Das Parlament ist daran, allen Drittstaatenangehörigen, die zu Hause Gewalt erleiden, ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht zu verschaffen. Dies gilt auch für Frauen, die als Kurzaufenthalterinnen eingereist sind.
Es ist eine Gesetzesänderung, der man auf den ersten Blick schwer widersprechen kann, will man nicht als hartherzig gelten. Gleichwohl stellen sich bei der ausländerrechtlichen Vorlage, die am Mittwoch vom Ständerat als Zweitrat behandelt wird, gewisse Fragen. Es geht darum, inwieweit Personen – in der Regel sind es Frauen – aus Drittstaaten in der Schweiz einen Rechtsanspruch auf Aufenthalt erhalten sollen, sofern ihr Partner, von dem ihr Aufenthaltsrecht hierzulande abhängt, ihnen gegenüber physisch oder psychisch gewalttätig ist.
Ausweitung auf Konkubinatspaare
Der Nationalrat hat sich im vergangenen Dezember dafür ausgesprochen, das Ausländer- und Integrationsgesetz zum Schutz dieser Drittstaatenfrauen auszuweiten. Keine Frau solle bei ihrem gewalttätigen Mann bleiben müssen aus Angst, sonst aus der Schweiz weggewiesen zu werden, so der Tenor. Allerdings bietet das Gesetz den Frauen schon heute Schutz: Kommt es zu einer Trennung vom Mann, darf das Opfer in der Schweiz bleiben, sofern die Ehe mindestens drei Jahre gedauert hat und die Person gut integriert ist. Daneben gibt es eine Härtefallregelung, die es ermöglicht, dass geschlagene oder sonst von ihrem Partner drangsalierte Frauen auch unabhängig von der dreijährigen Ehedauer eine Aufenthaltsregelung beantragen können.
Dem Parlament scheint dies zu wenig zu sein, es will die Härtefallregelung in einen eigenen Rechtsanspruch umwandeln und auf weitere Kategorien von Drittstaatenangehörigen ausdehnen. Laut dem Entscheid des Nationalrats, dem sich der Ständerat anschliessen dürfte, sollen künftig auch Frauen, die lediglich mit einer Kurzaufenthaltsbewilligung in die Schweiz eingereist sind, sowie vorläufig Aufgenommene das Recht bekommen, in der Schweiz zu bleiben, sofern sie Opfer von häuslicher Gewalt sind. Oder anders gesagt: Wer zu Hause Gewalt erleidet, erhält unabhängig von seinem ausländerrechtlichen Status (und Erwerbsarbeit) eine eigenständige Aufenthaltsbewilligung. Zudem sollen künftig nicht mehr nur Ehepartner, sondern auch Konkubinatspartner erfasst werden.
Die politische Debatte verläuft entlang der üblichen Linien. Im Unterschied zu den anderen Parteien will die SVP gar nicht erst auf die Vorlage eintreten, weil sie die geltende Härtefallregelung für ausreichend hält. Dieselbe Auffassung vertreten auch mehrere Kantone. Sie halten die Schaffung eines generellen Aufenthaltsrechts bei häuslicher Gewalt für zu weitgehend. Als besonders stossend wird dies bei Kurzaufenthalterinnen und vorläufig Aufgenommenen angesehen, da deren Anwesenheit in der Schweiz von Beginn zeitlich befristet ist und sie durch die häusliche Gewalt ein dauerhaftes Anwesenheitsrecht erlangen. Gerade bei diesen Personengruppen könne die Aussicht auf eine Verlängerung der Bewilligung zu Missbrauch und falschen Anschuldigungen führen, monieren einzelne Kantone.
Eine dreijährige Schonfrist
Die Mehrheit der Kantone und alle Parteien ausser der SVP unterstützen dagegen die Ausweitung des Aufenthaltsrechts grundsätzlich. Uneinigkeit gibt es bei der Frage, inwieweit man von dieser Gruppe von Frauen verlangen darf, sich bei der Integration anzustrengen. Der Nationalrat hat eine dreijährige Schonzeit beschlossen: So soll der Stand der Integration – Sprachkompetenzen, Teilnahme am Arbeitsleben oder Erwerb von Bildung – während dreier Jahre keinen Einfluss darauf haben, ob die Aufenthaltsbewilligung verlängert wird.
Der Bundesrat und eine Minderheit im Ständerat halten das für verfehlt. Wenn eine Person aus persönlichen Umständen Mühe bei der Integration habe, könne man dem bereits heute angemessen Rechnung tragen; die kantonalen Migrationsbehörden würden dies auch tun und die Ausnahmebestimmung anwenden. Andernfalls sei nicht sichergestellt, dass zumutbare Integrationsmassnahmen durchgeführt werden könnten und die betroffene Person auch daran teilnehmen müsse. Zudem würden Opfer häuslicher Gewalt auch nicht aus der Schweiz weggewiesen, nur weil sie sich nicht schnell genug integrierten, heisst es aus den Kantonen.
Einen interessanten Vorschlag machte der Kanton Zug. Er fordert, dass Ausländer, die gegenüber ihrer Partnerin Gewalt ausüben, in ihr Heimatland zurückkehren müssen. Heute ist die obligatorische Landesverweisung lediglich bei einer schweren Körperverletzung vorgesehen, während häusliche Gewalt auch andere Formen von Übergriffen umfasst. Eine solche Konsequenz hätte bei Ausländern vermutlich eine nicht unerhebliche generalpräventive Wirkung, meint der Kanton Zug.