In seinen ersten Tagen im Amt hat Leo XIV. viel Sympathie erfahren. Auch bei einem Treffen mit Medienvertretern wird er gefeiert wie ein Pop-Star. Derweil gibt es Gerüchte darüber, warum er so rasch gewählt worden ist.
Als er die grosse Audienzhalle betritt, brandet Applaus auf. Papst Leo XIV. hält einen ganz kurzen Moment inne – als wundere er sich über den lautstarken Zuspruch, der ihm zuteilwird. Dann geht er weiter, raschen Schrittes, und nimmt auf seinem grossen Stuhl Platz, flankiert von zwei Schweizergardisten. Papst Leo XIV. verliert keine Zeit an diesem Montagvormittag, als er die Vertreter der Medien empfängt. Es ist ein Grossanlass. Gegenwärtig befinden sich mehrere Hundertschaften von Journalisten in der Stadt.
Seine Mitarbeiter händigen ihm das Manuskript aus, dann, nach einigen Sätzen auf Englisch, trägt er in fast akzentfreiem Italienisch seine Rede vor. Er bedankt sich bei den Journalisten für ihre Arbeit «im Dienst an der Wahrheit», beklagt das Schicksal inhaftierter Reporterinnen und Reporter auf der Welt, fordert deren Freilassung und bekräftigt «die Solidarität der Kirche mit den Journalisten». Erneut gibt es viel Applaus.
Kommunikation, so ermahnt er die Medienleute dann, sei indessen mehr als die Übermittlung von Informationen. Vielmehr gehe es um «die Schaffung einer Kultur und menschlicher und digitaler Umgebungen, die zu Räumen des Dialogs und des Austauschs werden». Die Menschheit brauche keine «donnernde Kommunikation», sagt er. «Entwaffnen wir die Worte und helfen wir, die Erde zu entwaffnen.»
Damit knüpft Papst Leo an seine Rede unmittelbar nach der Wahl am letzten Donnerstag an. Diese setzte mit den Worten «Der Friede sei mit euch» ein. Und auch die Messe am vergangenen Sonntag nutzte er für einen eindringlichen Friedensappell.
Er scheint zum Motto der ersten Stunden des Pontifikats von Robert Francis Prevost zu werden, und es wird interessant sein zu beobachten, ob der neue Pontifex in den jetzt im Ukraine-Krieg angekündigten Friedens- beziehungsweise Waffenstillstandsverhandlungen das Momentum nutzt, um auch eine konkrete Rolle zu spielen. Es wäre ein Auftakt nach Mass für den neuen Papst aus Amerika. Am Montag ist es bereits zu einem ersten telefonischen Kontakt mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski gekommen, der den Papst nach Kiew eingeladen hat.
Tour de Force mit Reden und Auftritten
Die ersten Tage hat Leo XIV, der in den Augen vieler gleichsam aus dem Nichts auf den Stuhl Petri gewählt wurde, genutzt, um der Welt ein etwas genaueres Bild von sich zu vermitteln. Dafür hat er seit Donnerstag eine eigentliche Tour de Force absolviert: Am Freitag hat er in einer Predigt in der Sixtinischen Kapelle seiner Besorgnis über den sich ausbreitenden Atheismus Ausdruck verliehen. «Diejenigen, welche die Figur Jesu auf eine Art Superman reduzieren, irren sich», sagte er. Der Verlust des Glaubens gehe oft mit eigentlichen Dramen einher: Zweifeln am Sinn des Lebens, Vernachlässigung der Barmherzigkeit, Verletzung der Menschenwürde. Mission sei dringend erforderlich. Leos Predigt tönte wie ein theologisches Manifest und ein Aufruf zur Missionsarbeit.
Am Samstag wandte er sich sodann an die Kardinäle und bat sie um ihre Mithilfe bei der Bewältigung seiner Aufgaben. Bis auf weiteres hat er die bisherigen Chefs der wichtigsten Dikasterien (Ministerien) des Heiligen Stuhls in ihren Ämtern bestätigt. Grössere personelle Umbauten scheinen derzeit nicht seine Priorität zu sein.
Auch hat er sich immer wieder den Gläubigen gezeigt: bei einem Ausflug ins sechzig Kilometer von Rom entfernte kleine Dorf Genazzano etwa, das als Wallfahrtsort vor allem für die Augustiner, zu denen sich Leo zählt, von grosser Bedeutung ist. Oder bei einer Fahrt zur Basilika Santa Maria Maggiore in Rom, wo Papst Franziskus am 26. April beigesetzt wurde.
Es waren Ausflüge von hohem symbolischem Wert, die bei den Gläubigen grosses Echo fanden. Der neue Papst zeigte sich dabei freundlich, ja manchmal richtig leutselig, etwa wenn er sich für Selfies zur Verfügung stellte oder einem am Strassenrand stehenden Fan des Fussballklubs AS Roma «Forza Roma» zurief. Kein Zweifel: Der «Papa americano», wie ihn die Zeitungen hier nennen, hat viele Herzen im Sturm erobert.
Derweil werden weitere Details über seine Wahl bekannt. Es heisst, der als Topfavorit gehandelte Kardinal Pietro Parolin habe dem später Gewählten nach dem ersten Wahltag den Vortritt gelassen. Schliesslich sei Prevost mit über hundert Stimmen (von 133 Wählern) gewählt worden. In der säkularen Welt würde man das als Erdrutschsieg bezeichnen. Überprüfen lässt es sich nicht. Aber es tönt plausibel, und die These wird von langjährigen Vaticanisti geteilt.
Das Mario-Draghi-Lächeln
Etwas von der einnehmenden Art des neuen Pontifex haben auch die Medienvertreter am Montag gespürt. Als er von der Bühne hinunterschreitet, um mit einigen von ihnen ins Gespräch zu kommen, wird er von einer Welle der Sympathie erfasst. Leo begrüsst einen nach dem anderen: Blickkontakt, ein Lächeln da, ein Scherzchen dort. Als ihm der Vertreter dieser Zeitung Grüsse aus dem protestantischen Zürich überbringt, nickt er anerkennend. Für viel mehr als ein paar Worte und einen festen Händedruck bleibt keine Zeit, nebenan wartet ungeduldig der Kollege aus Brasilien. Und von hinten ertönen «Viva il Papa»-Rufe.
Es herrscht Stadion-Atmosphäre, einige Kolleginnen und Kollegen lassen die professionelle Distanz vermissen und jubeln Leo XIV. zu, als wäre er ein Pop-Star. Er lässt es über sich ergehen und lächelt sein stilles, verschmitztes Lächeln. In Anlehnung an Mario Draghi, den früheren Chef der Europäischen Zentralbank und ehemaligen Ministerpräsidenten, nennt man es da und dort bereits Draghi-Lächeln.
Nach einer guten Stunde ist die Medienaudienz vorbei. Der nächste Termin ruft, und die Woche beginnt erst. Am Freitag wird er das im Vatikan akkreditierte diplomatische Korps empfangen, am nächsten Sonntag findet auf dem Petersplatz die grosse Feier zur offiziellen Amtseinführung statt. Derzeit machen Spekulationen die Runde, Donald Trump werde dafür erneut nach Rom reisen.