Das slowakische Parlament hat neue NGO-Regeln verabschiedet, die vom berüchtigten russischen Agentengesetz inspiriert sind. Die Vorlage zeugt von Robert Ficos Absicht, Kritiker einzuschüchtern und mundtot zu machen.
Der slowakische Ministerpräsident Robert Fico bezeichnet seine Aussenpolitik gerne als souverän und in alle vier Himmelsrichtungen reichend. Ausgerechnet der Staatspräsident Peter Pellegrini, eigentlich ein enger Verbündeter des Regierungschefs, hat ihn jedoch vor einigen Tagen daran erinnern müssen, dabei den Westen nicht zu vergessen.
Wie berechtigt diese erstaunlich unverhohlene Kritik ist, zeigen neue Regeln für Nichtregierungsorganisationen (NGO), die das Parlament in Bratislava am Mittwoch mit der denkbar knappsten Mehrheit verabschiedet hat. Sie stünden im Einklang mit europäischen Standards, beteuert Fico. Die Opposition nennt die Vorlage dagegen das «russische Gesetz» und sieht darin den Anfang vom Ende der Demokratie in der Slowakei.
Koalitionspartner holt sich Rat in Moskau
Angesichts der nun verabschiedeten Bestimmungen wirkt dieser Vorwurf überzogen: Sie sehen vor allem Transparenzvorschriften für NGO vor, die mehr als 35 000 Euro pro Jahr einnehmen. Personen oder Organisationen, die mehr als 5000 Euro spenden, müssen namentlich genannt werden. Die scharfen Zähne in den ersten Entwürfen wurden dem Gesetz gezogen, was Politiker der Regierungsparteien auch entsprechend beklagen.
Sieht man die Vorlage in einem grösseren Kontext, sind Sorgen jedoch durchaus berechtigt. Erstens ist sie tatsächlich vom berüchtigten russischen Agentengesetz inspiriert. Ficos radikaler rechter Juniorpartner SNS, auf den das Vorhaben zurückgeht, wollte ursprünglich, dass NGO sich nach diesem Vorbild als «ausländische Agenten» bezeichnen müssen. Der SNS-Chef Andrej Danko räumte auch ein, sich mit Politikern des Kreml-Regimes darüber beraten zu haben. Es spricht deshalb Bände, dass das Parlament sich am Mittwoch zu einer klarstellenden Resolution bemüssigt fühlte: Es handle sich nicht um ein russisches Gesetz, heisst es darin.
Zweitens erfolgte die Verabschiedung unseriös und überhastet. Die Vorlage erfuhr zahlreiche Änderungen, und den letzten Entwurf erhielten die Abgeordneten erst 24 Stunden vor der Abstimmung. Dennoch wurde sie nach abgekürzter Debatte beschlossen. Niemand habe eine Ahnung, was genau in dem Gesetz stehe, erklärte ein Parlamentarier freimütig.
Das ist umso problematischer, als Kritiker wie der Menschenrechtskommissar des Europarats insbesondere die schwammigen Begrifflichkeiten monierten. Allein schon die Definition von NGO ist unklar. Fico sagte vor zwei Wochen, gemeint seien Organisationen, «die gegen die Regierung vorgehen». Das eröffnet politischer Willkür Tür und Tor.
Und schliesslich ist das NGO-Gesetz, drittens, ein weiterer Schritt in Ficos Versuch, demokratische Kontrollbehörden und Andersdenkende einzuschüchtern und so zum Schweigen zu bringen. Dabei folgt er exakt dem Drehbuch, nach dem sein Vorbild Viktor Orban in Ungarn agierte. Wie dieser nahm sich Fico zunächst die Justiz vor und dann die öffentlichrechtlichen Medien. Nun ist die Zivilgesellschaft an der Reihe.
Fico wagt den Bruch mit Brüssel nicht
Anders als Orban stösst der Ministerpräsident dabei an Grenzen. Die Mehrheit seiner Regierung wackelt immer wieder, und er muss Rücksicht nehmen auf einen gemässigten Koalitionspartner. Zudem wagt Fico es bis jetzt nicht, die EU wirklich gegen sich aufzubringen. Seiner feindlichen Rhetorik in Bratislava folgt oft Kompromissbereitschaft in Brüssel, gerade bei aussenpolitischen Themen.
Dennoch darf sich die EU davon nicht täuschen lassen. Fico schwebt ein illiberaler Umbau wie in Ungarn vor, und das NGO-Gesetz zeugt davon. Brüssel sollte deshalb auch die innenpolitischen Entwicklungen in der Slowakei genau verfolgen und rechtzeitig intervenieren. Ein zweites Korrektiv könnte Pellegrini sein. Er wagte schon einmal den Bruch mit Fico, als er dessen Partei verliess. Jüngst äusserte er sich nicht nur in Bezug auf die Aussenpolitik kritisch über den Regierungschef. Diesen Worten sollte der Staatspräsident Taten folgen lassen. Wenn er tatsächlich um die Westorientierung der Slowakei fürchtet, darf er das von Russland inspirierte NGO-Gesetz nicht unterschreiben – egal, wie verwässert es ist.