Amerikas oberster Zentralbanker hat am Mittwoch deutlicher denn je beschrieben, welche Folgen Trumps aggressive Handelspolitik für die amerikanische Wirtschaft haben dürfte.
Angst vor Donald Trump hat er offenbar keine. Jerome Powell, der Chef der amerikanischen Notenbank Fed, hat am Mittwoch deutlicher als je zuvor die Handelspolitik des amerikanischen Präsidenten kommentiert: «Bedeutend grösser als erwartet» seien die Zölle ausgefallen, welche die Regierung in den vergangenen Wochen vorgestellt hat. Und entsprechend dürften sie auch einschneidendere Effekte nach sich ziehen: Nämlich ein schwächeres Wirtschaftswachstum und eine höhere Inflation.
Powell warnte deshalb, dass die Zölle die Zentralbank in eine «herausfordernde Situation» bringen würden. Das Fed hat nämlich den Doppelauftrag, für Vollbeschäftigung und für stabile Preise zu sorgen. Der Fed-Chef gab deutlicher als bisher zu verstehen, dass das Fed wegen der sehr unsicheren Lage bei seinen geldpolitischen Entscheiden derzeit weiterhin lieber abwartet, als vorschnell die Leitzinsen anzupassen.
Die Inflation ist nicht besiegt
Powell gab den Finanzmärkte ein weiteres wichtiges Signal, als er implizit zu verstehen gab, dass die Zentralbank momentan der Einhaltung des Inflationsziels ein recht hohes Gewicht beimisst. Beziehungsweise: Das Fed wird seine Geldpolitik auf denjenigen seiner beiden Aufträge konzentrieren, bei dem sie aktuell weiter von ihrem Ziel entfernt ist. Derzeit ist das ganz klar die Inflation, die trotz sinkendem Ölpreis noch immer deutlich über 2 Prozent liegt.
Die amerikanische Börse reagierte schlecht auf die Nachricht aus Chicago: Der Nasdaq verlor im Tagesverlauf 3 Prozent, der marktbreite S&P 500 etwas mehr als 2 Prozent. Der Tag hatte vor Powells Auftritt schon schlecht begonnen, nachdem der Chip-Hersteller Nvidia am Dienstagabend davor gewarnt hatte, dass die von der Trump-Regierung verhängten Exportrestriktionen für seine etwas älteren KI-Chips wohl dauerhaft in Kraft bleiben würden.
Nvidia rechnet damit, dass dies rund 5,5 Milliarden Dollar kosten dürfte, und wird im Quartalsergebnis einen entsprechenden Abschreiber vornehmen. Die Aktien des grössten Chipentwicklers der Welt sackten bis Börsenschluss um fast 7 Prozent ab. Auch die Titel des wichtigen niederländischen Zulieferers ASML sowie des Nvidia-Konkurrenten AMD standen stark unter Druck.
Immerhin verhielt sich der amerikanische Anleihenmarkt für einmal wieder so, wie man es gewohnt ist: Während der Aktienmarkt zu leiden hatte, legten US-Staatsanleihen an Wert zu, was sich jeweils in einer sinkenden Rendite niederschlägt. Die Sorge, dass Trumps radikale Handelspolitik internationale Investoren dauerhaft aus dem amerikanischen Finanzmarkt vertreiben würde, hat sich zumindest vorerst nicht erfüllt. Gewisse Zweifel bleiben dennoch. Der US-Dollar hat am Mittwoch weiter an Wert verloren gegenüber anderen Währungen, obwohl die Aussicht auf eine härtere Geldpolitik und somit höhere Zinsen im Dollarraum den Greenback eigentlich stärken sollten.
Das Fed will den Aktienmarkt nicht retten
Als der von Donald Trumps «reziproken» Zöllen ausgelöste Markteinbruch Anfang April in vollem Gange war, hofften die Anleger darauf, dass das Fed erneut die Kohlen aus dem Feuer holen und wegen der Rezessionsgefahr den Leitzins rasch und deutlich senken würde. Auch Trump selbst hat das Fed schon mehrfach zu diesem Schritt aufgefordert.
Dennoch sollten Powells deutliche Worte vom Mittwoch für die Marktteilnehmer keine Überraschung sein: Die meisten Gouverneure der Federal Reserve, die seit dem 2. April öffentlich aufgetreten sind, haben sich ähnlich geäussert wie der Fed-Chef, und für Abwarten plädiert.
Daten der Derivatebörse CME deuten darauf hin, dass Powell die Erwartungen der Marktteilnehmer nun zumindest ein bisschen dämpfen konnte. Der Anteil der Investoren, die von einer Zinssenkung an der nächsten Fed-Sitzung am 7. Mai ausgehen, ist von 19 auf 16 Prozent geschrumpft. Eine Mehrheit rechnet aber noch immer damit, dass das Fed den Leitzins, vom jetzigen Niveau von 4,25 bis 4,5 Punkten aus, bis Ende Jahr noch mindestens viermal senken wird.
Die Notenbank könnte das tun, wenn das Land bald in eine Rezession rutscht und die Gefahr für den amerikanischen Arbeitsmarkt zunimmt. Kommt das Fed diesem Wunsch aber nicht nach, drohen weitere Kursverluste an den Börsen. Und womöglich ein offener Konflikt mit Donald Trump, der mehr Support seitens der Währungshüter erwartet. An Jerome Powell wird er, wenn man diesen Auftritt zum Massstab nimmt, aber nicht so rasch vorbeikommen.