Ein zweifelhafter chinesischer Geschäftsmann freundete sich mit Prinz Andrew an und stieg in die höchsten Etagen der britischen Gesellschaft auf. Dann schlugen die Geheimdienste Alarm.
Dass Prinz Andrew bei der Wahl seiner Bekanntschaften eine unglückliche Hand hat, ist bekannt. Der jüngere Bruder von König Charles III. geriet wegen seiner Freundschaft mit dem verurteilten Sexualstraftäter und Millionär Jeffrey Epstein in Verruf. Der als «Party-Prinz» bekannte Royal bestritt zwar stets die Vorwürfe, er habe Virginia Guiffre, ein Opfer von Epstein, zu Geschlechtsverkehr gezwungen. Dennoch liess er Guiffre 2022 in einem Vergleich eine zweistellige Millionensumme zukommen.
Nun prasseln die Negativschlagzeilen der britischen Presse erneut über Andrew herein. Diesmal geht es freilich nicht um einen Sexskandal, sondern um eine undurchsichtige Spionageaffäre, die Grossbritannien in helle Aufregung versetzt.
Geschicktes Networking
Im Zentrum der Affäre steht ein 50-jähriger Chinese, der vor über zwanzig Jahren als Student ins Vereinigte Königreich kam. Nach dem Studium wirkte er als Geschäftsmann und drang über geschicktes Networking in hohe gesellschaftliche Zirkel bis in den Freundeskreis von Prinz Andrew vor. Der oberste Berater des Prinzen schrieb ihm 2021: «Abgesehen von Prinz Andrews engsten inneren Vertrauten geniessen Sie eine Stellung zuoberst auf der Liste, auf der sich viele Leute gerne wiederfänden.»
Der Geschäftsmann, der auch auf Fotos mit den ehemaligen britischen Premierministern David Cameron und Theresa May zu sehen ist, eröffnete seinem Beziehungsnetz geschäftliche Möglichkeiten oder einflussreiche Kontakte in China. Er war zweimal im Buckingham-Palast zu Gast. Der Mann wirkte auch als Begründer eines von Andrew initiierten Investitionsvehikels in China, an dessen Profit Andrew persönlich beteiligt war.
Ende 2021 wurde er aber an der Einreise ins Vereinigte Königreich gehindert, doch wurde der Fall im Zuge eines Rekursverfahrens erst jetzt publik. Die Geheimdienste hatten schon länger den Verdacht, der Mann sei als chinesischer Spion tätig und habe in Grossbritannien «feindliche Aktivitäten» betrieben. So soll er dem United Front Work Department angehören, das dem Zentralkomitee der KP unterstellt ist. Zu den Aufgaben dieser Organisation gehört die Beeinflussung im Ausland lebender Chinesen, aber auch von Angehörigen der Eliten ausländischer Staaten.
Der Fall hat in Grossbritannien eine grosse mediale Aufregung ausgelöst. Allerdings dürfte der mutmassliche Spion über seine Aktivitäten kaum in den Besitz von Staatsgeheimnissen gekommen sein, zumal Andrew nicht unmittelbar über die politischen Geschäfte informiert wird.
Der Geschäftsmann betonte Anfang Woche in einer Stellungnahme, die Vorwürfe gegen ihn seien falsch. Er bezeichnete sich als Opfer des verschlechterten politischen Klimas zwischen Grossbritannien und China. Ein Sprecher des Aussenministeriums in Peking sprach von einem «ungerechtfertigten Hype».
Subtile Aktivitäten
Allerdings geht es bei den Spionagetätigkeiten längst nicht nur um die Beschaffung von geheimem Material. Die britischen Geheimdienste vermuten vielmehr, der Geschäftsmann habe eine «Elite-Capture-Operation» durchführen wollen. Konkret habe er den wegen der Epstein-Affäre geschwächten Prinzen Andrew von sich einnehmen wollen, um dessen Reputation als Royal für chinesische Interessen nutzbar zu machen.
Der Peking-kritische Tory-Abgeordnete Ian Duncan Smith betonte während einer dringlichen Unterhausdebatte, der chinesische Geschäftsmann sei kein Einzelfall. Der Abgeordnete verwies auf einen Bericht des Sicherheitsausschusses, der im letzten Jahr zu dem Schluss gekommen war, dass chinesische Agenten versuchten, alle Sektoren der britischen Wirtschaft sowie die staatlichen Institutionen zu unterwandern.
Die Grenze zwischen legitimen Beratungstätigkeiten und subtilen Beeinflussungsversuchen lässt sich dabei kaum haarscharf ziehen. Kem McCallum, Direktor des Inlandgeheimdienstes MI5, sprach von «heimlichen, erpresserischen oder korrumpierenden Aktivitäten». Konservative Abgeordnete forderten den Labour-Premierminister Keir Starmer auf, China zur nationalen Bedrohung zu erklären, was härtere Strafen wegen Spionagetätigkeiten ermöglichen würde. Allerdings befürchtet die Regierung, ein solcher Schritt könnte die Wut Pekings und damit erhebliche wirtschaftliche Konsequenzen nach sich ziehen.
Konsequenzen hat die Affäre für Prinz Andrew. Wegen des Epstein-Skandals musste er bereits einige seiner Titel zurückgeben. Seit 2022 nimmt er keine offiziellen Termine mehr wahr, bei privaten Terminen der Königsfamilie war er jedoch weiterhin zugegen. Nun aber liess der Königspalast ausrichten, Andrew werde an der königlichen Weihnachtsfeier auf Schloss Sandringham fehlen und auch auf die traditionelle Teilnahme am Gottesdienst verzichten.








