Musiala steht für den grössten finanziellen Vorschuss, den die Münchner je entrichtet haben. Der deutsche Nationalspieler gilt als einer der begabtesten Spieler weltweit. Experten streiten allerdings über seine Qualitäten.
Jamal Musiala vom FC Bayern zuzuschauen ist selbst in den Augenblicken ein Gewinn, in denen es bei ihm nicht sonderlich gut läuft. Das war am vergangenen Wochenende in Leverkusen so, als er sich knüppelharten Gegenspielern gegenüber sah, und ebenso im Play-off-Spiel der Champions League am Dienstag gegen Celtic Glasgow, in dem die Münchner mit Ach und Krach durch ein 1:1 die nächste Runde erreichten.
Akzente zu setzen, die das Publikum von den Sitzen reissen: Das ist das, was man vom mittlerweile 21-jährigen deutschen Nationalspieler erwartet. Dass Musialas Qualitäten auch dann zum Tragen kommen, wenn er augenscheinlich gar nicht so viel zustande bringt, ist eine ganz andere Geschichte.
Den Ball zu halten, sich in entscheidenden Augenblicken zu behaupten, seinen Mitspielern Raum zu verschaffen: Das kann in einem hart geführten Spiel der Unterschied sein zwischen einer knappen Niederlage oder einem 0:0 wie jüngst in Leverkusen, einem Match, in dem die Bayern regelrecht vorgeführt wurden.
25 Millionen Euro sollen sie pro Jahr für ihn zahlen
Nur sind es eben nicht die zweckdienlichen Augenblicke, die das Publikum von ihm sehen will. Sondern eher diese spektakulären Dribblings, diese Elastizität auf engem Raum, die Gabe, sich durch einen Pulk von Gegenspielern hindurchzuschlängeln und dann den entscheidenden Pass zu spielen oder ein Tor zu erzielen.
Bloss ergibt die Kombination beider Fähigkeiten einen ziemlich kompletten Spieler. Und das war es den Bayern wohl auch wert, als sie den Vertrag mit Jamal Musiala kürzlich verlängerten. Das Salär, das durchsickerte, ist spektakulär. 25 Millionen Euro sollen sie pro Jahr zahlen, eine Ausstiegsklausel greift im bis 2030 gültigen Vertrag erst ab 2028, dann wären 175 Millionen Euro fällig, ein Jahr später immerhin noch 100 Millionen.
Happy to continue this journey! Ready for what’s next and giving my all for the club and our incredible fans – let’s create memories ❤️ pic.twitter.com/lvXaOPPFsf
— Jamal Musiala (@JamalMusiala) February 14, 2025
Auf den ersten Blick erscheinen diese Zahlen aberwitzig, vor allem, wenn man bedenkt, dass die Bayern eigentlich doch die Lohnkosten ein wenig drücken wollten. Anderseits ergibt diese Rechnung bei weiterer Beschäftigung durchaus Sinn: Ein Spieler wie er ist gegenwärtig nicht zu bekommen, erst recht keiner, der seine Reife auf höchstem Niveau nachgewiesen hat.
Nach dem Spiel gegen Leverkusen schwärmte auch der Bayern-Trainer Vincent Kompany von den Qualitäten Musialas, nachdem dieser auf seinen Mitspieler im Nationalteam, Florian Wirtz, getroffen war. Zwar kenne er Wirtz nicht aus der täglichen Arbeit, sagte Kompany, aber wenn er Musiala anschaue, habe er das Vertrauen, dass diese Entwicklung weitergehen werde, dass die besten Jahre erst noch bevorstünden.
Vor diesem Hintergrund ist wohl auch die Vertragsverlängerung zu betrachten, deren Konditionen die Bayern wohl nur mit heftigem Zähneknirschen zustimmten. Denn der Spieler, der Musiala ist, ist zwar aussergewöhnlich – aber noch nicht in dem Masse, das es rechtfertigen würde, sich an die Spitze der Gehaltspyramide in einem Klub mit extrem hohen Lohnkosten zu katapultieren. Es ist vielmehr der grösste Vorschuss, den die Münchner je entrichtet haben.
