«F1» ist ein Blockbuster über die Formel 1 – und über den Körper des grössten Hollywoodstars der Welt.
Das Kino erzählt mit Hingabe und Ausdauer davon, dass sich Männer gern in Geschosse verwandeln. Es geht um Autos, Motoren und Geschwindigkeit. Vor allem aber um Körper und Ballistik. Piloten sind Projektile, und die Waffen sind Raketen, Rennboote, Jets. Oder wie in «F1»: Boliden.
Während 156 Filmminuten wird ein Bolide mit Brad Pitt durchgeladen und auf das Publikum abgefeuert. Joseph Kosinski, der bereits bei «Top Gun: Maverick» (2022) Regie führte, schiesst schnell und mit grossem Kaliber: Weltmeisterschaft, neun Etappen und von Rennen zu Rennen mehr Getöse, Dramatik und Risiko.
«F1» ansehen heisst Brad Pitt anschauen
Brad Pitt in der Rolle des alten Haudegens, Damson Idris als junges Talent mit Karrierehunger, Javier Bardem als Rennstallbesitzer mit Ehrgefühl und Geldproblemen. Dazu eine geniale Ingenieurin (Kerry Condon) und ein erst skeptisches, dann superloyales Team: Das ist das Personal für eine Inszenierung, die erzählerische Standards abklappert wie ein Tourismusbus seine Stationen. Aber das macht nichts, weil die Sehenswürdigkeit hier nicht per Dramaturgie entsteht, sondern durch das Spektakel.
«F1» ansehen heisst Brad Pitt anschauen, den begabtesten Pin-up-Boy des modernen Kinos. Klar stand er seinen Mann im Sinne einer konfliktbeladenen bis zerrütteten Virilität – von «Seven» über «Fight Club» bis «Babylon» –, aber es war doch immer der Glamour der Sexyness, der ihn über seine Generationenkollegen hinaushob. Sein Karrierebeginn in «Thelma & Louise» (1991) stand ganz im Zeichen einer erotisch aufgeladenen Aasigkeit, und auch in dieser Rolle bildet die Hardware oder der Body den Mittelpunkt. Brad Pitt ist der Inbegriff des fetischierten Darstellerkörpers, so wie früher die weibliche Physis der Fluchtpunkt des Zuschauerbegehrens war. So gesehen ist Pitt die Quersumme aus altem Sexismus und postfeministischer Subversion.
Der zweite Körper, dessen Schauwerte in «F1» bewirtschaftet werden und die Leinwand qualmen lassen, ist der des Boliden. Dass man Autos mit sexuellen Reizen betankt, ist nichts Neues. Jeder Pirelli-Kalender macht sich diese Logik zunutze. «F1» aber ästhetisiert das Gerät bis an die Grenze des Kunstwerks, und die Szenen, in denen uniformierte Technikerinnen und Techniker ihre Rennwagen herrichten, haben den Charme einer Performance. Ingenieure als Kuratoren und Fahrer als Stars eines Happenings: Joseph Kosinski gelingt streckenweise ein Szenario, das im Museumskontext als bildbewegte Installation durchginge. So gesehen kann auch der CO2-bewusste E-Biker den Film geniessen: als bilderbrausende Feier von Maschinenschönheit.
Motor der Selbstironie
Am besten nimmt man «F1» als spirituelle Übung zur Kenntnis. So wie von Rennen zu Rennen die Semantik verpufft wie der Treibstoff in einem Zylinder, lädt sich das Geschehen mit ballistischen Energien auf. Es ist schön, dass Brad Pitt diesen alternden Rennsportler spielt, weil der Motor seiner Coolness weiterhin die Selbstironie ist und nicht wie bei Tom Cruise eine pathologische Disziplin. Und dass Damson Idris wirklich, wie er es auch im Film selbst sagt, ein bezauberndes Lächeln hat und darüber hinaus den Part des Aufsteigers im Rat-Race der Sportkarriere souverän spielt – auch das ist nett anzuschauen. Aber in Erinnerung bleiben wird «F1», wenn überhaupt, als Apotheose des beschleunigten Körpers.
Was dieser Film über Männlichkeit aussagen will? Es erschliesst sich womöglich durch einen Satz von Brad Pitt am Ende: Als der siegreiche Fahrer weiterzieht – einsame Wölfe machen das so, nachdem sie eine Gruppe, ein Gemeinwesen, ein «System» erst mit ihrem Eigensinn aufgemischt, dann bereichert haben –, da sagt er: «Ich bin ein Drachentöter.» Konservative, das heisst auf Werte wie Loyalität, Treue und sogar Opfersinn setzende Männlichkeit passt nicht mehr recht in eine sich habituell aufsplitternde, normenkritische und sozial feinstziselierte Wirklichkeit. Sie gehört in den Bereich der Mythen und der Fantasy.
Im Kino.