Wenn Short-Seller ein Unternehmen ins Visier nehmen, kann das ein Warnsignal sein. The Market zeigt regelmässig, wo die Leerverkäufer an der deutschen Börse auf Kursverluste wetten. Diesmal im Fokus: Verbio, Commerzbank, HelloFresh.
Die Leerverkäufer am deutschen Aktienmarkt zeigen sich weiterhin eher zurückhaltend. Seit nunmehr über einem Jahr pendelt das Short-Volumen um die Marke von 20 Mrd. $ – im Januar stieg es leicht um 4%. Zum Vergleich: Im Frühjahr lag das Volumen bei über 45 Mrd.
Ob es einen direkten kausalen Zusammenhang gibt, ist schwer zu sagen, aber eine gewisse Vorsicht der Leerverkäufer ist angesichts der guten Performance des deutschen Aktienindex Dax in den letzten anderthalb Jahren nicht völlig überraschend. Auch der HDax, in dem die 110 Werte aus Dax (40), MDax (40) und TecDax (30) zusammengefasst sind, zeigte zuletzt eine beachtliche Performance. Da die Unternehmen einen grossen Teil ihres Geschäfts im Ausland machen, steht die Rally auch nicht im Widerspruch zum Wirtschaftsabschwung in Deutschland.
Porsche bleibt Dax-Spitzenreiter
Im Dax gab es im Januar vergleichsweise geringe Verschiebungen in den Top Ten. «Spitzenreiter» bleibt Porsche AG, wobei sich der Anteil der Shorts an den sich im Streubesitz befindlichen Aktien des Sportwagenherstellers kaum verändert hat. Mit 31% ist er aber nach wie vor aussergewöhnlich hoch. Absatzprobleme in China und Verzögerungen bei Modellreihen belasten den Aktienkurs seit geraumer Zeit.
Leerverkäufer leihen sich Aktien, verkaufen diese am Markt und hoffen, sie zu einem späteren Zeitpunkt zu einem niedrigeren Preis zurückzukaufen, um sie dann dem Eigentümer zurückzugeben. Geht die Wette auf, streichen sie die Differenz zwischen Verkaufs- und Rückkaufpreis als Gewinn ein. The Market analysiert regelmässig, gegen welche deutschen Aktien die grössten Short-Wetten laufen, und stützt sich dabei auf Daten des US-Anbieters S3 Partners (die grössten Wetten gegen Schweizer Aktien finden Sie hier).
Unter den Favoriten im Dax stehen neben Porsche weiterhin Commerzbank und Siemens Energy, wobei bei der zweitgrössten deutschen Bank die Ausleihquote von 6,2 auf 9,3% signifikant gestiegen ist. Bei Commerzbank steht das Interesse von UniCredit im Vordergrund. Im Januar haben die Commerzbank-Aktien ihr Mehrjahreshoch überschritten.
Die italienische Bank hat sich über Aktien und Derivate rund 28% der Anteile an der Commerzbank gesichert und will auf 29,9% aufstocken. Auch wenn die Beteiligung von Unicredit offiziell derzeit «ausschliesslich als Investment» betrachtet wird, treibt das Interesse den Aktienkurs an. In der Coba stecke ein «erheblicher Wert», so Unicredit in einer Mitteilung. Immer mehr Leerverkäufer setzen offenbar darauf, dass ein solcher Deal nicht zustande kommt.
Leicht zurückgegangen sind dagegen die Wetten gegen die Porsche Automobil Holding (Porsche SE), die kotierte Beteiligungsgesellschaft der Familien Porsche und Piëch, wo die Short-Quote von 3,8 auf 2,5% sank. Mitte Dezember überraschte Porsche SE mit einer deutlichen Gewinnwarnung aufgrund eines Milliardenabschreibers auf ihre beiden Hauptbeteiligungen: Volkswagen und Porsche. Porsche SE leidet unter der Krise der deutschen Autoindustrie.
Neu in den Top Ten der am meisten leerverkauften Dax-Aktien sind Mercedes-Benz und Sartorius, die die Plätze von Covestro und Bayer einnehmen, die aus der Rangliste ausscheiden.
Thyssenkrupp Nucera weiter auf Platz 1
Auch in den Top Ten der deutschen Aktien hat sich auf den vorderen Plätzen wenig verändert. Unangefochtener Spitzenreiter bleibt Thyssenkrupp Nucera, auch wenn die Ausleihquote minimal auf 34,4% gesunken ist. Die Aktien der im Sommer 2023 via Spin-off an die Börse gebrachten Wasserstoffsparte von Thyssenkrupp tun sich schwer – der sprunghafte Kursgewinn um den Jahreswechsel ist bereits verpufft.
