Nach der Autoindustrie und der Raumfahrt wollte Elon Musk auch den amerikanischen Staat umkrempeln. Doch sein politischer Stern ist nach 100 Tagen verblasst. Der übermütige Unternehmer machte sich fast überall unbeliebt – auch bei den Wählern und im Kabinett.
Elon Musk investierte fast 300 Millionen Dollar in Donald Trumps Wahlsieg. Aber nicht nur sein Geld war für den republikanischen Präsidentschaftskandidaten eine Hilfe. Trump sonnte sich im Glanz des genialen Tech-Unternehmers. Bei seinen Auftritten schwärmte er ausgiebig davon, wie unglaublich Musks selbstlandende Trägerraketen seien. Bei seiner Siegesrede im November meinte er: «Wir haben einen neuen Star – Elon.»
Danach wirkten Trump und Musk unzertrennlich. Der reichste Mann der Welt schien bei jeder Entscheidung mitzureden, traf ausländische Staatsgäste, mischte sich in den deutschen Wahlkampf ein und übte womöglich mehr Einfluss auf den Präsidenten aus als vom Senat bestätigte Minister oder Vizepräsident J. D. Vance. Nach Musks drei Monaten im Amt ist sein politischer Stern jedoch bereits verblasst. Seinen engsten Beratern soll Trump vor vier Wochen erklärt haben, dass Musk seine Rolle im Weissen Haus bald aufgeben werde. Vergangene Woche kündigte der Unternehmer selbst an, dass er seine Regierungsarbeit stark reduzieren werde.
Verlorener Machtkampf im Kabinett
Ganz freiwillig tut er dies vermutlich nicht. Sein Rückhalt im Weissen Haus bröckelt: Kürzlich verlor der Tesla-Gründer einen internen Machtkampf gegen Finanzminister Scott Bessent. Musk hatte versucht, hinter dessen Rücken seinen eigenen Favoriten an der Spitze der Steuerbehörde durchzusetzen. Daraufhin eskalierte der Streit. In Hörweite des Präsidenten warfen sich die Männer im reiferen Alter wüste Beschimpfungen an den Kopf. «Fuck you», soll der als besonnen geltende Bessent geschrien haben, wie das Nachrichtenportal «Axios» berichtete. «Sag es lauter», erwiderte Musk. Auch die im Weissen Haus zu Besuch weilende italienische Regierungschefin Giorgia Meloni bekam die Auseinandersetzung offenbar mit.
Am Ende setzte sich Bessent durch. Der von ihm bevorzugte Kandidat für die interimistische Leitung der Steuerbehörde erhielt den Vorzug. Der Konflikt hatte eine längere Vorgeschichte. Musk sprach sich im November öffentlich dafür aus, Howard Lutnick zum Finanzminister zu machen. Trump entschied sich bei dem Schlüsselposten trotzdem für Bessent und ernannte Lutnick zum Handelsminister.
Musk hat sich in der Regierung aber nicht nur Bessent zum Feind gemacht. Bereits im März soll sich der Unternehmer in einer Kabinettssitzung mit Aussenminister Marco Rubio ein Wortgefecht geliefert haben. Wie die «New York Times» damals berichtete, war Rubio unzufrieden damit, wie Musk die unter seiner Aufsicht stehende Agentur für Entwicklungszusammenarbeit (USAID) mit brachialen Methoden weitgehend stilllegte. Bei der gleichen Sitzung beklagte sich auch Verkehrsminister Sean Duffy über Musks eigenmächtige Behörde für Regierungseffizienz (Doge). Diese hatte versucht, Fluglotsen zu entlassen – obwohl die Flughäfen derzeit grosse Mühe haben, genügend Personal auf dem Arbeitsmarkt zu finden.
Die von Musk forcierten Massenentlassungen von Beamten wirkten oft wahllos und wenig durchdacht. Teilweise wurden entlassene Staatsangestellte nach kurzer Zeit wieder eingestellt, weil sie sich als unentbehrlich erwiesen. Trump griff ein und erklärte, dass künftig in erster Linie die Minister Personalentscheidungen fällen sollten. Diese wüssten am besten, auf welche Mitarbeiter sie verzichten könnten. Es sei besser, bei den Entlassungen mit einem «Skalpell» statt mit einer «Axt» vorzugehen.
Bei einer Mehrheit der Amerikaner unbeliebt
Jüngst geriet Musk auch mit dem Präsidenten in Konflikt, als er Trumps protektionistische Zollpolitik kritisierte. Musk sprach sich öffentlich für eine Freihandelszone zwischen den USA und Europa aus. Gleichzeitig attackierte er Trumps langjährigen Handelsberater Peter Navarro, der als Vordenker der hohen Zölle gilt. In einem Post auf X bezeichnete ihn Musk als «Idioten», der «dümmer als ein Sack Backsteine» sei.
