Die höchsten Sicherheitsberater der US-Regierung diskutierten Angriffspläne in Jemen in einer privaten App. Die Demokraten fordern Untersuchungen und Rücktritte. Doch der Präsident will keinen Skandal sehen.
Am Montag spekulierten einzelne amerikanische Medien bereits über einen möglichen Rücktritt von Mike Waltz. «Politico» zitierte mehrere Regierungsmitarbeiter, die sich über die Verantwortungslosigkeit und Dummheit des Beraters für nationale Sicherheit beklagten. Waltz war es womöglich, der den Chefredaktor des «Atlantic» vor zwei Wochen versehentlich zu einem Gruppen-Chat auf der privaten Nachrichten-App Signal einlud, um geheime Angriffspläne in Jemen zu koordinieren.
Am Dienstagmorgen legte Donald Trump jedoch seine schützende Hand über seinen Berater: «Waltz hat seine Lektion gelernt. Und er ist ein guter Mann», sagte der amerikanische Präsident dem Fernsehsender NBC in einem Interview. Die Präsenz des Chefredaktors Jeffrey Goldberg in dem Chat habe keinerlei Auswirkungen auf die Militäroperation in Jemen gehabt. Gemäss Trump war es nicht Waltz selbst, sondern offenbar einer seiner Mitarbeiter, der Goldberg aus Versehen zu dem Chat hinzufügte. Es sei «die einzige Panne in zwei Monaten gewesen», meinte Trump. «Und sie stellte sich nicht als eine ernsthafte Sache heraus.»
Kein Mitarbeiter treffe eine Schuld, erklärte Waltz dann jedoch am Abend in einem Interview auf Fox News. «Ich übernehme die volle Verantwortung, ich habe die Gruppe kreiert.» Wie Goldberg in den Chat eingeladen wurde, konnte Waltz indes nicht genau erklären. Irgendwie sei der Journalist in die Telefonkontakte «von jemandem geraten und in die Gruppe gesogen» worden. Waltz bezeichnete Goldberg als «übelsten Abschaum eines Journalisten» und suggerierte dabei, dass Goldberg sich vielleicht mutwillig Zugang verschafft haben könnte: «Natürlich habe ich diesen Verlierer im Chat nicht gesehen. Es sah wie jemand anders aus. Ob er dies absichtlich tat oder ob es auf andere technische Weise geschah, versuchen wir herauszufinden.»
Weisses Haus streitet alles ab
In der Kritik steht allerdings nicht nur Waltz, sondern vor allem auch Verteidigungsminister Pete Hegseth. Wie Goldberg am Montag berichtete, teilte Hegseth in dem Chat die detaillierten Pläne für Angriffe auf die Huthi-Miliz in Jemen mit Zielen, zur Anwendung kommenden Waffen und Sequenzen der Attacken. Der Verteidigungsminister stritt dies am Montag ab: «Niemand verschickte Kriegspläne.» Doch dies sei eine Lüge, entgegnete Goldberg in einem Interview auf CNN am Montagabend. Er habe diese Textnachrichten in seinem Artikel nicht veröffentlicht, weil er die Informationen für «zu vertraulich» gehalten habe.
Karoline Leavitt, die Pressesprecherin des Weissen Hauses, übernahm am Dienstag die Wortwahl des Verteidigungsministers. Erstens seien «keine Kriegspläne» diskutiert worden, schrieb Leavitt auf X. Und zweitens seien keine geheimen Informationen in dem Chat veröffentlicht worden. «Goldberg ist bekannt für seinen Sensationalismus.» Und überdies seien die Angriffe auf die Huthi-Miliz erfolgreich und effektiv gewesen. «Terroristen wurden getötet, und das ist es, was Präsident Trump am wichtigsten ist.»
Auch einzelne republikanische Politiker kritisieren allerdings das Verhalten der eigenen Regierungsmitglieder. «Das ist ein grober Fehler», erklärte der Kongressabgeordnete Don Bacon am Montag. «Sie haben absichtlich streng geheime Informationen auf ein ungesichertes Gerät geladen.» Er hätte in der Luftwaffe seine Sicherheitszulassung für viel geringere Vergehen verloren.
