Die Gewinne des Schweizer Rohstoffkonzerns halbierten sich im vergangenen Jahr. Das Unternehmen senkt auch die Dividende, um die Verschuldung zu reduzieren. Der Aktienkurs bleibt unter Druck.
Die Zeiten der Traumgewinne für Glencore sind dahin. Und dennoch erzielte der Schweizer Rohstoffkonzern 2023 eines seiner besten Jahresergebnisse. Die Zahlen des Unternehmens spiegeln, wie aussergewöhnlich das vergangene Jahr für die Branche war.
Die russische Grossinvasion der Ukraine wirbelte die Energiemärkte durcheinander, wobei Glencore als einer der grössten Kohleproduzenten weltweit in besonderem Masse von den Preissteigerungen profitierte. Der Kohlepreis hat sich im vergangenen Jahr aber wieder normalisiert.
Schwache Preise für Batteriemetalle
Auch das Handelsgeschäft mit Kohle, Erdöl und Erdgas brachte im vergangenen Jahr deutlich weniger ein als zuvor. Der Rückgang des Umsatzes und des Gewinnes lässt sich vor allem mit den niedrigeren Energiepreisen erklären. Aber auch die Preise für die Metalle, die als notwendig für die «grünen» Technologien erachtet werden, haben nachgelassen.
Glencore setzt derzeit auf zwei Standbeine: Das erste davon ist die «Energie von heute». Darunter versteht der Rohstoffkonzern vor allem Kohle. Der zweite Pfeiler sind die Rohstoffe für die Energiewende: Kupfer, Nickel, Kobalt und Zink.
In den vergangenen Monaten sind aber vor allem die Preise für Nickel und Kobalt unter die Räder gekommen. Auch Lithium ist mitten in einer Schwächephase, wobei Glencore bei diesem Rohstoff wenig engagiert ist.
Im vergangenen Jahr sind zwar 14 Millionen Elektrofahrzeuge verkauft worden, was einen Anstieg von 35 Prozent gegenüber dem Vorjahr bedeutet. Es häufen sich jedoch die Anzeichen, dass die Verkaufszahlen bei batteriebetriebenen Autos in wichtigen Märkten wie den USA, China und Europa sinken. Dies wird auch durch die gesunkenen Preise für Batteriemetalle gespiegelt.
Der Glencore-Chef Gary Nagle sieht aber keine Schwäche bei der Nachfrage, vielmehr Verwerfungen beim Angebot. Beim Nickel sorgt vor allem der starke Anstieg der Volumen aus Indonesien für Aufregung. Dadurch kommen wenig profitable Nickelminen auf der ganzen Welt unter Druck.
Glencore hat sich dazu entschlossen, die Finanzierung des Minenprojekts Koniambo in Neukaledonien zu beenden und den Anteil an der Mine zu verkaufen. Es gehörte schon lange zur Folklore, an den Bilanzpressekonferenzen von Glencore nach Koniambo zu fragen, worauf die Antwort stets war, dass die Situation schwierig sei. Der Konzern zieht nun den Stecker.
Auch am Kobaltmarkt herrscht derzeit ein Überangebot. Das Metall fällt meist als Beiprodukt beim Abbau von Nickel oder Kupfer an. Deshalb ist es schwierig, die Menge zu kontrollieren. Der Preiszerfall zeigt aber, dass auch bei den Batteriemetallen nicht nur Wachstum angesagt ist. Zudem schwächelte auch der Preisverlauf bei Kupfer. Dies ist zum Teil auf die schwache Konjunktur in China zurückzuführen.
Nagle sieht aber weiterhin eine starke chinesische Nachfrage nach erneuerbaren Energien, Stromnetzen und weiterer Infrastruktur, was enorme Kupfermengen benötigt. Am Kupfermarkt kommt laut dem Glencore-Chef ein schwaches Angebot hinzu, es kam zu Projektverschiebungen und Minenschliessungen. Der Schweizer Konzern sieht sich mit neuen Kupferprojekten am Markt gut positioniert.
