Die bestellten amerikanischen Kampfjets beschäftigen die Schweizer Politik. Bürgerliche sind skeptisch, was die künftige Zusammenarbeit mit den USA angeht. Die Linke stellt den Kauf grundsätzlich infrage.
Wie umgehen mit der Machtpolitik des amerikanischen Präsidenten Donald Trump? Die europäischen Regierungen suchen noch dringlicher Antworten auf diese Frage als der Rest der Welt. Denn in den letzten Jahren hat sich Europa nochmals deutlich abhängiger gemacht von den USA. Dies zeigt ein neuer Bericht des Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri. Gemäss diesem haben sich die Waffenimporte europäischer Nato-Staaten in den letzten fünf Jahren verdoppelt als Reaktion auf den Ausbruch des Krieges in der Ukraine. 64 Prozent aller Waffen wurden von den USA importiert. Das sind über zehn Prozent mehr als in den fünf Jahren zuvor.
Auch die Schweiz hat diverse Abhängigkeiten von den USA, die künftig noch grösser werden. Die Schweizer Luftverteidigung der Zukunft baut auf amerikanische Systeme. Bestellt sind das bodengestützte Flugabwehrraketen-System Patriot und F-35-Kampfjets.
Insbesondere der Kauf der Kampfjets des amerikanischen Konzerns Lockheed Martin gibt in der hiesigen Politik zu reden. 36 Stück hat die Schweiz bestellt zum Preis von rund sechs Milliarden Franken. Bis Ende dieses Jahres soll rund eine Milliarde Franken bezahlt sein, erklärte der Sprecher des Bundesamts für Rüstung (Armasuisse) im «Blick» am vergangenen Wochenende. 2027 sollen die ersten Jets ausgeliefert werden.
Der Kampfjet ist auch Thema in der laufenden Session. Mehrere Nationalrätinnen und Nationalräte der SP haben Fragen zum Kauf an den Bundesrat eingereicht. So will etwa Andrea Zryd wissen, ob die Schweizer Regierung sich heute noch für einen US-Jet entscheiden würde. Fabian Molina spricht von einer möglichen «Rückabwicklung der überdimensionierten, kostspieligsten (Fehl-)Beschaffung in der Geschichte der Schweizer Armee».
Parteikollegin Sarah Wyss fragte bereits letzte Woche, ob die Schweiz aus dem Beschaffungsvertrag aussteigen könne. Der Bundesrat antwortete, man könne «den Vertrag bis zur Lieferung der Güter jederzeit kündigen». Es sei keine Konventionalstrafe vorgesehen in diesem Fall. Jedoch würden die bereits geleisteten Zahlungen an die USA «nicht zurückerstattet». Im Moment der Beantwortung beliefen sich die Kosten auf rund 700 Millionen US-Dollar.
Schweiz könne sich «glücklich schätzen»
Am Sonntag äusserte sich auch der per Ende September abtretende Kommandant der Schweizer Luftwaffe, Peter Merz, auf der Plattform Linkedin in drei langen Beiträgen zur Kampfjet-Debatte. «Ein Ausstieg aus dem F-35-Programm wäre ein totaler Nonsens», schreibt er. Es sei «ja offensichtlich und ziemlich billig», dass «gewisse Kreise» nun versuchen würden, den Jet «im zweiten Anlauf abzuschiessen, weil sie es im ersten nicht schafften». Das Schweizer Stimmvolk hatte dem Flugzeug-Kauf 2020 mit 50,1 Prozent denkbar knapp zugestimmt.
Für Merz ist der F-35 der «einzige Flugzeugtyp, der heute und in naher Zukunft technologisch relevant sein» werde. Die Schweiz könne sich als Nicht-Nato-Mitglied «glücklich schätzen», dass «wir diese Technologie überhaupt anvertraut bekommen». Die Schweizer Luftwaffe bereite sich bereits heute auf die neuen Kampfjets vor, schreibt Merz: Im April werde auf dem Militärflugplatz in Payerne gebaut, und die Planung von Umschulungskursen sei gestartet.