CIA-Direktor erinnert sich an wenig
Andere Republikaner zeigen sich ebenfalls besorgt. Doch eine tiefgreifende Untersuchung des Vorfalls im Kongress dürften die Konservativen wohl kaum zulassen. Dieser Eindruck bestätigte sich auch bei einer Anhörung am Dienstag im Geheimdienstausschuss des Senats. Der CIA-Direktor John Ratcliffe, die Geheimdienstkoordinatorin Tulsi Gabbard und andere Regierungsfunktionäre präsentierten den Jahresbericht zur weltweiten Bedrohungslage. Das Hearing war schon lange geplant. Doch nun erhielt es eine besondere Brisanz: Ratcliffe und vermutlich auch Gabbard gehörten ebenfalls zur Chat-Gruppe – auch wenn dies Gabbard am Dienstag nicht bestätigen wollte.
Der republikanische Vorsitzende des Ausschusses, Senator Tom Cotton, stellte jedoch keinerlei kritische Fragen zu dem Vorfall. Stattdessen gratulierte er Hegseth, Waltz und dem «gesamten Team für nationale Sicherheit» zu den Angriffen auf die Huthi-Miliz in Jemen. Andere republikanische Senatoren kündigten an, dass sie ihre Fragen zum «Signal-Gate» im zweiten, für die Öffentlichkeit nicht zugänglichen Teil der Anhörung stellen werden.
So waren es die demokratischen Senatoren, die Gabbard und Ratcliffe mit harten Fragen löcherten. Beide sagten jedoch aus, dass in dem Chat keinerlei Informationen geteilt worden seien, die einer Geheimhaltungspflicht unterstanden hätten. Mark Warner, der stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses, wollte deshalb wissen: «Wenn die Informationen nicht geheim sind, warum veröffentlichen Sie diese dann nicht?» Eine klare Antwort darauf erhielt er nicht.
Auf die Frage, ob der Chat auch Informationen über eingesetzte Waffen, Ziele und das Timing der Angriffe enthalten habe, antwortete Ratcliffe ausweichend: «Nicht dass ich wüsste.» Letztlich entscheide in diesem Fall aber der Verteidigungsminister darüber, was geheim sei und was nicht. Gleichzeitig verteidigte sich der CIA-Direktor aber gegen den Vorwurf, fahrlässig den Namen eines aktiven Geheimdienstmitarbeiters in dem Chat preisgegeben zu haben. Bei der Person handle es sich nicht um einen verdeckt operierenden Agenten. Deshalb sei dies kein Problem gewesen. Es sei zudem erlaubt, Signal zu koordinativen Zwecken zu verwenden. An die Details der Diskussionen in dem Chat wollte sich Ratcliffe allerdings nicht mehr erinnern. Senator Jon Ossoff wollte von ihm wissen, ob das Ganze nicht «ein riesiger Fehler» gewesen sei. Ratcliffe antwortete: «Nein.»
Auch Republikaner wünschen sich noch eine weitere Klärung des Vorfalls. Die Fakten und Umstände müssten noch genauer untersucht werden, meinte Senator John Cornyn am Dienstag. Da seine Partei eine Mehrheit in beiden Parlamentskammern besitzt, liegt alle Macht dazu in republikanischen Händen. Gegen Trumps Willen dürften die Republikaner dies allerdings kaum tun. Zumal der Druck der konservativen Medien relativ bescheiden ist. Der Fox-News-Moderator Sean Hannity sprach am Montag von einer «Schmutzkampagne» und warf den Demokraten eine «falsche Empörung» vor. In der Show seines Kollegen Jesse Watters wurde eine verständnisvolle Bauchbinde eingeblendet: «Wir alle haben schon einmal der falschen Person eine Textnachricht geschickt.» Es werde nicht mehr passieren, meinte Watters.
Trump-Kritiker teilten im Internet indes ein altes Fernsehinterview, in dem Hegseth harte Konsequenzen für Hillary Clintons unsorgfältigen Umgang mit Geheiminformationen forderte: «Jeder Sicherheitsbeamte wäre auf der Stelle entlassen worden.» Der demokratische Kongressabgeordnete Eric Swallwell schrieb dazu: «Pete Hegseth denkt, wir sollten Pete Hegseth entlassen.» Dafür fehlt den Demokraten heute indes die Macht.