Nach Verzögerungen muss der israelische Ministerpräsident erstmals vor Gericht aussagen – ihm werden Korruption und Einflussnahme vorgeworfen. Netanyahu sieht sich als Opfer.
Es geht um Cohiba-Zigarren, Champagner-Kisten und schmutzige Deals: Am Dienstag musste Benjamin Netanyahu erstmals in seinem Korruptionsprozess aussagen. Der Prozess gegen den israelischen Ministerpräsidenten hat 2020 begonnen. Ihm und seiner Frau Sara wird unter anderem vorgeworfen, im Austausch für politische Gefälligkeiten teure Geschenke angenommen zu haben.
Besonders schwer wiegt ein Vorwurf: Netanyahu soll politische Schritte unternommen haben, von denen der israelische Tycoon Shaul Elovitch, der Besitzer der Telekommunikationsgruppe Bezeq, profitiert habe. Im Gegenzug soll Elovitchs Nachrichtenportal «Walla» positiv über Netanyahu berichtet haben.
Für Netanyahu war schon vor vier Jahren klar, dass an den Vorwürfen nichts dran sei und es sich um eine «Hexenjagd» handle. Das setzt den Ton bis heute. Am Montagabend lud Israels Ministerpräsident zu einer seltenen Medienkonferenz. Darin ging er vor allem auf den Prozess gegen seine Person ein. Die Vorwürfe entsprächen nicht der Wahrheit, und das Gerichtsverfahren habe nur ein Ziel: ihn zu Fall zu bringen. «Es gab kein Verbrechen, also erfinden sie eines.»
«Komplett absurde Vorwürfe»
Wen Netanyahu mit «sie» meint, wurde tags darauf im Tel Aviver Bezirksgericht klar: die Medien und die politische Linke im Allgemeinen. Die Vorwürfe seien komplett absurd, sagte der Ministerpräsident am Dienstag in einem speziell gesicherten Bunker-Gerichtssaal. «Wenn ich an positiver Berichterstattung interessiert gewesen wäre, hätte ich einfach nur der Linken nachgeben müssen.»
Netanyahu nutzte den ersten Prozesstag vor allem als politische Bühne: Immer wieder griff er seine Gegner an, einmal referierte er über seine harten Verhandlungen mit dem ehemaligen amerikanischen Präsidenten Barack Obama, dessen Druck er sich nicht gebeugt habe.
Netanyahu bestritt zudem, dass er sein Amt ausnutze, um Geschenke zu erhalten, die ihm ein angenehmes Leben ermöglichten. Er arbeite mindestens siebzehn Stunden am Tag, habe kaum Zeit, um seine Familie zu sehen. Für das Amt des Ministerpräsidenten zahle er einen hohen Preis – wenn er ein schönes Leben haben wollte, hielte er sich aus der Politik heraus.
Vor allem an einem stört sich Netanyahu: dass er als Regierungschef in Kriegszeiten gezwungen werde, seine Zeit in einem Prozess zu verschwenden, der eindeutig politisch motiviert sei.
Netanyahu droht eine mehrjährige Haftstrafe
Im Vorfeld hatte das Büro des Ministerpräsidenten darum gebeten, dass Netanyahu erst später vor Gericht aussagen muss. Als Begründung für die erbetene Verzögerung wurde der andauernde Krieg angeführt. Das Gericht hat dies allerdings abgelehnt und den Beginn seiner Aussage nur um wenige Tage nach hinten verschoben. Netanyahu muss nun dreimal die Woche vor Gericht erscheinen.
Es wird davon ausgegangen, dass der israelische Ministerpräsident noch bis weit ins Jahr 2025 vor Gericht aussagen muss. Es ist das erste Mal in der Geschichte Israels, dass ein amtierender Regierungschef in einem Prozess als Angeklagter aussagt.
Israel hat eine Geschichte mit korrupten Ministerpräsidenten: Netanyahus Vorgänger Ehud Olmert wurde ebenfalls der Korruption angeklagt und verurteilt. Doch Olmert trat zurück, bevor er vor Gericht erschien. Nach seiner Verurteilung ging der ehemalige Regierungschef für sechzehn Monate ins Gefängnis. Bei einer Verurteilung droht Benjamin Netanyahu ebenfalls eine Gefängnisstrafe – möglicherweise für mehrere Jahre.
Selbst wenn Netanyahu nicht mehr vor Gericht erscheinen muss, kann es noch Jahre dauern, bis ein Urteil gefällt wird. Kritiker des Ministerpräsidenten befürchten, dass die von ihm geführte Regierungskoalition Gesetze erlässt, die es Netanyahu ermöglichen würden, das Urteil aufzuheben.







