in der Branche gut an. Für Meisser ist klar, dass sich Trump mit seinem Auftritt viele Sympathiepunkte geholt hat. Nach dreieinhalb Jahren Krypto-Feindlichkeit in den USA werden sich die Demokraten jetzt nicht mehr glaubwürdig als Krypto-freundlich positionieren können, glaubt er.
Insbesondere die mächtige amerikanische Börsenaufsicht SEC und ihr demokratischer Vorsitzender Gary Gensler sind ausgesprochen kritisch gegenüber der Branche und Krypto als Anlageklasse eingestellt. Das hat sich in den vergangenen Jahren in zahlreichen Rechtsverfahren gegen Branchenvertreter und langwierigen Zulassungsprozessen für neue Anlageprodukte wie den Bitcoin-ETF geäussert.
So holte Trump den grössten Beifall, als er ankündigte, am ersten Tag nach Amtsantritt Gary Gensler entlassen zu wollen und einen neuen SEC-Vorsitzenden zu ernennen. Mit Trump als Präsident sei der «Anti-Krypto-Kreuzzug» vorbei, die «Verfolgung» höre auf. Ob Trump indes rechtlich in der Lage wäre, Gensler so kurzfristig abzusetzen , ist fraglich. Der amtierende SEC-Chef wurde 2021 durch Biden eingesetzt, seine Amtszeit läuft aber erst 2026 aus.
Trumps voraussichtliche Herausforderin Kamala Harris hat sich noch nicht zu ihrer Einstellung gegenüber Krypto geäussert. Es gibt zudem Hinweise, dass die Demokraten von der harten Linie der Biden-Regierung abweichen könnten. Dennoch stellte Trump Harris als «ganz massiv» gegen Kryptowährungen eingestellt dar. Sollten die Demokraten die Wahl gewinnen, würde jeder Krypto-Anhänger im Saal «weg sein».
Amerikanische Bitcoin-Reserve ist ein starkes Marktsignal
Genauso folgenreich wie ein Krypto-freundlicher SEC-Chef wäre die Umsetzung von Trumps Ansage, einen «strategischen nationalen Bitcoin-Vorrat» anzulegen. Dafür würde die Regierung sämtliche Token aufbewahren, die sie bereits besitzt oder künftig erwerben wird. Zu lange habe die Regierung die Kardinalregel verletzt, die jeder Bitcoiner kenne: «Verkaufe niemals deine Bitcoins», sagt Trump. Die Krypto-Branche hatte lange gehofft, dass die USA eine Bitcoin-Reserve einrichten würden, vergleichbar mit der Goldreserve, um der Währung mehr Legitimität zu verleihen.
Die amerikanische Regierung ist mit einem Bestand von geschätzt mehr als 210 000 konfiszierten Bitcoins bereits eine der grössten Besitzerinnen der digitalen Währung. Da dies rund einem Prozent des gesamten Bestands entspricht, der in Umlauf ist, müssten die USA gar keine neuen Bitcoins kaufen, um eine beachtliche Reserve aufzubauen, sagt Stefan Höchle, Leiter Anlagestrategie beim Vermögensverwalter Digital Asset Solutions.
Entscheidend sei die Signalwirkung eines solchen Entscheids, denn andere Staaten besässen keine Milliarden an konfiszierten Bitcoins. Wollten andere Länder eine solche Reserve aufbauen, müssten sie dies am offenen Markt tun. Gemäss Höchle würde es nicht erstaunen, wenn andere Staaten bereits Schritte in diese Richtung eingeleitet hätten.
Amerikanische Politiker haben die Idee einer Bitcoin-Reserve auch schon weitergedreht. So hat die republikanische Senatorin Cynthia Lummis eine Gesetzesvorlage eingereicht, die verlangt, dass das amerikanische Schatzamt über fünf Jahre eine Reserve von einer Million Bitcoins aufbaut. Das entspräche einem Gegenwert von rund 60 Milliarden Dollar oder fast 5 Prozent aller Bitcoins, die es je geben kann.
Bitcoin als Reserve-Währung: skeptische SNB
In der Schweiz ist man skeptisch, was das Halten von Bitcoin als Reserve-Währung betrifft. An der Generalversammlung der Schweizerischen Nationalbank (SNB) im April sagte ihr Chef, Thomas Jordan, dass die SNB noch nicht entschieden habe, ob sie in Bitcoin investieren wolle. Der Grund für die Zurückhaltung: «Währungsreserven sind internationale Zahlungen. Sie müssen liquide sein. Sie müssen nachhaltig sein. Und wir müssen in der Lage sein, sie zu verkaufen und zu kaufen», sagte Jordan.
Für Meisser war Trumps Ansage einer Bitcoin-Reserve hingegen eine «Sensation», denn er sieht das langfristig grösste Potenzial von Bitcoin auch als staatlich unabhängige Weltreservewährung. Nationale Bitcoin-Reserven wären ein grosser Schritt in diese Richtung, glaubt er. Hinzu kommt, dass Länder, die früh mit dem Aufbau beginnen, sich günstiger mit Bitcoin eindecken könnten.
Vor allem die USA hätten ein grosses Interesse, bedeutende Bitcoin-Bestände zu halten, denn jede Aufwertung des Bitcoins höbe automatisch den Status des Dollars an. «Für die Amerikaner wäre es eine Absicherung dagegen, dass der Bitcoin dem Dollar einst den Rang ablaufen könnte», glaubt Meisser. Auch für die Schweiz erachtet er eine Bitcoin-Reserve als sinnvoll, denn damit könnte die Unabhängigkeit gegenüber dem Euro- und dem Dollar-Währungsraum gestärkt werden.