Kohle für die Elektrifizierung
Ähnlich stark sieht Nagle auch die Nachfrage nach Kohle, die ausgerechnet durch die Elektrifizierung getrieben wird. Ausser auf die Zunahme an Elektrofahrzeugen und Wärmepumpen verweist der Glencore-Chef auch auf Datenzentren, künstliche Intelligenz und Kryptowährungen. Bis 2026 könnte der Stromverbrauch für diese Dienste um ein Volumen ansteigen, das dem Stromkonsum Deutschlands entspricht.
Dass eine Dekarbonisierung anders aussieht als eine Verstromung mit Kohle, ist auch Glencore klar. Der Konzern spricht lieber davon, «die Deckung des Energiebedarfs von heute zu unterstützen». Um den Spagat zwischen einem profitablen Kohlegeschäft und einer glaubwürdigen Unternehmenspolitik in Bezug auf das Klima besser vollziehen zu können, ist Glencore die Flucht nach vorne angetreten: Ende vergangenen Jahres kündigte das Unternehmen mit Sitz in Baar an, die Kohlesparte des kanadischen Bergbauunternehmens Teck namens Elk Valley Resources (EVR) zu übernehmen.
Glencore wird für 6,93 Milliarden Dollar in bar einen Anteil von 77 Prozent an EVR kaufen. Die Transaktion könnte bis zum dritten Quartal des laufenden Jahres abgeschlossen sein. Das vergrösserte Kohlegeschäft könnte dann innerhalb von 24 Monaten, also bis November 2026, von den übrigen Glencore-Aktivitäten als eigenständiges Unternehmen abgetrennt werden – wenn die Aktionäre des Rohstoffkonzerns diesem Vorgehen zustimmen. Dadurch erhofft sich das Glencore-Management eine Wertsteigerung, weil dann die beiden Unternehmen klarer in ihrer Positionierung sind.
Zurechtgestutzte Dividende
Der Aktienkurs bereitet tatsächlich Kopfzerbrechen – auch im Vergleich mit Bergbau-Konkurrenten wie BHP und Rio Tinto, die in der vergangenen Zeit von gestiegenen Eisenerzpreisen profitieren konnten. Nach der Bekanntgabe der Zahlen verlor der Glencore-Titel mehr als 5 Prozent an Wert. Im Tagesverlauf erholte sich der Kurs jedoch wieder. Die negative Reaktion lässt sich auch mit der deutlichen Reduktion der Ausschüttung an die Aktionäre erklären. Während im vergangenen Rekordjahr die Anteilseigner 7,1 Milliarden Dollar erhielten, sollen es dieses Jahr nur 1,6 Milliarden Dollar sein.
Mit der Übernahme der Kohlesparte von Teck erhöht Glencore auch die Nettoverschuldung, die auf 4,9 Milliarden Dollar steigt. Die geringere Dividende soll auch dazu beitragen, die Verschuldung abzubauen, zumal auch der Reingewinn gegenüber dem Vorjahr stark gesunken ist. Eine Voraussetzung für die Aufspaltung ist, dass Glencore innerhalb der Frist in ausreichendem Masse die Schulden abbauen kann. Magischerweise beträgt die maximal erlaubte Nettoverschuldung 5 Milliarden Dollar.
Dass die gegenwärtige Verschuldung gerade darunter liegt, könnte ein Hinweis darauf sein, dass Nagle schnell mit einer Aufspaltung voranschreiten möchte. Christopher LaFemina, Analytiker beim Finanzinstitut Jefferies, drückt das derzeitige Unbehagen folgendermassen aus: «Der Kohledeal mit Teck ist eine weitgehende Umstrukturierung von Glencore, das Unternehmen befindet sich aber derzeit in einer Art Warteschleife.»