Eine streng kontrollierte Verschleierungspflicht soll Frauen in Iran dazu zwingen, ein Kopftuch zu tragen – doch es regt sich Widerstand. Noch könnte Präsident Pezeshkian ein Veto einlegen.
Noch ist es nicht in Kraft getreten. Für Empörung sorgt das neue Kopftuchgesetz trotzdem. In Iran müssen Frauen künftig mit harten Strafen rechnen, wenn sie kein Kopftuch tragen. Bei Verstössen gegen die Kleidungsvorschriften sind Geldbussen, Ausreisesperren und sogar Haftstrafen vorgesehen. So steht es im Gesetzestext, der am Samstag in voller Länge veröffentlicht wurde. Spätestens ab dem 18. Dezember soll die neue Vorschrift gelten.
Doch nicht nur in der Bevölkerung regt sich Widerstand gegen das «Gesetz zum Schutz der Familie durch Förderung der Kultur der Keuschheit und des Hijab», wie es offiziell heisst. Auch innerhalb des Machtapparats ist die neue Regelung umstritten. «Wir brauchen kein solches Gesetz, sondern höchstens kulturelle Überzeugungsarbeit», sagte der ehemalige Parlamentspräsident Ali Larijani, der als Gefolgsmann des politischen und religiösen Oberhauptes Ali Khamenei gilt. In den sozialen Netzwerken wurde das neue Gesetz als «Kriegserklärung» gegen die Frauen im Land bezeichnet.
Die verschärfte Vorschrift ist eine Antwort der obersten Führung auf die Proteste gegen die Regierung vor zwei Jahren, die von Frauen angeführt wurden. Auslöser war damals der Tod der jungen iranischen Kurdin Mahsa Amini. Weil unter ihrem Kopftuch einige Haarsträhnen zu sehen waren, war sie von der Sittenpolizei verhaftet worden. Sie starb in Polizeigewahrsam.
Protest gegen die politische Führung
Seit diesem Vorfall verzichten vor allem in den grossen Städten immer mehr iranische Frauen darauf, ein Kopftuch zu tragen. Viele von ihnen protestieren damit gegen die politische Führung und die Einschränkung der Frauenrechte. Bereits seit der islamischen Revolution vor 45 Jahren schreibt der Staat den Frauen vor, wie sie sich zu kleiden haben: Sie sollen ihre Haare bedecken und die Konturen ihres Körpers verhüllen. Wer sich nicht daran hielt, musste bislang mit Zurechtweisungen durch die Sittenpolizei rechnen – nicht aber mit Gefängnisstrafen.
Das soll sich jetzt ändern. Geht es nach dem Willen der Hardliner in der iranischen Politik, werden die Kleidervorschriften künftig streng kontrolliert. Das bedeutet: Nicht nur die Frauen ohne Kopftuch werden bestraft, sondern alle, die mit ihnen in Kontakt sind. Läden und Restaurants beispielsweise sollen geschlossen werden, wenn sie Kundinnen ohne Kopftuch bedienen. Taxifahrern droht in diesem Fall ein Entzug der Fahrerlaubnis.
Viele Frauen in Iran wollen sich davon nicht einschüchtern lassen und das neue Gesetz ignorieren. Unklar ist, ob die Kleidervorschriften tatsächlich so streng kontrolliert werden wie vorgesehen – sofern das Gesetz überhaupt wie geplant in Kraft tritt. Denn strikte Sittenwächter könnten erneute Proteste und Unruhen in Iran provozieren – und das dürfte die politische Führung in Teheran, die auch aussenpolitisch schon stark unter Druck steht, vermeiden wollen.
Der Präsident steht vor einem Dilemma
In den vergangenen Wochen und Monaten hat Iran im Nahen Osten stark an Einfluss verloren. Sein wichtigster Verbündeter, der libanesische Hizbullah, wurde im Krieg gegen Israel extrem geschwächt. Aber auch Iran selbst konnte den israelischen Bombardements seiner Militäranlagen kaum etwas entgegensetzen – auch wenn Teheran versuchte, den entstandenen Schaden herunterzuspielen. Hinzu kommt, dass Iran schon seit Jahren in einer schweren Wirtschaftskrise steckt. Sanktionen westlicher Staaten tragen dazu bei. Innenpolitische Unruhen würden Teheran noch stärker als bis anhin unter Druck setzen.
Präsident Pezeshkian steht jetzt vor einem Dilemma. Während seines Wahlkampfes im Sommer hatte der als moderat geltende Politiker den Frauen versprochen, die Kontrollen durch die Sittenwächter zu beenden. Gegen das Gesetz, dessen erster Entwurf bereits vor mehr als einem Jahr vorlag, könnte er ein Veto einlegen. Auch das Parlament hatte die Abstimmung immer wieder aufgeschoben. Pezeshkian könnte versuchen, die Umsetzung zu verzögern oder Änderungen durchzusetzen. Ob er das will, ist unklar – und auch, ob er damit Erfolg haben könnte.







