Kochen (wie) für Instagram
248 000 Menschen verfolgen Celine Rousseaus kunstvolle Interpretationen klassischer Gerichte auf Instagram. Nun kann man die liebsten Rezepte der in der Schweiz lebenden Koreanerin nachkochen.
Wir lieben es, unser Essen zu teilen – nicht unbedingt physisch, aber bestimmt online, mit der ganzen Welt. Und wir entscheiden anhand geteilter Food-Fotos, was wir als Nächstes kochen und wo wir essen gehen. Wenig wird so oft fotografiert und auf Social Media gezeigt wie Essen. Beweis dafür: Seit der Einführung der Foto-Sharing-App im Jahr 2010 wurden über eine halbe Milliarde Beiträge mit dem Hashtag «Food» versehen.
Die meisten, die ihre Mahlzeiten online dokumentieren, sind Laien. Mittlerweile gibt es aber auch eine beträchtliche Menge professioneller Bloggerinnen und Instagrammer, die mit Kuchen, zurechtgerückt wie ein Stillleben Rembrandts, hochaufgelöster und perfekt ausgeleuchteter Hausmannskost und Tartes, so «ungewollt» perfekt arrangiert, wie das nur mit Pinzetten möglich ist, Millionen inspirieren und Trends setzen. Mit 248 000 Followern gehört auch Celine Rousseau zu den Erfolgreichen der Branche.
Das alte Sprichwort, dass das Auge mitisst, könnte für Celine Rousseaus Instagram-Feed formuliert worden sein. Die in Südkorea, Japan und den USA aufgewachsene und heute in Genf lebende Food-Stylistin und -Bloggerin dekoriert Zitronentartes mit Gänseblümchen aus Eischnee, formt Zwiebeln zu Wasserlilien, belegt Pizzen mit Gänseblümchen aus Mozzarellakugeln. Zum Valentinstag gibt es Tagliatelle aus mit Herzchen gesprenkeltem Teig, den Sommer fängt sie mit Pfirsichgaletten in Fischform auf.
Als Influencerin sieht sich Celine Rousseau nicht
«Instagrammable» ist der Begriff, der beim Anblick von Rousseaus Kreationen wohl am ehesten fällt. Ihre Fotos sind durch den auf Instagram so beliebten butterig-romantischen Filter aufgenommen, die Kompositionen minimalistisch. Ihre Food-Art ist kunstvoll, nicht selten mit einem Hang ins Kindliche bis Kitschige. Die Ideen sind banal – nur eben vorher noch nie so erdacht worden und deshalb originell.
Als Influencerin möchte sie sich selbst aber nicht sehen, sagt Rousseau, deren Hintergrund in den Geisteswissenschaften und der Wirtschaft liegt. Der Begriff sei ihr zu fremd. Aber auch nicht als Köchin, denn ihr Fokus liege auch nicht auf professionellem Kochen und Servieren. «Ich sehe mich als Kreative oder Künstlerin, die Essen als Medium nutzt, um Kreativität auszudrücken. Ich bin irgendwo dazwischen», meint sie.
Obwohl ihre Leidenschaft für das Kochen bereits während ihrer Studienzeit in Japan entflammte, war es – wie bei so manch anderen Food-Bloggern – die Pandemie, die Rousseau dazu gebracht hat, einen Food-Blog und die Instagram-Seite zu starten.
Es geht darum, Spass zu haben
Mit ihrer Ästhetik erreicht Rousseau 248 000 Follower auf Instagram, ihre Posts werden millionenfach geteilt. Auf Instagram und selbst auf Tiktok, wo Rousseau nicht einmal angemeldet ist, häufen sich Videos von Userinnen und Usern, wie sie die Reispapier-Blumen nachfritittieren und Pizzaböden achtungsvoll mit Sonnenblumen und Kirschen aus Cocktailtomaten belegen.
Der bisher meistgesehene ist die «Butter Sleigh»-Serie mit aus schwarzen Oliven geformten Pinguinen, die auf einem Butterstück über eine heisse Ofenkartoffel rutschen. Sie erreichte über 43 Millionen Views und fast zweieinhalb Millionen Likes.
«Die Serie war lustig, niedlich und ein bisschen albern, was sie offenbar teilenswert und ansprechend gemacht hat», erklärt sich Rousseau den Erfolg dieser Kreation. Es seien oft originelle und niedliche Inhalte, die viral gingen – «etwas, das die Leute mit Freundinnen und Freunden teilen und vielleicht nachmachen wollen». Einfach, weil es Spass macht.
Tipp von Celine Rousseau
So gelingt das Food-Foto mit dem Handy
Licht ist entscheidend – natürliches Licht ist für mich der Schlüssel, vorzugsweise weiches Licht, das durch einen leichten weissen Vorhang gefiltert wird. Ich halte meine Kompositionen einfach und finde Winkel, die die besten Eigenschaften des Essens hervorheben. Für volumenreiche Sujets funktioniert ein 45-Grad-Winkel gut, während die Vogelperspektive grossartig für flache Gerichte ist. Oft nehme ich das Foto aus der Ferne auf und zoome mein iPhone-Objektiv auf etwa 1,7x.
Und weil sie wohl in den meisten Fällen auch einfach nachzumachen sind. Es sind verspielte Variationen von Klassikern wie Canapés, Kuchen oder Pizza. «Ich liebe es, klassische Rezepte mit einem visuellen Twist neu zu interpretieren», erzählt Rousseau. Die Inspiration dazu finde sie meist unerwartet.
«Die Idee für meine Gänseblümchen-Margherita-Pizza kam mir zum Beispiel, als ich bemerkt habe, wie der geschmolzene Mozzarella auf meiner Margherita-Pizza wie Blumenblätter aussah», so Rousseau.
Ob für sich oder für Instagram –Hauptsache Spass
Mit dem erst kürzlich veröffentlichten Kochbuch «La Table» (die deutsche Fassung trägt den Titel «Köstlich schön») kann man Celine Rousseaus Food-Art nun auch im Analogen nachkochen. Die 60 Rezepte basieren auf ihren Reisen und stammen aus der koreanischen, italienischen, französischen und japanischen Küche. Im Kochbuch finden sich ihre viralen Rezepte wie die Blumenpizza oder die Reispapierblüten, aber auch eher unerwartete Kreationen wie Kirschblüten-Soba-Nudeln, Minikuchen mit Apfelrosen oder Schokoladenkekse in Pilzform, die aus einfachen Zutaten mehr oder weniger einfach nachzumachen sind.
Buchtipp
«Köstlich schön. Kreative Food Art inspiriert von Flora und Fauna»
von Celine Rousseau, 224 Seiten, Fr. 37.90, erschienen im Prestel-Verlag. (Bild: PD)
Die Food-Bloggerin hat ihre Rezepte thematisch nach Kategorien wie «Gänseblümchen», «Muschel», «Biene» oder «Kirschblüte» geordnet – nicht nach Ingredienzen, sondern nach Formen und Sujets auf dem Essen. Was für eingefleischte Hobbyköchinnen und -köche als unpraktisch erachtet werden kann, zeigt: Kochen kann für einmal auch nur Spass machen. Und gut aussehen; ob für sich selbst, für Gäste oder für Instagram. Anerkennung kann schliesslich fast so nahrhaft wie Essen selbst sein.