«Curb Your Enthusiasm» geht in die letzte Staffel. Die Serie ist vulgär, sie ist obszön, sie ist geschmacklos, sie ist sehr, sehr lustig.
Es gibt Komiker, die zum Lachen sind. Komikerinnen, mit denen man über andere lacht. Komiker, die mit der Kälte ihres Zynismus schockieren. Komikerinnen, deren Parodien zu Porträts geraten. Komiker schliesslich, die ihren Humor aus der Peinlichkeit ziehen. «Cringe comedy» nennt man diese Variante, Komik zum Schaudern. Weil man beim Zuschauen mehr Scham über das Gezeigte empfindet als Heiterkeit, die sie doch zu erzeugen vorgibt. Fremdschämen als Unterhaltung.
Nun kennt man dieses Lachen aus Scham eher aus Grossbritannien. Das hat mit der Mentalität zu tun. «Das Ziel jedes Engländers besteht darin», hat der Monty-Python-Mann John Cleese einmal gesagt, «sicher ins Grab zu gelangen, ohne je das Gesicht zu verlieren.» Aus dieser Konstellation heraus gerät jeder Fehltritt zur Peinlichkeit.
Aber es war der jüngere englische Humorist Ricky Gervais, der diese Art von Komik zur Vollendung brachte. Es gelang in seiner Serie «The Office» mit ihm als Bürochef, der seinen Sadismus für Führungsstärke hält und seine Egozentrik für Kompetenz.
Und trotzdem: Am Ende dieser Skala der Peinlichkeiten steht kein Brite. Sondern ein langer, schmaler, kahler und sarkastischer New Yorker Jude. Keiner hat die Verachtung der Mitmenschen und die Verhöhnung der eigenen Selbstgerechtigkeit dermassen konsequent weitergetrieben wie Larry David. Und dabei seinen Hass auf alle zu einer Millionenkarriere gebündelt.
Mit der Comedy-Sendung «Seinfeld», von 1989 an neun Jahre lang ausgestrahlt, wurde David als Schreiber bekannt. Mit seiner eigenen Sendung «Curb Your Enthusiasm» (Zügeln Sie Ihre Begeisterung), einer Sitcom mit viel Dialogen und wenig Handlung, unterhält er seit 24 Jahren mit Unterbrüchen ein Publikum, das endlich auf der Höhe seiner Intelligenz verhöhnt wird.
Masochismus vor dem Bildschirm
In diesen Tagen startet die zwölfte und letzte Staffel der Serie. Millionen freuen sich darauf, dass Larry David wieder andere beschimpfen wird. Und dabei vor allem sie meint, die masochistisch vor dem Bildschirm sitzen. Und weil es für den 76-jährigen Komiker keinen Trost im Leben gibt, nicht einmal den Trost der Heiterkeit, demontiert er die eigene Figur mit derselben höhnischen Konsequenz, mit der er auf andere losgeht. Dauernd erliegt er in der Serie den Lügen, Intrigen, Gemeinheiten und Selbsttäuschungen, die er bei anderen aufdeckt. Wild gestikulierend versinkt er im Treibsand der von ihn so verhassten Konventionen.
Das Ungewöhnliche an Larry Davids Serie, deren bisher 110 Ausgaben in 11 Staffeln er selber geschrieben hat: Erstens setzen er und sein Team über das Drehbuch hinaus auf die Improvisation, um die Dialoge authentisch wirken zu lassen. Dazu kommt, zweitens, und auch das ist für dieses Format ungewöhnlich, dass der Star eine Variante von sich selber spielt. «Larry David» unterscheide sich von Larry David dahingehend, sagt er, dass er als sein eigenes Freudsches Es auftrete; der Komiker als vulgäre Ausgabe seiner selbst.
Also gibt Larry David den misanthropisch schlechtgelaunten, hochintelligenten Multimillionär, der er selber ist. Wie seine Figur lebt er als ehemaliger Fernsehproduzent geschieden in superreicher Umgebung: ein schlagfertiger Mann, der trotzdem unfroh wirkt. Beide Larrys scheinen aggressive Fatalisten zu sein.
Nun ist es vom Klischee des depressiven Komikers zum Klischee des verzweifelt fröhlichen Juden nicht weit. Tatsächlich wird Larry Davids Komik als Ausdruck des jüdischen Humors gefeiert.
Und schon hört man die Einwände, es gebe keinen jüdischen Humor, das sei ein problematisches philosemitisches Klischee. Weil nämlich alle enttäuscht reagierten, wenn ein Jude einmal nicht gebildet und brillant komisch auftrete. Ihm ergeht es dann wie dem Afroamerikaner, der nicht tanzen oder singen kann. Und im Basketball nicht trifft.
Woody Allen ist ein Fan
Dazu ist relativierend zu sagen, dass sich Larry David in «Curb Your Enthusiasm» als geradezu demonstrativer Jude aufführt. Die religiöse Herkunft des Atheisten bestimmt seine Figur so sehr, wie man es sonst nur von Woody Allen kennt. Der sich konsequenterweise als Fan des Kollegen bezeichnet. Und der ihn in seinem späten, von der Kritik zu Unrecht schlechtgemachten Film «Whatever Works» mit einer grossartigen Hauptrolle bedacht hat.
Larry der Jude also. Im Laufe der elf bisherigen Staffeln hat er heilige Kriege ausgerufen, eine Bar-Mizwa gestört, aus Versehen einen Juden vor der Bekehrungstaufe bewahrt und zwischendurch Gott gefunden. Extrem, wie er selbst in der Negierung seiner Negationen bleibt, durchlebte seine Figur auch eine kurze Phase als orthodoxer Jude, wenn auch aus opportunistischen Gründen.
