Tschad und Senegal, einstige Pfeiler französischen Einflusses in Afrika, wollen keine französischen Soldaten mehr im Land. Das ist ein logischer Schritt.
Nun fallen auch die letzten Dominosteine. Am Donnerstag haben die Regierungen von Tschad und Senegal bekanntgegeben, dass die französischen Truppen, die auf ihrem Staatsgebiet stationiert sind, abziehen sollen. Es sind 1000 Soldaten in Tschad, 350 in Senegal. Damit wollen auch die letzten ehemaligen französischen Kolonien im Sahel – dem riesigen Landstreifen südlich der Sahara – keine französischen Truppen mehr im Land. Es ist das Ende einer Ära in einer Weltregion, die Frankreich während vieler Jahrzehnte als Hinterhof betrachtet hat.
So beschrieb es die Regierung von Tschad denn auch in dem Communiqué, in dem sie bekanntgab, die Verteidigungsabkommen mit Frankreich aufkündigen zu wollen: Dies sei ein «historischer Wendepunkt». Es sei Zeit für Tschad, seine Souveränität vollständig einzufordern und seine strategischen Partnerschaften neu zu definieren.
Doch bemerkenswerter als der Bruch ist etwas anderes: Er überrascht niemanden. Die Ausweisung der französischen Truppen aus den letzten beiden Sahelstaaten war eine Frage der Zeit. Denn die Beziehungen einer Reihe westafrikanischer Staaten zu Frankreich haben sich in den vergangenen Jahren stark gewandelt – so dass man von einer neuen Normalität sprechen kann. Einer Normalität, in der französische Militärbasen schlicht unerwünscht sind.
Ist Paris überflüssig?
Es war denn auch bezeichnend, dass sowohl die tschadische wie die senegalesische Regierung nicht das Bedürfnis hatten, ihre Ankündigungen mit Giftpfeilen zu begleiten. Tschads Aussenminister Abderaman Koulamallah sagte, Frankreich bleibe ein «essenzieller Partner». Senegals Präsident Bassirou Diomaye Faye, der mit französischen Medien sprach, sagte: «Wir haben selber keine Militärbasen im Ausland. Es ist doch nur normal, dass wir keine ausländischen Elemente auf unserem Boden haben wollen.» So als wäre der französische Abzug – während Jahrzehnten unvorstellbar – nichts als banalste Logik.
Vor kurzem verlief der Bruch der Sahelstaaten mit Frankreich noch weit dramatischer. In Mali, Burkina Faso und Niger, drei krisengeschüttelten Ländern, warfen Putschisten die französischen Truppen unter Getöse aus dem Land. In den Strassen der Hauptstädte demonstrierten Tausende gegen die ehemalige Kolonialmacht. Manche schwenkten russische Flaggen. Es schien, als ob sich da die Geschichte nach einigen Jahrzehnten wiederhole – als ob eine neue Entkolonialisierung stattfände. So klang auch die Rhetorik der Putschisten.
Aus Tschad und Senegal tönt es nun fast nüchtern. Was für Nostalgiker von «Françafrique» im alten Mutterland womöglich fast schwerer zu schlucken ist als die emotionalen Ausbrüche in Mali, Burkina Faso und Niger. Denn diesmal klingt es so, als wäre Paris schlicht überflüssig geworden.
Frankreich nicht mehr der Sündenbock
Die neue Normalität ist letztlich eine gute Sache. Denn wenn die Regierungen im Sahel sagen, sie könnten ihre Unabhängigkeit nur sicherstellen, wenn sie frei seien von französischer Truppenpräsenz, heisst das auch: Sie entbinden Frankreich von der Rolle als Sündenbock, die die frühere Kolonialmacht so oft eingenommen hat. Die afrikanischen Regierungen stellen sich selber in die Verantwortung. Und haben damit eine Ausrede weniger, wenn sie gegenüber ihren Bevölkerungen versagen – wie sie es in den vergangenen Jahrzehnten so oft getan haben. Es ist nicht allein Frankreichs Schuld, dass der Sahel zu den ärmsten Regionen der Welt gehört.
Der Ausgang ist offen. In den Putschländern im zentralen Sahel sieht es nicht so aus, als ob die Militärs fähig wären, die jihadistischen Rebellionen, von denen sie heimgesucht werden, in den Griff zu bekommen. Die Sicherheitssituation hat sich verschlechtert seit dem Abzug der Franzosen, die Juntas werden repressiver.
Doch im besten Fall finden afrikanische Regierungen zu einem neuen Regierungsstil. Einem, der unter nationaler Souveränität versteht, den Bürgern des Landes zu dienen. Und die ehemalige Kolonialmacht nicht als Dämon zu behandeln, sondern, ganz nüchtern: als gewöhnlichen Partner.







