Mit einem Antrag auf einstweilige Verfügung erzielt der Jurist Ulrich Vosgerau einen Teilerfolg. Die Rechercheplattform muss eine Aussage widerrufen, zwei weitere Behauptungen hingegen nicht. Der ganze Fall aber wird sich in der politischen Debatte entscheiden.
Das Landgericht Hamburg hat entschieden, doch damit dürfte weder in juristischer noch in politischer oder medienethischer Hinsicht das letzte Wort gesprochen sein. Die 24. Zivilkammer gab dem Staatsrechtler Ulrich Vosgerau, der gegen die Berichterstattung des Recherchenetzwerks Correctiv über seine Person geklagt hatte, in einem Punkt recht.
Correctiv muss den beanstandeten Text über ein mutmassliches rechtes Geheimtreffen in Potsdam korrigieren. Zwei weitere Textpassagen, in denen sich Vosgerau falsch wiedergegeben sieht, sind laut dem Beschluss zulässig und entsprechen der «prozessualen Wahrheit».
Der am 10. Januar veröffentlichte Artikel «Geheimplan gegen Deutschland» rekonstruiert mit hohem dramaturgischem Aufwand ein Treffen in einer Potsdamer Villa. Dort soll Ende November 2023 ein Plan entwickelt worden sein, wie man «Millionen von Menschen» aus Deutschland vertreiben könne. Ein Referat hierzu habe Martin Sellner gehalten, Leitfigur der österreichischen Identitären Bewegung. Vosgerau wohnte der Veranstaltung bei. Correctiv schreibt ihm zwei Aussagen zu und zitiert aus einer Antwort auf eine Nachfrage des Recherchenetzwerks.
Quellen bleiben unklar
Erfolg hatte Vosgerau mit seinem Antrag auf einstweilige Verfügung bezüglich dieser Behauptung: Er, Vosgerau, habe nicht dargelegt, die Gültigkeit von Briefwahlen könne durch möglichst zahlreiche Wahlprüfungsbeschwerden in Zweifel gezogen werden. Correctiv hatte geschrieben: «Je mehr mitmachten, stimmt er zu, umso höher die Erfolgswahrscheinlichkeit.»
Das Gericht hält Correctiv vor, nicht konkret vorgetragen zu haben, wie sich Vosgerau geäussert haben soll. Das Recherchenetzwerk sei seiner «Darlegungs- und Glaubhaftmachungslast» nicht nachgekommen. Bis heute ist unklar, auf welche Quellen sich Correctiv stützt. Sollte die private Veranstaltung abgehört worden sein, wäre es ein Gesetzesverstoss gewesen.
Nicht beanstandet wurden vom Gericht zwei andere Aussagen. Es darf weiter ausgeführt werden, dass Vosgerau sich «an die Sache mit der Ausbürgerungsidee von Staatsbürgern in Sellners Vortrag» nicht erinnern wolle. Vosgerau sieht sich verunglimpft, da er gegenüber Correctiv präzisiert habe, es sei seiner Erinnerung nach von niemandem – nicht nur von Sellner nicht – gesagt worden, «es sollten Personen, die die deutsche Staatsbürgerschaft haben, irgendwie repatriiert oder ausgebürgert werden». Das Gericht sieht keinen Widerspruch zwischen dieser Aussage und der Formulierung einer nicht mehr erinnerlichen «Ausbürgerungsidee von Staatsbürgern in Sellners Vortrag».
Wertende Zusammenfassungen bei Correctiv
Auch ertragen muss Vosgerau den Satz, er habe in der Diskussion über die Gültigkeit von Briefwahlen Bedenken ausgedrückt «in Bezug auf junge Wählerinnen türkischer Herkunft, die sich keine unabhängige Meinung bilden könnten». Vosgerau sieht sich die These untergeschoben, solche Frauen könnten generell zu keiner unabhängigen Meinung gelangen. Er habe in Wahrheit lediglich auf die Ambivalenz einer offenen Stimmabgabe im Kreis der Familie hinweisen wollen. Das Gericht urteilt: Die Leser verstünden die Äusserungen als «Zusammenfassung einer auf die Stimmabgabe bezogenen Problematik».
Numerisch lautet der Zwischenstand 2 zu 1 für Correctiv. Dessen Anwalt spricht von einem «grossen Erfolg», Vosgeraus Rechtsvertreter vom «vollen Erfolg» des Vorgehens. Vosgerau selbst prüft den Gang zur nächsten Instanz. Die gesamte Causa aber kann nicht vor Gericht entschieden werden. Seit Erscheinen des Artikels gehen Hunderttausende auf die Strassen, um «gegen rechts» zu demonstrieren. Ob bei dem Treffen aber tatsächlich von einer millionenfachen Vertreibung auch deutscher Staatsbürger die Rede war, bleibt offen.