Ein Teil von Trumps nationalistischer und isolationistischer «America first»-Bewegung stand dem global vernetzten Unternehmer von Beginn an misstrauisch gegenüber. Bei einigen ihrer radikalen Mitglieder konnte Musk mit seiner Hitlergruss-ähnlichen Geste am Tag von Trumps Amtseinsetzung womöglich Sympathiepunkte sammeln. Aber der einflussreiche Podcaster und frühere Berater Trumps Steve Bannon kritisierte Musk immer wieder scharf: Er bezeichnete den in Südafrika geborenen Milliardär etwa als «Technofeudalisten» und «parasitischen illegalen Migranten». Bannon stört sich insbesondere daran, dass Musk die Zuwanderung qualifizierter Arbeitskräfte befürwortet.
Selbst der Trump-nahe Fernsehsender Fox News nannte Musk kürzlich eine «politische Hypothek» für den Präsidenten. Dies zeigte sich deutlich bei der Wahl für einen Richtersitz am Supreme Court in Wisconsin. Musk hatte auch in diesen Wahlkampf viel Geld und Zeit investiert, doch die von den Demokraten unterstützte Kandidatin gewann das Rennen in dem Swing State mit einem Vorsprung von zehn Prozentpunkten. Musk war es offenkundig nicht gelungen, zusätzliche Wähler in der Mitte zu mobilisieren. Gleichzeitig hatten die Demokraten ihn zu einer Reizfigur stilisiert, um die eigenen Wähler an die Urnen zu bringen.
Viele Teilnehmer der jüngsten Proteste gegen die Regierung in den USA wandten sich nicht in erster Linie gegen Trump, sondern gegen Musk – den «nicht gewählten Milliardär im Weissen Haus». Die Demokraten warnen vor einer Oligarchie in den USA. Und niemand personifiziert dieses düstere Bild besser als Musk: ein Milliardär, der massenhaft Beamte entlässt, öffentliche Hilfsprogramme streicht und sich gleichzeitig lukrative Staatsaufträge sichert. Gemäss der «Washington Post» haben seine Unternehmen in den vergangenen 20 Jahren öffentliche Gelder im Umfang von 38 Milliarden Dollar erhalten. Kürzlich sicherte sich SpaceX einen Pentagon-Auftrag für knapp 6 Milliarden Dollar.
Der Unternehmer Musk wurde bis vor kurzem als mutiger Visionär bewundert. Heute ist er bei einer Mehrheit der Amerikaner derart unbeliebt, dass seine Elektroautomarke Tesla schweren Schaden genommen hat. Nicht nur in den USA kam es in den vergangenen Wochen vor Verkaufsfilialen zu Protesten unter dem Motto «Tesla Takedown». Infolgedessen brach der Gewinn des Unternehmens im ersten Quartal um 71 Prozent ein. Bereits im März rief der Tesla-Investor Ross Gerber dazu auf, dass Musk die Führung des Konzerns abgeben solle.
Bisher bescheidene Einsparungen
Auch die Bilanz von Musks Regierungsarbeit fällt bescheiden aus. Ursprünglich hatte er vollmundig angekündigt, seine Doge-Behörde könne den Staatshaushalt mit Effizienzgewinnen um 2 Billionen Dollar (rund ein Drittel) verkleinern. Nun spricht Musk noch von Einsparungen von rund 150 Milliarden Dollar. Doch auch diese Zahl ist nicht sicher. «Doge ist keine ernsthafte Übung», erklärte die Wirtschaftsexpertin Jessica Riedl vom Manhattan Institute gegenüber Reuters. Sie schätzt die bisherigen Einsparungen lediglich auf 5 Milliarden Dollar. Riedl erwartet zudem, dass die oft überhasteten Bemühungen am Ende gar mehr kosten als einsparen könnten.
Musk stellt in Aussicht, künftig noch ein bis zwei Tage pro Woche für die Regierung zu arbeiten – «solange der Präsident dies möchte». Allerdings läuft Ende Mai sein Status als «besonderer Regierungsmitarbeiter» ohnehin aus. Bei einer dauerhaften Beschäftigung müsste er mögliche Interessenkonflikte offenlegen oder bereinigen. Vermutlich wird Musk künftig eine unscheinbarere, unterstützende Rolle versehen. Vizepräsident Vance kündigte an, Musk werde «ein Freund und Berater» bleiben. Auf seine Millionen dürften die Republikaner in den kommenden Wahlkämpfen weiterhin gerne zählen.
Im Grunde wusste Musk um die grossen Risiken seines politischen Abenteuers. In einem Interview im Oktober meinte er: «Wenn Trump verliert, bin ich am Arsch.» Trotz dem Wahlsieg geriet Musk nun aber in die Bredouille. Er fand offensichtlich zu viel Gefallen an der Politik.