Nucera stellt Elektrolyseanlagen zur Herstellung von grünem Wasserstoff her. Obwohl das Thema als strukturelle Wachstumsstory gilt, ist die Stimmung in der Branche seit mehr als zwei Jahren gedrückt. Goldman Sachs warf vergangene Woche das Handtuch und stufte die Aktien von «Neutral» auf «Sell» herab. Die Begründung: die «schwierige Lage in der Wasserstoffbranche».
Vervbio zurück in den Top Ten
Weiterhin hoch sind die Wetten gegen Aurubis. Mit einer gegenüber dem Vormonat unveränderten Quote von 21,5% nimmt der Kupferkonzern den dritten Rang ein. Bei den Aktien von Fraport hat sich die Ausleihquote leicht auf unter 20% reduziert. Der Flughafenbetreiber hat zuletzt Milliarden investiert, um sein Megaprojekt – das neue Terminal 3 in Frankfurt – zu finanzieren.
Fraport zählt zu den Aktienfavoriten von The Market für 2025. Zwar wird das Terminal erst im Frühjahr 2026 eröffnet, doch da Fraport 2025 den Höhepunkt der Investitionen hinter sich haben wird, lohnt sich aus Sicht von The Market der Einstieg.
Neu auf Platz sechs der am meisten leerverkauften Aktien in Deutschland ist Verbio. Die Aktien tauchen damit erstmals seit knapp einem Jahr wieder in den Top Ten auf. Der Spezialist für Biokraftstoffe hatte am 15. Januar die Börse mit einer Gewinnwarnung überrumpelt. Das Ebit-Ziel für das laufende Geschäftsjahr 2024/2025, das am 30. Juni endet, senkte das Unternehmen aus Sachsen-Anhalt von 120 bis 160 Mio. € auf einen «zweistelligen Millionenbetrag».
Verbio ist Wiederholungstäterin: Bereits im vorherigen Geschäftsjahr musste sie ihre Prognose mehrfach senken. Die Aktien befinden sich seit zwei Jahren in einem Abwärtssog. Als Grund für die neuerliche Gewinnwarnung verweist das Management unter anderem auf unerwartete technische Qualitätsprobleme in der Anlage in Nevada.
Die Analysten von Hauck Aufhäuser Investment Banking halten die Fahne für Verbio dennoch hoch und belassen ihr Rating auf «Buy». Das aktuelle Bewertungsniveau sorge für ein attraktives Chance-Risiko-Verhältnis beim Biospritanbieter, heisst es in einer jüngsten Research-Note Tim Wunderlich. Der «perfekte Sturm» bei den Preisen – hohe Rohstoffkosten treffen auf sinkende Preise für Biokraftstoffe – werde in den kommenden Quartalen drehen, so der Analyst.
HelloFresh zurück in den Top Ten
Ein weiterer Rückkehrer in die Top Ten ist HelloFresh. Der Kochboxenversender kassierte im Frühjahr vergangenen Jahres seine Mittelfristziele und schickte damit die bereits zuvor unter Druck geratenen Aktien endgültig auf Talfahrt, erst im Juni sollten sie ihr Tief bei 4.50 € markieren. Seitdem stieg der Kurs jedoch bis Mitte Januar auf über 12 €.
HelloFresh kämpft mit einer schwachen Nachfrage im Kerngeschäft mit Kochboxen. Doch der neue Fokus auf Fertiggerichte, mit denen HelloFresh zuletzt den Umsatz steigerte, kommt an der Börse gut an, weil damit ein neues Kundensegment angesprochen wird. Mit den neuen Schnellgerichten dringt das Unternehmen in die bisherige Domäne der Fastfood- und Tiefkühlanbieter vor und zielt insbesondere auf Berufstätige und Vielbeschäftigte.
In den letzten Wochen kam erneut Druck auf die Aktien. Am 13. März berichtet das Unternehmen über das vierte Quartal. Allerdings wird bei HelloFresh häufig vorher per Ad-hoc-Meldung über den Geschäftsverlauf informiert. Gut möglich, dass einige Investoren angesichts der Kursrally kalte Füsse bekommen und daher zuletzt vermehrt aussteigen – und Shortseller wieder auf den Zug aufspringen.