In einer Folge schaffte es Larry sogar zum Christen, der nach einer Operation stirbt und in den Himmel kommt. Um von dort schon bald auf die Erde zurückgeworfen zu werden, weil er sich mit seinen Schutzengeln verkracht. Unter anderem hinsichtlich der Frage, wie man seine DVD am besten ordnet. Dass die beiden Engel von jüdischen Schauspielern gespielt werden, nämlich Dustin Hoffman und Sacha Baron Cohen, ist nur eine von vielen Pointen, mit denen diese Serie auch auf der Metaebene brilliert.
Aus diesem obsessiv ausgelebten Jüdischsein bezieht David einen Grossteil seiner Komik. Wobei er in diesem Kontext, auch das passt zum Klischee, besonders grausame Witze reisst. Damit fängt er schon in der ersten Folge der ersten Staffel von «Curb Your Enthusiasm» an, die 1999 ausgestrahlt wurde. Als Larry von einem homosexuellen deutschen Juden erfährt, der ins KZ kam, reagiert er mehr beeindruckt als entsetzt: «ein schwuler Jude bei den Nazis, was für eine Kombination.»
Und als Larry in einer späteren Folge seiner Frau ein Motiv aus dem «Siegfried-Idyll» vorpfeift, Richard Wagners Geburtstagsstück an seine Frau, gerät ein daneben stehender Jude ausser sich. Und beschimpft Larry als «self-hating jew», sich selbst hassenden Juden, weil er einen Rassisten wie Wagner bewundere. Larry korrigiert ihn: «Ich hasse mich, das ist wahr», gibt er zurück, «aber nicht, weil ich Jude bin.» Unverdrossen pfeift er weiter.
Selbst der Hass der anderen kann ihm nichts anhaben. Auch als eine schöne Palästinenserin ihn ins Bett verführt, um sein Jüdischsein zu verdammen: «Ich möchte den Juden aus dir herausficken», keucht sie und fordert ihn dann auf, mit ihr «das zu machen, was dein Volk dem meinigen antut». Wer deshalb erwartet, dass Larry seine Triebhaftigkeit bereut, gibt die Hoffnung in jenem Moment auf, als die Palästinenserfrau ihm ihre Schwester verspricht.
Das ist vulgär, das ist obszön, das ist geschmacklos, das ist sehr lustig. Endlich wieder einmal ein Komiker, der gar nichts kennt. Der seine Gemeinheiten nicht mit moralistischen Beteuerungen wattiert. Der in seinem Menschenhass bösartig ist zu allen, inklusive sich selber.
Sex, Sport, Langeweile
Dass Larry David einen trotzdem deprimieren kann, liegt an der hermetischen Anlage der Serie. Obwohl Larry und seine Frau zwischendurch eine afroamerikanische Familie bei sich aufnehmen, deren Haus von einem Hurrikan zerstört worden ist, leben sie grossmehrheitlich ein vermögendes, weisses, abgeschiedenes und letztlich gelangweiltes Leben.
Kultur spielt in ihrem Alltag kaum eine Rolle, obwohl Larry ab und zu einen Film produziert; Freundschaften gibt es nur mit dem Abwehrschutz des Sarkasmus; das einzige Vergnügen liefern Sex und Sport. Sonst verbringt Larry die meiste Zeit mit schwerreichem Herumsitzen zu Hause, unterwegs im Auto oder auswärts in teuren Restaurants. Ob er dabei in New York oder Los Angeles lebt, spielt keine Rolle; seine Umgebung bleibt blosses Beiwerk.
Dabei hatte es der Schauspieler im Leben lange schwer. Larry David brauchte viele Jahre, um seine Karriere zum Erfolg zu führen. Nach seinem Studienabschluss in Geschichte musste er sich mit minderen Jobs durchschlagen, unter anderem in der Armee, als Verkäufer von Büstenhaltern und Limousinenfahrer. Auch mit der Komik wollte es nicht klappen. David zog als Stand-up-Comedian durch die Bars von Amerika, ausdauernd und erfolglos. Als er sich für die Satiresendung «Saturday Night Live» als Autor versuchte, brachte er nur gerade einen Sketch ins Programm. Erst mit «Seinfeld» kam der Millionenerfolg, Larry David war damals bereits über vierzig Jahre alt.
Man schaut trotzdem weiter
Und doch: So bösartig brillant David seine Serie schreibt, so monoton kommt einem die Handlung vor. Vielleicht liegt darin der wahre Nihilismus von «Curb Your Enthusiasm»: In Larryland bleibt sich jeder gleich. Und selbst Larry, der bei aller Gemeinheit auf seine hochneurotische Art das Gute oder wenigstens das Gerechte sucht, fängt immer wieder von vorne an. Er verharrt bis zuletzt als Gefangener seines Hochmuts und seiner Neurosen.
Und wir schauen ihm zu, müssen über seine sarkastischen Bemerkungen lachen, sind von seiner Grobheit peinlich berührt, schauen die eine Folge der Serie fertig und klicken dann auf die nächste. «Curb Your Enthusiasm» kommt daher wie ein einziger, langer Witz, der seine eigenen Pointen überrennt. Zwar bleibt Larry David damit seiner radikalen Haltung treu, nicht einmal der Komik eine Erleichterung zuzugestehen. Das hat aber auch etwas Tristes: Wenn selbst der Humor den Komiker nicht befreit, bleibt dieser Humor ohne Folgen, auch für uns, die wir darüber lachen: ein Ausbruchsversuch hinter Gitterstäben.
«Curb Your Enthusiasm», 12. und letzte Staffel, ab 5. 2. auf Sky Show.