Gartenbesuch
Exotische Pflanzen stehen hier inmitten heimischer Wildblumenwiesen, der Effekt ist verwirrend und zugleich faszinierend. Es ist eine ganz eigene Welt, die man in Glendurgan erkunden kann.
Unter Bäumen schlängelt sich der Weg ein sanftes Tal hinab. Dicke Wassertropfen lösen sich vereinzelt von den Ästen. Es nieselt stetig, was aber niemanden zu stören scheint. Schliesslich kommt man nicht wegen des Wetters nach Cornwall. Und wenn ein Ort besonders geeignet ist für einen Besuch im Regen, dann ist es Glendurgan Garden.
Der Garten füllt ein 12 Hektaren grosses Tal, das in eine kleine Bucht mündet, um die sich die wenigen Häuser des Dörfchens Durgan gruppieren. Aber dorthin gelangt man erst, nachdem man den gesamten Garten durchquert hat. Vom Eingang am oberen Ende des Tals geht es vorbei an Wiesen, aus denen Bäume und Sträucher ragen. Nichts Besonderes, oder? Doch, dort stehen exotische Pflanzen in heimischen Wildblumenwiesen, der Effekt ist verwirrend und zugleich faszinierend. Es ist, als hätte jemand die Landschaft verzaubert.
Glendurgan ist ein Labyrinth
Der südamerikanische Luma apiculata, ein immergrüner Baum mit einer Borke wie aus Zimt, steht neben tasmanischen Baumfarnen. Man findet Raritäten wie die Wollemie, eine viele Millionen Jahre alte Koniferenart, die, bis sie 1994 in Australien entdeckt wurde, als ausgestorben galt. Dabei fügt sich alles zu einem harmonischen Ganzen, sogar die zahlreichen Palmen und das Mammutblatt (Gunnera) scheinen hierherzugehören.
Doch man muss sich nicht für Botanik interessieren oder gar die exotischen Arten identifizieren können, um Glendurgan zu geniessen. Es genügt, sich einfach treiben zu lassen, diese phantastische Landschaft als etwas Besonderes wahrzunehmen.
Dann wähnt man sich plötzlich in Indien. Hinter Rhododendren wird der Blick frei auf etwas, das an Teegärten in Darjeeling erinnert. Oben abgerundete Hecken sind zu einem eng gewundenen Muster verschlungen. Dazwischen befinden sich schmale Wege. Am Fuss des Himalajas wird auf ähnliche Art Tee angebaut. Hier in Cornwall gibt es zwar tatsächlich eine Teeplantage, aber erst seit 25 Jahren, und ganz so pittoresk ist sie nicht. Nein, das hier ist ein Labyrinth, bestehend aus Kirschlorbeer anstatt Teesträuchern und gepflanzt vor fast 200 Jahren, zum Vergnügen.
Sarah und Alfred Fox legten den Garten damals für sich und ihre zwölf Kinder an. Es braucht nicht viel, um sich vorzustellen, dass diese hier damals genauso im Irrgarten gespielt haben wie kleine Besucher heute. Aber der Garten war nicht nur Abenteuerspielplatz, sondern auch Schulhof. Das Ehepaar Fox betrieb nämlich die erste Schule der Gegend in einem kleinen Gebäude hier im Garten, für ihre eigenen Kinder und die der Nachbarn.
Pflanzen aus kühl-feuchten Klimazonen
Der Regen hat nun aufgehört, aber die nächsten Wolken ziehen schon herauf. Das Klima im Südwesten Grossbritanniens ist sprichwörtlich mild und feucht. Bevor der Mensch sich hier ansiedelte, war Cornwall mit gemässigtem Regenwald bedeckt. Solche Ökosysteme gibt beziehungsweise gab es auch in anderen Teilen der Welt, wie zum Beispiel an der Südküste Chiles oder im Südosten Australiens. Sie gelten als besonders artenreich, sind jedoch in grossen Teilen zerstört. In Cornwall überdauern nur noch winzige Überbleibsel. Glendurgan ist zwar keins von ihnen, dafür aber eine Art Phantasieversion, eine komplexe Kombination von Pflanzen aus ähnlich kühl-feuchten Klimazonen der Erde.
Kennzeichen eines gemässigten Regenwaldes ist Moos. Die Pflanzenart findet hier ideale Bedingungen, ganze Bäume sind in grüne Polster gehüllt und bilden wiederum Lebensraum für weitere, feuchtigkeitsliebende Pflanzen: Farne. Manchmal ist es schwierig, die Blätter der Bäume von den Wedeln der epiphytisch wachsenden Pflanzen zu unterscheiden, so zahlreich sitzen diese in den Baumkronen.
Bei genauem Hinsehen finden sich weitere, extrem filigrane Strukturen: Flechten. Auch von diesen empfindlich auf Umwelteinflüsse reagierenden Gebilden beherbergt der Garten unterschiedlichste Arten. Es ist eine ganz eigene Welt, die man in Glendurgan erkunden kann, und das ganz in Ruhe, ohne die Jahrmarktatmosphäre, die gerade im Sommer in vielen anderen Gärten Cornwalls herrscht.