Doch auch bürgerliche Politiker stellen momentan die Abhängigkeit von den USA infrage. Amerika begebe sich in das «Denkmodell von autokratischen Staaten», sagte FDP-Präsident Thierry Burkart in den Tamedia-Zeitungen am vergangenen Samstag. Bereits vereinbarte Beschaffungen von amerikanischen Rüstungsgütern vorzeitig abzubrechen, hält er aber für falsch. Für künftige Beschaffungen sollten bei gleichwertigen Angeboten europäische Anbieter jedoch bevorzugt werden.
Gegenwärtig gebe es allerdings keine gleichwertige europäische Alternative zum F-35, sagt Mauro Gilli, Experte für Militärtechnologie und internationale Sicherheit am Center for Security Studies der ETH Zürich. «Wenn die Schweiz ein Kampfflugzeug mit Tarnkappenfunktion möchte, gibt es nur den F-35», so Gilli. Dies werde aller Voraussicht nach die nächsten fünfzehn Jahre auch so bleiben. Denn die Entwicklung eines Kampfjets dauere sehr lange, und momentan gebe es keinen Jet, der technologisch auch nur in die Nähe des F-35 komme.
«Der F-35 ist einzigartig», stellt Gilli klar. Seine Form und das Material machten den Flieger schwierig auffindbar. «Selbst wenn der Jet auf dem gegnerischen Radaren auftaucht, hat er diverse Möglichkeiten, um diese zu blenden. Damit kann er ungesehen in feindliche Lufträume eindringen und die Luftverteidigungsstützpunkte zerstören.» Danach sei der gegnerische Luftraum «keine Herausforderung mehr». Andere Kampfflugzeuge ohne Tarnkappenfunktion könnten anschliessend genutzt werden, etwa die F/A-18, welche die Schweiz besitzt.
Mauro Gilli von der ETH Zürich empfiehlt allen europäischen Staaten, die sich nun Gedanken machen über den Kauf der F-35, «Änderungen in Form von Sicherheitsgarantien im Kaufvertrag zu verlangen.» Beispielsweise, dass die Software in den Jets unabhängig von politischen Entscheiden der US-Regierung upgedatet werden kann. «So könnten gewisse Bedenken, die nun in Europa bestehen, ausgeräumt werden», meint Gilli.
EU-Streitkräfte in «hohem Masse» von den USA abhängig
In der laufenden Parlamentssession wollte ausserdem Nationalrat Balthasar Glättli (Grüne) vom Bundesrat wissen, ob der F-35 grundsätzlich ein Sicherheitsrisiko für die Schweizer Armee darstelle: «Was, wenn Trump oder später Vance den Kampfjet nutzlos machen?» Ein möglicher «Ausschaltknopf» («Kill Switch») in den Jets beschäftigt auch andere europäische Staaten. Beweise dafür gibt es bislang allerdings keine. Justin Bronk, ein leitender Militärwissenschafter aus Grossbritannien, sagt jedoch: Die meisten Streitkräfte in Europa seien in jedem ernsthaften Konflikt in «hohem Masse» von den USA abhängig. In der «Financial Times» nennt er Bereiche wie jene der Kommunikation, der elektronischen Kriegsführung und der Munitionsversorgung.
Auch Merz, der Noch-Kommandant der Schweizer Luftwaffe, schreibt auf LinkedIn, dass die westliche Kampfflugzeuge bereits heute von «den Match-entscheidenden Fähigkeiten amerikanische Technologien» abhängen würden. Merz nennt als Beispiel unter anderem die GPS-Navigation. Rhetorisch fragt er: «Navigieren Sie ab sofort nicht mehr mit Ihrem GPS im Handy oder Auto, weil Sie dem GPS nicht mehr trauen? Bauen Sie jetzt ihr eigenes Navigations-System, oder stellen Sie gar um auf das Russische oder Chinesische?» Die Schweizer Luftwaffe betreibe seit den 1970er Jahren «erfolgreich amerikanische Kampfflugzeuge». Es gebe «keine Anzeichen», dass die Zusammenarbeit mit den USA «nicht so weitergehen könnte».