Ein amerikanischer Entwurf für eine Waffenruhe soll angeblich bei Israel und dem Hizbullah auf grundsätzliche Zustimmung gestossen sein. Dennoch ist es unwahrscheinlich, dass der Krieg in Libanon bald endet.
Amos Hochstein ist in Beirut ein alter Bekannter. Unzählige Male ist der US-Sonderbeauftragte in den letzten Monaten in die libanesische Hauptstadt gereist, um im Grenzkrieg zwischen Israel und dem Hizbullah zu vermitteln. Doch statt einen Waffenstillstand auszuhandeln, musste er mit ansehen, wie der Konflikt völlig ausser Kontrolle geriet.
Jetzt versucht es Hochstein noch einmal – vielleicht zum letzten Mal, ehe er das Libanon-Dossier an einen noch nicht bekannten Nachfolger aus der Trump-Administration übergibt. Frühestens am Dienstag soll er angeblich erneut nach Beirut kommen und mit Nabih Berri zusammensitzen – dem libanesischen Parlamentspräsidenten, Hizbullah-Verbündeten und Impresario der Beiruter Politik. Das Ziel des Treffens: den Krieg in Libanon zu beenden.
Für einmal scheint es sogar einen Funken Hoffnung zu geben. Denn laut libanesischen Medien soll tatsächlich ein konkreter Vorschlag auf dem Tisch liegen, dem sowohl Israel als auch Hizbullah nicht abgeneigt seien. Die Miliz, so der Beiruter Fernsehsender al-Jadid, habe einen ihr präsentierten US-Entwurf als «grundsätzlich positiv» eingestuft.
Der Entwurf hat seine Tücken
Seither herrscht im kriegsversehrten Libanon, wo Israels Armee seit Wochen heftige Luftangriffe fliegt und auch am Boden vorstösst, vorsichtiger Optimismus. «Wir hoffen alle, dass es jetzt endlich klappt», sagt der Chef des Krisenstabs in der südlibanesischen Stadt Sidon. «Wenn der Krieg den Winter durch andauert, bekommen wir richtige Probleme.»
Nur: der Waffenstillstands-Entwurf hat seine Tücken. So sieht er angeblich nicht nur eine strikte Umsetzung der Uno-Resolution 1701 vor, die einen Abzug des Hizbullah aus Südlibanon verlangt. Zusätzlich soll auch ein internationales Konsortium aus Garantiemächten die Einhaltung überwachen. Und im Falle einer Nichterfüllung will sich Israel das Recht vorbehalten, weiterhin Angriffe auf Libanon zu fliegen.
Vor allem letzter Punkt sorgt für Ärger. Der Hizbullah hat unter den Schlägen der Israeli zwar arg gelitten. Geschlagen ist er aber nicht, wie der hartnäckige Abwehrkampf seiner Truppen in Südlibanon gegen Israels Armee beweist. Die Miliz dürfte sich deshalb kaum auf eine Carte Blanche einlassen, die es den Israeli erlauben würde, Hizbullah-Stellungen auch in Zukunft zu beschiessen.
Der Hizbullah verliert weitere Kader
Öffentlich geäussert hat sich der Hizbullah bisher dazu nicht. «Es ist ja wohl verständlich, dass wir jetzt nicht mitten im Gefecht unsere Bedingungen bekanntgeben», sagte Hussein Hassan, ein Angeordneter der Truppe Ende letzter Woche. Zudem würde die Miliz ein Abkommen wohl kaum ohne Einverständnis ihrer iranischen Verbündeten eingehen.
Ali Larijani, ein Berater des iranischen Revolutionsführers Ali Khamenei, – der vergangene Woche ebenfalls in Beirut zu Besuch war – liess zumindest durchblicken, dass sein Chef gegen ein Ende der Kämpfe in Libanon nichts einzuwenden hätte. In Teheran will man den Krieg an der Levante lieber heute als morgen beenden. Denn Iran hat kein Interesse daran, dass ihr wichtigster Verbündeter weiter geschwächt wird.
Derweil verliert der Hizbullah weiter Kader. Zuletzt erwischte es den Mediensprecher Mohammed Afif, der am Sonntagnachmittag bei einem Angriff auf das Beiruter Stadtviertel Ras al-Nabah ums Leben kam. Nur ein paar Tage zuvor hatte Afif in der schwer zerstörten Schiitenvorstadt Dahiye noch zu einer Pressekonferenz geladen und Durchhalteparolen verbreitet.
Es ist unklar, ob Hochstein wirklich kommt
Gleichzeitig haben die Israeli ihr Bombardement weiter ausgeweitet. Inzwischen greifen sie den Süden von Beirut und weitere Gegenden Libanons schon vormittags an. Dabei wurden etwa in der ostlibanesischen Stadt Baalbek am vergangenen Donnerstag 15 Mitglieder des staatlichen Zivilschutzes getötet. Doch auch Israels Ministerpräsident Netanyahu scheint einer Beendigung des Libanon-Krieges nicht abgeneigt zu sein. Der Kampf im Norden droht die sowieso schon lädierte israelische Wirtschaft weiter zu belasten und bindet Truppen.
Ein schnelles Kriegsende ist trotzdem kaum in Sicht. So ist laut Medienberichten noch unklar, ob Hochstein seine Reise tatsächlich antritt. Beobachter vermuten, dass es auch im besten Falle einige Verhandlungsrunden brauchen wird, um Differenzen auszubügeln. Und sollte Israel auf allzu harten Bedingungen bestehen, dürfte der Hizbullah den Vorschlag ablehnen.
Angesichts des Desasters der letzten zwei Monate muss die Schiitenmiliz ihren Anhängern den Waffengang wenigstens vordergründig als Sieg verkaufen können. «Natürlich wollen wir, dass der Krieg endet», sagt Kamal, ein Flüchtling aus der südlibanesischen Stadt Tyros in einer Notunterkunft in Sidon. «Aber die Bedingungen müssen stimmen. Bevor der Widerstand verliert, soll er lieber weiterkämpfen.»