Bundesrätin Baume-Schneider ernennt Doris Bianchi zur neuen Amtsdirektorin. Der Spitzenposten bleibt damit in sozialdemokratischer Hand. Das stösst auf Kritik.
Der Wirbel um die falschen AHV-Berechnungen hat ihn den Job gekostet. Im vergangenen Herbst gab Stéphane Rossini bekannt, dass er per Ende Juni als Direktor des Bundesamtes für Sozialversicherungen zurücktreten wolle, um sich neuen beruflichen Tätigkeiten zu widmen.
Nach internen Kontrollen hatte das Amt festgestellt, dass es fehlerhafte Berechnungsformeln verwendet hatte. Der Bund musste seine Prognosen für die AHV massiv nach oben korrigieren: Das Sozialwerk stand um 4 Milliarden Franken besser da als bisher angenommen. Ein Bericht entlastete Rossini zwar. Ihm könne keine Verletzung der Sorgfaltspflicht angelastet werden, hiess es. Doch da hatte Rossini schon gekündigt, und die Suche nach einer Nachfolge hatte begonnen.
Am Mittwoch hat Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider (SP) die Personalie an einer Medienkonferenz in Bern verkündet. Nachfolgerin Rossinis wird per Anfang September Doris Bianchi. Die promovierte Juristin amtet heute als Direktorin der Pensionskasse des Bundes, Publica. Sie ist Mitglied der Sozialdemokratischen Partei und war von 2018 bis 2020 persönliche Mitarbeiterin des SP-Bundesrats Alain Berset. Davor war sie zwölf Jahre als stellvertretende Sekretariatsleiterin und Zentralsekretärin für den Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB) tätig.
100 Mitarbeitende geleitet
Bianchi verfüge über exzellente Kenntnisse im Bereich der Sozialversicherungen, sagte Baume-Schneider vor den Medien. Zudem sei sie in Politik, Wirtschaft und Verwaltung bestens vernetzt und bringe Führungserfahrung mit. Die Publica sei mit rund 60 000 Versicherten und 100 Mitarbeitenden eine der grössten Pensionskassen der Schweiz – und kein Gewerkschaftsnetzwerk. Bianchi kenne ihre Dossiers und das Innendepartement sehr gut.
Die designierte BSV-Direktorin befasst sich schon lange mit den Sozialversicherungen. Zwischen 2011 und 2024 war sie unter anderem Mitglied der Eidgenössischen Kommission für die berufliche Vorsorge (BVG), der Kommission für die AHV und die Invalidenversicherung sowie Präsidentin des Stiftungsrats des BVG-Sicherheitsfonds.
«Mein Werdegang ist geprägt vom Engagement für die soziale Sicherheit», sagte Bianchi. Ein austariertes Sozialsystem trage wesentlich zum Zusammenhalt der Schweiz bei – und letztlich auch zur Sicherheit. Sie wolle sich für zukunftsfähige und solide Sozialversicherungen einsetzen.
Die zweisprachige Bianchi ist im Kanton Baselland als Kind von Einwanderern aus Italien aufgewachsen. Ihre ersten Sätze an der Medienkonferenz sprach sie auf Italienisch. Bianchi lebt mit ihrer Familie in Bern.
Die «rote Kapelle»
Mit Bianchi bleibt der Spitzenposten im Bundesamt für Sozialversicherungen in SP-Hand. Schon Stéphane Rossini gehört – wie viele Mitarbeiter Baume-Schneiders – der Sozialdemokratischen Partei an. Er sass für die Partei sogar jahrelang im Nationalrat. Das Innendepartement steht seit längerem im Ruf, eine «rote Kapelle» zu sein.
Auf bürgerlicher Seite stösst Baume-Schneiders Ernennung auf Kritik. Die Bundesrätin setze wie ihr Vorgänger auf sozialdemokratisches Personal, sagt der Zürcher Nationalrat Andri Silberschmidt, Vizepräsident der FDP und Mitglied der Sozialkommission. Das scheine ein Muster zu haben. Dabei sollten Teams unterschiedlich zusammengesetzt sein. «Sonst ist die Gefahr gross, dass Projekte des BSV im Parlament scheitern.»
Bianchi wird bei den anstehenden Reformen der AHV und der IV eine wichtige Rolle spielen. Die designierte Amtsdirektorin sagte vor den Medien, sie sehe ihre Aufgabe darin, mehrheitsfähige Vorlagen auszuarbeiten.
Spätestens im Parlament dürfte bei der ersten Säule auch ein höheres Rentenalter zur Diskussion stehen. Bianchi äusserte sich vor den Medien skeptisch. Ausser bei der Anhebung des Frauenrentenalters auf 65 Jahre seien Erhöhungen nie durchgekommen, sagte sie. «Die Mehrheitsfähigkeit eines Erhöhungsschrittes ist an einem sehr sehr kleinen Ort.»