Die Bayern vermarkten ihn offensiv
Und es muss sich rechnen: Offensiver als Musiala haben die Bayern noch keinen ihrer Profis vermarktet: «Artist. Inspiring. Magical. Genius. One of us. HE IS HIM», ist ein Video auf Instagram untertitelt, das ihn als Pianisten, Schach- und Pokerspieler zeigt.
Die Bayern wissen allerdings auch, warum. Ihre Abhängigkeit von Musiala ist so gross, dass man sich nicht ausmalen mag, wie die letzten beiden Jahre der Münchner verlaufen wären, hätte es ihn nicht gegeben. Im Frühling 2023 sicherte sein spätes Tor gegen den 1. FC Köln den Meistertitel.
Dass er zu wenig torgefährlich sei, wird Musiala dann und wann vorgeworfen, doch diese Kritik verkennt eines: Er ist eben nicht nur ein offensiver Mittelfeldspieler, sondern mag es auch, aus der Tiefe vorzustossen – die Variabilität der Positionen wiegt die schwächere Torgefahr auf.
Dennoch: Vergleiche mit Altersgenossen sind unerlässlich. Da ist zum einen derjenige mit Wirtz, dem Leverkusener Spielgestalter, genauso alt wie er. Als der Bayern-Coach Kompany von Musiala schwärmte, merkte er auch an, dass es vollkommen aussergewöhnlich sei, zwei Spieler von dieser Qualität zur selben Zeit in derselben Nationalmannschaft zu haben, und noch dazu in derselben Liga. Diese Gleichzeitigkeit des Unwahrscheinlichen eröffnet auf der einen Seite ungeahnte Möglichkeiten für einen Nationaltrainer wie Julian Nagelsmann. Aber sie ist für Musiala wie für Wirtz eine Bürde.
Sie werden stets aneinander gemessen, und wer behauptet, dass Wirtz in seiner Entwicklung weiter sei, liegt bestimmt nicht falsch. Seine Rolle beim Leverkusener Titelgewinn war zentral, und auch wenn es um das Auftreten geht, scheint Wirtz derjenige zu sein, der mehr von sich und seinen Mitspielern verlangt. Man braucht sich bloss eine anderthalb Jahre alte Szene anzuschauen, als er eine Rangelei mit dem anderthalb Köpfe grösseren Leon Goretzka regelrecht genoss.
📊 Florian Wirtz & Jamal Musiala – career stats
Incredible talents! 🔥 pic.twitter.com/7cTmVkZwLb
— Sholy Nation Sports (@Sholynationsp) February 17, 2025
Der notorische Nörgler Dietmar Hamann vermisst die Härte
Musialas Auftreten ist diskreter, manchmal wirkt er auch ein bisschen larmoyant. Seine Körpersprache ähnelt eher der eines Serge Gnabry oder eines Leroy Sané, der beiden Münchner Flügelstürmer, die über ungeheures Potenzial verfügen, mittlerweile aber Ende 20 sind und noch immer auf ihre besten Zeiten warten. In diese Kategorie fällt Jamal Musiala nicht. Dafür ist er jetzt schon zu zentral für die Bayern. Aber eben nicht so brillant, dass er über jeden Zweifel erhaben wäre.
Die Experten streiten über ihn. Dietmar Hamann, der notorische Nörgler, vermisst die Härte und sieht Florian Wirtz weit voraus. Die aggressive Art des jungen Leverkuseners sei auch für die Mitspieler ein mitreissender Faktor. Lothar Matthäus hingegen sieht in Musiala eine «Bereicherung für den Fussball» an sich, wegen ihm gehe man ins Stadion. Musiala, der am Fernseher das Lob live auf Sendung entgegen nahm, lächelte verlegen und gelobte ständige Verbesserung. In diesem Augenblick wirkte er fast wie ein Musterschüler.